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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

die Trompeter gestanden, daß ihnen die Töne weit leichter in dieser eingeschlossenen Luft gehorchten, als in der freien. Auf dem Niveau aber wurde, wie das Gutachten der Akademie bezeugt, diese unterseeische Musik noch in 145 Schritt Entfernung völlig klar und deutlich vernommen.

Trotz alledem fand die Submarine keinen andern Freund und Bauer keinen andern Beschützer in Rußland, als den Großfürsten Constantin, und nur soweit dessen persönlicher Einfluß reichte, soweit reichte auch die Theilnahme und Anerkennung für Bauer. Die Nationalrussen waren gegen den Deutschen erbittert, die Admiralität haßte den baierischen Artilleriecorporal, der ein Erfinder sein wollte, die Akademie sah halb neidisch, halb mitleidig auf den Erfinder, der ein Corporal war. Allen diesen Corporationen und Einflüssen schien der unserem Bauer beigegebene Lieutenant Fedorowitsch dienstbar zu sein, wie aus mehreren die Wahrheit stark verdrehenden Berichten des Gelehrtencomité (das den Apparat höchst selten selbst betrat, sondern sich über die Vorgänge im Schiff Mittheilungen machen ließ und daraus erst sein Gutachten zusammenstellte) zu schließen war. Deshalb schloß Bauer ihn lange Zeit von seinen Fahrten aus. Als aber am 2. October (1856) in Anwesenheit einer Fachmänner-Commission von der Marine und dem Genie der erste Versuch mit dem unterseeischen Sprengen eines größern Schiffs stattfinden sollte, mußte jener Lieutenant wieder zugezogen werden. Bauer’s Argwohn fand diesmal seine Bestätigung. Wie bisher schon oft, war auch für den vorliegenden Versuch das Mögliche gethan, um ihn unmöglich zu machen. Das zu explodirende Schiff war nämlich, ungefähr 31/2 Werst von Kronstadt, an eine – wie Bauer nachher erst erfuhr – so seichte Stelle gebracht, daß der Apparat, um unter dasselbe zu kommen, nothwendig auf den Grund stoßen mußte. Fedorowitsch saß am Steuer. Das Schiff fuhr in inclinirter Stellung auf sein Ziel los. Da saß plötzlich das Hintertheil des Schiffs auf einem Sandhügel des Seegrunds fest und die Schraube war mit Seegras und altem Tauwerk so umwickelt, daß der Apparat, nur noch 40 Fuß von dem zu sprengenden Fahrzeug entfernt, am Grund fest gehalten wurde. Vergeblich war alles Bemühen, sich aus solcher Verstrickung loszureißen. Nach anderthalbstündiger Anstrengung ließ Bauer das Wasser aus den Cylindern pressen und Ballast auswerfen, so daß der Kopf des Seeteufels sich bis an’s Niveau hob und noch immer stieg. Kaum aber stand die Luke zur Hälfte über dem Meeresspiegel, so riß Fedorowitsch ohne ein Wort zu sagen, dieselbe auf, schwang sich hinaus auf den Kopf des Apparats und rettete sich, ohne die Luke wieder zu schließen, auf das den Apparat begleitende Boot der Commission. Bauer und die Matrosen, die noch mit dem Ausräumen des Ballastes beschäftigt waren, sahen sich plötzlich unter der hereinstürzenden Fluth, und da es ihnen unmöglich war, von innen aus die Luke jetzt wieder zu schließen, so blieb ihnen nichts übrig, als nun ebenfalls den Apparat während seines Versinkens eiligst zu verlassen.

Das war Wilhelm Bauer’s 134. und letzte unterseeische Fahrt in Rußland gewesen. Das Schiff war zwar schon nach vier Wochen wieder gehoben, und Bauer war indeß zum kaiserlich russischen Submarine-Ingenieur mit Uniform und Gage des Staats ernannt; der Haß gegen ihn und sein Werk konnte aber gerade dadurch nur gesteigert werden. Trotz aller Befehle des Großfürsten ließ die Admiralität das unterseeische Schiff statt nach der Leuchtenberg’schen Fabrik, wo die durch die gewaltsame Hebung beschädigten Theile an Steuer, Schraube etc. reparirt werden sollten, am 15. November nach Ochda, 10 Werst von der Fabrik, schaffen und hier an’s Land ziehen. Dort wird es noch heute liegen, wenn es nicht, wie schon manches größere kaiserliche Fahrzeug, so ganz nach und nach gestohlen worden ist.

Bauer erhielt zunächst den Auftrag zur Construction einer unterseeischen Corvette zu 24 Kanonen, mit einer Dampfmaschine zur Bewegung über dem Niveau und mit einer Luftkraft zur Bewegung unterm Wasser. Er vollendete das Modell. Schon während dieser Arbeit und noch während der Anwesenheit des Großfürsten drangen das Leben verbitternde und die Thatkraft störende Intriguen von allen feindlichen Seiten auf ihn ein; als aber der Großfürst aus bekannten Anlässen auf Reisen ging und nun die Admiralität Bauer den gemessenen Befehl zusandte, den Bau der Corvette – angeblich um ihn, als Gegenstand eines Staatsgeheimnisses, gegen jeden Verrath und jede Nachahmung zu sichern – zu Irkutsk am Baikalsee, also in Sibirien, zu vollenden, zog Bauer es vor, seinen Abschied zu fordern und, nachdem er ihn auf viermaliges Ansuchen endlich erhalten hatte, im Frühjahr 1858 nach Deutschland zurückzukehren.

