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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

“Das uralte Schloß, in dem ich hause und in dessen schauerlichen Gemächern beim Klappern alter Fenster und Thüren ich diese Zeilen schreibe – umfaßt mich recht wohlthätig mit seiner Stille und giebt mir im geistvollen Umgange des Herzogs eine gewisse gemächliche Ruhe, in der ich recht viel zu arbeiten und zu leisten im Stande wäre, wenn ich lange genug da hausen könnte, und nicht gewisse anderweitige Gefühle mich hinweg landeinwärts zögen und sich gar lieblich zudringlich in alles Denken und Trachten einmischten. Doch ich schwatze da in’s Zeug hinein, und Du weißt noch nicht einmal, wo das alte, gute, ehrliche Tonna steckt – etc. Ich kutschirte heraus mit der gewissen ängstlichen Empfindung, die ich immer habe, wenn ich Jemand lange nicht gesehen habe und vielleicht kälter, als ich erwarten zu können berechtigt zu sein glaubte, empfangen würde. Dies war nun aber hier ungegründete Furcht, denn der Herzog[1] empfing mich so herzlich als man nur empfangen werden kann. Nach Tische fuhr ich gleich mit ihm nach Langensalza, wo ein Naturaliencabinet besehen und der Thee bei einem Herrn von Seebach eingenommen wurde.

Den 13. componirte ich zwei neue Lieder, ordnete meine Papiere und brachte von 11 Uhr Morgens den ganzen Tag bis 11 Uhr Nachts beim Herzoge zu, wo natürlich auch Gurgel und Finger herhalten mußten etc. – –“

Mit den beiden hier so einfach erwähnten Liedern war die Blüthe aufgegangen, die der Sonnenschein des großen National-Enthusiasmus in Berlin aus Weber’s Seele herangelockt hatte, die neue Bahn eingeschlagen, die ihn geraden Weges auf den Höhepunkt eines herrlichen Zweiges seines Talentes, an die Pforten des Ruhmes und der echtesten wohlbegründetsten Popularität führen sollte; es waren keine anderen, als „Lützow’s wilde Jagd“ und das „Schwertlied“, die, wie der tönende Athemzug der Begeisterung selbst, aus dem dunkeln, waldesgrünen Arbeitszimmerchen im alten Schlosse Tonna in die ideen- und thatenwogende Welt hinausbrausen sollten!

Er fährt in seinem Briefe an Caroline fort:

„Von meinem baldigen Wegreisen will der Herzog nichts wissen, und kann ich daher noch gar nichts Bestimmtes darüber sagen. Die Güte und Liebe des Herzogs ist wirklich außerordentlich, und so anziehend und brillant sein Witz ist, so oft habe ich auch Gelegenheit sein gutes Herz zu bewundern, das nur so oft verkannt wird, da er allerdings oft etwas scharf mit seinem Witze die Thorheiten der Andern geißelt etc. – Wenigen Menschen würde im Ganzen diese Einsamkeit behagen, in der sich der Herzog so wohl gefällt, wo er, vom lästigen Getümmel des Hofes entfernt, nur die Menschen, die er sehen will, um sich hat. Ueberhaupt ist er mit seiner unendlich regen Phantasie überall zufrieden und zu Hause. Am liebsten sitzt er so neben mir am Clavier und dictirt mir so gleichsam die Gefühle und Bilder, die ich in Tönen ausdrücken soll, so daß er ganze Geschichten erfindet und erzählt, während ich sie zugleich in Musik bringe und durch Töne weiter erzähle.

So vergeht Tag auf Tag, und ich kann darauf rechnen, jeden Abend durch eine neue Idee und Ansicht bereichert in meine Stube zu kommen.“

Dieser glücklichen Muße, diesem fruchtbaren Zusammenleben entriß Weber ein Sturmbrief seines Theaterdirectors Liebich, dem er nicht widerstehen konnte, so daß er sich sogar entschloß, einen Theil des ihm so nöthigen Urlaubes und das fast schon arrangirte Concert in Leipzig, von dem er sich durch Vorführung seiner neuen Lieder, deren zündende Kraft ihm nicht verborgen war, viel Ehre versprach, aufzugeben und sich mit einem kurzen Aufenthalte in Altenburg zu begnügen, wo er am 21. eintraf und am 23. Concert gab. Hier wurde das prachtvolle dritte Körner’sche Lied von „Leyer und Schwert“ „Männer und Buben“ niedergeschrieben. Nach Prag zurückgekehrt, wo er am 25. anlangte, ließ er diesem am 19. Oct. das „Trinklied vor der Schlacht“, am 20. Oct. das „Reiterlied“, am 21. Oct. das „Gebet vor der Schlacht“, am 19. Nov. das „Gebet während der Schlacht“, am 20. Nov. den „Abschied vom Leben“ und gleich darauf den „Trost“ und „Mein Vaterland“ folgen.

