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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Erfolge bald wieder in die Schanzen zurückziehen. Jetzt begann der Sturm, während die französischen Batterien ein lebhaftes Feuer auf die Festung unterhielten. Drei Mal stürmten die Belagerer mit der furchtbarsten Wuth, Mann gegen Mann wurde zwei Stunden lang im erbittertsten Kampfe gerungen, doch endlich siegte die hessische Ausdauer und der Muth der Schützen von St. Goar, welche wieder den Wackenberg vertheidigten. Die Franzosen mußten mit Hinterlassung von 400 Todten und 700 Verwundeten weichen, die Belagerten hatten 48 Todte und 272 Verwundete verloren.

Nun fiel wieder für einige Tage dem Geschütz die Hauptrolle zu, und dies wüthete dergestalt, daß eine Menge Gebäulichkeiten, darunter die Commandantur und der große Schloßturm zusammenstürzten

St. Goar und Rheinfels im 17. Jahrhundert.
Nach einer alten Orginalzeichnung.

und hin und wieder den Graben ausfüllten. Görz sah sich genöthigt, seine Wohnung in einer Casematte zu nehmen, um aber die Belagerer aufzuhalten, ließ er durch acht Compagnien hessischen Fußvolks und eine Abtheilung der trierischen Mineurs einen Ausfall machen. Das Fußvolk brach von zwei Seiten hervor, nahm hierdurch die französischen Schutzcolonnen in die Mitte und vertrieb dieselben aus den Belagerungswerken, welche von den Mineurs zum Theil zerstört wurden. Hierbei verloren die Franzosen 200 Todte, viele Verwundete und 40 Gefangene, die Belagerten aber 35 Todte und 117 Verwundete.

Nachdem dann nochmals ein anhaltendes Feuer mit furchtbarer Wirkung bis zum 27. December fortgesetzt war, glaubte der französische Oberbefehlshaber, endlich der Einnahme der Festung sicher zu sein. Ja er war in dieser Annahme so sicher, daß er bereits mit französischer Schmeichelei das zu erreichen wähnte, was seinen Waffen bis dahin nicht geglückt war. Er sandte daher einen seiner Adjutanten nebst einem Trompeter an Görz zur Unterhandlung. Der Adjutant wurde mit verbundenen Augen in die Festung geführt. Görz empfing ihn in seiner Casematte.

Der Adjutant bemerkte auf das Höflichste, daß Choissy es bis jetzt nicht gewagt habe, einen so ausgezeichneten Officier wie Görz zur Uebergabe der Festung auffordern zu lassen, daß er hierzu auch nur durch die Ueberzeugung von der Unmöglichkeit eines längeren Widerstandes bewogen sei, und daß daher Görz, um fernerem Blutvergießen Einhalt zu thun, jetzt, wo derselbe seiner Ehre Genüge gethan, die Festung übergeben möge, und eröffnete zugleich die ausgedehntesten Vollmachten, wonach Görz und die ganze Garnison mit allen Kriegsehren, aller Munition, ja selbst mit sämmtlichem Geschütz abziehen könne.

Görz blieb von diesen Artigkeiten ebenso unbewegt, wie von den feindlichen Kanonenschüssen. Er dankte für die ihm wegen der Vertheidigung erwiesene Ehre, welche er nicht verdiene, da er dabei nur seine Pflicht gethan, bemerkte, daß er auch die Ansicht des französischen Oberbefehlshabers von der Unmöglichkeit, die Festung länger zu halten, nicht theilen könne, indem er ja vom letzten Vertheidigungsmittel, nämlich die Festung in die Luft zu sprengen, noch keinen Gebrauch gemacht habe, und fügte schließlich ironisch hinzu, daß, wenn er doch wider alles Erwarten die Unmöglichkeit einer längeren Behauptung der Festung einsehe, er dies den französischen Oberbefehlshaber wissen lassen wolle.

Der Adjutant ward mit verbundenen Augen zurückgeführt, und man rüstete sich nun auf beiden Seiten mit aller Macht zum Entscheidungskampfe. Choissy ließ gleich nach dem Empfang der Antwort ein schreckliches Feuer eröffnen und während dessen Dauer drei Sturmcolonnen von je 1000 Mann, an deren Spitze je vier Compagnien Grenadiere gingen, vorrücken, und denselben noch die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 613. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_613.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)