So schlossen W. Bauer’s unterseeische Arbeiten in Rußland.

Wie die Erprobung der Schiffhebung ist somit auch die der unterseeischen Schifffahrt als gelungen zu bezeichnen. Die am russischen Apparat noch ungenügende Fortbewegungsweise hat Bauer verbessert. In allem Uebrigen hat der Apparat nur in der Form, den verschiedenen Zwecken gemäß, nicht im Princip Aenderungen erfahren.

Aus dem Brandtaucher oder Tauchschiff ist hervorgegangen für die Industrie die cylinderförmige Taucherkammer und für den Krieg die langgestreckte Corvette zu 24 Kanonen und 74 Mann Besatzung (mit 350 Pferdekraft Dampf, um auf, und der Luftrepulsionskraft, um unter dem Wasser zu fahren) und die Brandtauchergondel für einen Mann.

Vor jeder neuen Erfindung ist die erste Frage: was nützt sie? – Den Nutzen der Taucherkammer haben wir in dem betreffenden Artikel ausführlich dargethan; über den der unterseeischen Kriegsfahrzeuge wollen wir Bauer selbst sprechen lassen. „Die Kolosse der Marine“ – sagt er – „rücken dem Grabe nahe, aber auch die Eisenpanzerschiffe, wie sie die letzten Jahre geschaffen und wie sie alle Arsenale Frankreichs und Englands förmlich in Glühöfen verwandeln, werden einst der Hyponautik weichen, die Schöpfungen derselben müssen den Todeskampf der See-Giganten der letzten Jahrhunderte herbeiführen. Die Meerbewohner von der Riesenpolype bis zum Seehund herunter werden dem nächsten Jahrtausend die Modelle stellen, um die ewige Harmonie des geistigen Umschwungs um die Achse Natur zu vervollständigen. Monitors und Merrimacs sind nur die Schleppenträger des großen Katafalks der alten Marine. Mögen Tausende lachen ob dieser Behauptung – sind doch alle Vorläufer und Bahnbrecher großer Umwälzungen altgewohnter und sieggekrönter menschlicher Zurichtungen von je verlacht worden, ja sie mußten sich glücklich preisen, wenn es beim Verlachen blieb.

Allerdings ist mir klar geworden, daß, ehe die Regierungen Europa’s zu unterseeischen Flotten gelangen können, sich erst die Industrie der Submarine angenommen haben muß, daß man namentlich gewagt haben muß, neben der Taucherkammer für industrielle Arbeiten, Schiffheben, Perlenfischen, Bauten, Naturforschung etc., auch Passagierschiffe für unterseeische Fahrt nach dem Muster der unterseeischen Corvette zu erbauen, weil diese den Vortheil gewähren, die friedliche See mit Dampfkraft in bedeutender Schnelligkeit zu durchschneiden, herantobenden Stürmen aber unter die Wellentiefe auszuweichen und sich entweder schwebend in beliebiger Tiefe zu erhalten, bis der Sturm ausgetobt hat, oder auch unterm Wasser mit der Kraft comprimirter Luft die Reise fortzusetzen. Auch die Größe solcher Schiffe ist der Wahl überlassen, die sich nur dem Bedürfniß zu unterwerfen braucht; nachdem ich so viele Gelegenheit hatte, mich zu überzeugen, wie ruhig und sicher die Handhabung dieser Apparate in einer commandirenden Seele concentrirt ist, konnte ich in der Construktion derselben von dem Brandtaucher aus zur Gondel hinab- wie zur Corvette hinaufsteigen, ohne in der Anwendung des Princips auf ein Hemmniß zu stoßen.“

Möge, nachdem W. Bauer das Seine gethan, um Vertrauen in seine Erfindungen auch im Vaterlande zu verdienen, endlich Deutschland es sein, dem er sie ganz widmen kann! Möge der Bau der ersten deutschen Taucherkammer nun nicht lange auf sich warten lassen!




Blätter und Blüthen.

Ein noch ungedrucktes Schriftstück von Ludwig Börne. Gewiß sind wenige schriftstellerische Erstlingsversuche mit so begeistertem Enthusiasmus, namentlich von der Jugend, aufgenommen worden, als die von Ludwig Börne. Die originell ansprechende Form, in welcher der für Wahrheit und Recht glühend begeisterte junge Mann seine sittlich ernsten Gedanken und Ideen darzustellen verstand, übte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf alle Gemüther, während er sich später durch seine verbitterte Stimmung manche Herzen entfremdete. Sicher wird es den Lesern dieser Blätter von Interesse sein, ein Schriftstück des reich begabten Mannes aus seiner frischesten Blüthenzeit mitgetheilt zu erhalten, welches bis jetzt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 607. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_607.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)