Er schreibt darüber an Friedrich Rochlitz am 14. März 1815: – – „Leyer und Schwert“ sind meine liebsten Kinder. Mögen sie Ihnen auch lieb werden! Die 4stimmigen habe ich hier (in Prag) mit 16 Stimmen gegeben, wo sie großen Enthusiasmus erweckten. Die vier mit Clavierbegleitung sprachen sich selbst aus, nur wünschte ich, daß Sie in dem „Gebet während der Schlacht“ nicht etwa ein Schlachtengemälde sehen sollten, nein, das Malen liebe ich nicht, aber die wogende Empfindung in der Seele des Betenden während der Schlacht, indem er in einzelnen betenden, andächtigen langen Accenten zu Gott mit gepreßter Seele ruft – die wollte ich schildern – –.“




Bilder aus dem dritten deutschen Turnfeste zu Leipzig.


2. Die Preisvertheilung nach dem Wettturnen.

Während am Montag (3. August) die durch große Massen in ganz vorzüglicher Weise ausgeführten Freiübungen der Turner bei dem Publicum den lautesten Beifall hervorriefen, war der darauffolgende Tag (4. August) für das eigentliche Wettturnen bestimmt. Hierzu hatte man nicht solche Aufgaben gewählt, deren Erfolg von langen Exercitien abhängig gemacht wird, sondern es waren die einfachsten, aber gleichzeitig auch wieder für Kraft und Gewandtheit wichtigsten Uebungen, welche überhaupt eine möglichst allgemeine Betheiligung zuließen.

Schon früher haben wir die Einzelnheiten und die Erfolge jenes Wettkampfes im Laufen, Hoch- und Weitsprung, sowie im Steinstoßen eingehender beschrieben. Unser Bild zeigt den Augenblick der Verkündigung der Sieger und die Vertheilung der Preise an dieselben. Es war in der That ein unvergleichlich erhebender Act, als der Festpräsident Th. Georgii aus Eßlingen nach einer kräftigen Eingangsrede die Sieger der unabsehbaren, aufmerksam lauschenden Menge nannte und vorführte. Nicht waren es glänzende Preise von edlen Metallen, welche hier vertheilt wurden, denn davon ist man, und zwar mit vollem Rechte, bei den großen Turnfesten ganz abgekommen, aber die Kränze, welche der Festpräsident den kräftigen Männern und Jünglingen auf das Haupt setzte, waren diesen wohl ebenso werth, als wenn es goldene Geschmeide gewesen wären. Die Ehre des Sieges ist ja unbestritten der höchste und unvergängliche Preis. Den Leitern unserer Turnfeste schweben sicher die Einfachheit und der unbestreitbare Nutzen der olympischen Spiele vor, auf denen ja auch meist nur Kränze, aus den Zweigen des Oelbaumes gewunden, vertheilt wurden.

Die dem Untergange schon nahe Sonne beleuchtete mit glühenden Farben die markigen Gestalten der Sieger auf dem am Steigerhause angebrachten hohen Vorbau; war es doch gleichsam, als wollte das freundliche Gestirn des Tages auch zur Verherrlichung der Auserwählten beitragen. Der Festpräsident Georgii überlieferte hierauf noch die aus dem Geburtsorte Jahn’s als Gabe gesandte junge Eiche, so wie den mächtigen Strauß, von Alpenrosen und Edelweiß gebunden, den die braven Söhne der Alpen als Zeichen der Liebe und der steten Hülfsbereitschaft den anwesenden Turnern aus Schleswig-Holstein gewidmet hatten. Bis hinab zu den äußersten Grenzen Deutschlands fühlt man die Schmach, welche dem edlen nordischen Bruderstamme zugefügt wird und wie gern würde man zu seiner Befreiung Blut und Leben statt der Blumen hingeben!

Als die Sieger der Wettkämpfe jetzt den Balcon verließen und wieder herabstiegen, wurden sie von einem nicht endenwollenden Jubel empfangen. Von allen Seiten umringte man sie, kräftige Turngenossen hoben sie auf ihre Schultern, und im Triumphzuge wurden sie so umhergetragen. Alles drängte sich herbei, um die Gefeierten in der Nähe sehen zu können. Man drückte ihnen die Hände und jauchzte ihnen Beifall zu. Hauptsächlich schaarten sich die Landsleute der Betreffenden um sie, die sie ja jetzt mit doppeltem Stolze die Ihrigen nennen konnten. Aber nicht allein, daß

  1. Großvater von mütterlicher Seite des jetzt regierenden Herzogs Ernst.
    Der Verfasser.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 603. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_603.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)