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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

daß sie einer heiligen Pflicht Genüge leisten wollten, aber nicht durften. Daß ihrem Unternehmen ein glänzender Erfolg gesichert war, wenn es dem damals herrschenden Vergewaltigungssystem gefallen hätte, seine Genehmigung zu erteilen, daran ist gewiß kein Zweifel; denn wo auch dieses Vorhaben bekannt wurde, nahm man es mit Begeisterung auf. Davon zeugt unter Anderm ein Brief des berühmten Geschichtschreibers von von Rotteck, welchen derselbe nach erhaltener Kunde dem Bürgermeister von Constanz zusandte. Als ein Denkmal seines freien und für alles menschlich Edle empfänglichen Sinnes möge er hier folgen:


„Freiburg im Breisgau, den 10. April 1834.

Verehrter Herr und Freund!

Ihre Idee wegen eines Denkmals für Johannes Huß und Hieronymus von Prag finde ich ganz vortrefflich. Das Ehrendenkmal für die Märtyrer ist zugleich eine Schandsäule für ihre Henker, und das Zeitalter, welches sie errichtet, spricht eben dadurch auch das Verdammungsurtheil aus über alle von gleicher Henkersgesinnung erfüllten Machthaber der Gegenwart und aller Zukunft. Wer sich für Hussens Denkmal unterschreibt, der erklärt sich zugleich gegen die heutigen Henker der politischen Ketzer; er verdammt die Richter Riego’s und Volkhart’s und die Gewaltsdictate der Congresse und Ministerversammlungen in Wien, Frankfurt und überall sonst; die Einladung und Unterschrift aber ist zugleich eine mächtige Anregung des Rechts- und Freiheitseifers bei allen Empfänglichen und Guten.

Daß ich mit Eifer und Liebe das Unternehmen unterstützen werde, versteht sich von selbst.

Mit alter, unverbrüchlicher Hochachtung und Liebe Ihr treuest ergebener

von Rotteck.“

So dachten und denken freilich noch nicht Alle; so dachten auch nicht die Männer, welche von ängstlicher Rücksicht geleitet es sogar verboten, daß ein im Jahre 1840 in Constanz gebautes Dampfboot bei der Taufe den Namen Huß erhalte. Helvetia durfte das badische Schiff heißen, den Namen eines republikanischen Landes durfte es führen, aber nach einem freien Manne, einem der größten, den die Weltgeschichte kennt, benannt zu werden, das konnte und durfte man nicht gestatten.

So hatte man es also glücklich dahin gebracht, daß auch fernerhin jede äußere Erinnerung an den edlen Glaubenshelden und seinen großen Schüler aus den Augen der Menschen entrückt war. Gern hätte man diese standhaften Kämpfer für Wahrheit und Licht auch aus dem Andenken entfernt; gerne würden heute noch Viele bereitwillig die Hand dazu bieten; aber sie haften tief, diese Namen, im Herzen aller Bessern, und keine Macht der Welt ist im Stande, das Gedächtniß an die Flammengluth zu verwischen, in welcher die Glaubens- und Gewissensfreiheit für ewige Zeiten begraben werden sollte. Es gelang daher auch in Constanz nicht, den Eifer für diese edle Sache zu unterdrücken und das Gefühl abzuschwächen, als habe die Stadt eine besondere Verpflichtung, die alte Schuld in angemessener Weise zu sühnen. Das Unternehmen war nur zurückgedrängt; denn 20 Jahre nach dem vergeblichen Versuche einzelner Bürger beschloß die Stadtgemeinde, absehend von der Errichtnug eines großartigen Denkmals, die Stelle, auf welcher Huß und Hieronymus verbrannt wurden, durch einen einfachen Denkstein zu bezeichnen. Da sich aber die Ausführung dieses Beschlusses verzögerte, so traten im Jahre 1861, nach dem glorreichen Umschwung der Dinge in Baden, mehrere Privaten, sowohl katholischer wie evangelischer Confession, zusammen, um durch Sammlung freiwilliger Beiträge die Kosten zur Herstellung eines solchen Denksteines aufzubringen. Nachdem daher der Gemeinderath von diesem Vorhaben in Kenntniß gesetzt worden und seine tätige Mitwirkung bereitwilligst versprochen hatte, nachdem auch bald darauf unter der erleuchteten Regierung des Großherzogs Friedrich von Baden die Staatsgenehmigung ertheilt war, wurde die Subscription sofort eröffnet und hatte bei Hoch und Niedrig, bei Reich und Arm, unter Leuten, welche den verschiedensten Confessionen angehörten, einen so günstigen Fortgang, daß in kürzester Frist die veranschlagte Summe überstiegen war.

Obgleich sich die Sammlung nach dem Wunsche des Comité’s nur auf die Stadt beschränken sollte, weil man für das beabsichtigte einfache Denkmal schon auf diesem Wege die erforderlichen Mittel zusammenzubringen hoffte, obgleich man daher auch keinen Aufruf zur Theilnahme in den Blättern erließ, so liefen doch von nah und fern Beiträge ein, oft von der Bitte begleitet, die Gabe nicht zurückzuweisen, ja mit dem Zusatze, daß man noch mehr geben wolle, wenn es nöthig sei. So kam unter Anderm ganz unerwartet ein reicher Beitrag von New-York (150 fl.), meistens von ehemaligen Constanzern zusammengebracht; so ließen es sich auch die benachbarten Schweizer nicht nehmen, ihr Scherflein beizutragen. Viele Begleitschreiben gaben so recht Zeugniß davon, daß trotz aller Lehren von der Verwerflichkeit und Verdammungswürdigkeit der Ketzerei das Gefühl für Licht und Wahrheit nicht erstickt werden kann.

Man glaube aber ja nicht, daß die Zionswächter mit ihrem Anhange diesem Unternehmen so gleichgültig zusahen. Zuerst wollte man die Bedeutung des zu setzenden Denksteins abschwächen, indem man in dem Constanzer Localblättchen eine angebliche Kundgebung mehrerer Beisteurer veranlaßte, „daß dieselben wohl beigetragen haben zur Herbeischaffung eines Steines (keines Denkmals), um den Platz dieses für die Vor- und Nachwelt geschichtlichen Ortes genauer bezeichnen zu können, also um damit der Stadt Constanz, oder vielmehr den hier durchreisenden Fremden einen Dienst zu erweisen, aber weit entfernt, dem hier befindlichen Radicalismus als blindes Werkzeug zu dienen.“

Und als die Glaubenshüter einsahen, daß das größere Publicum mit seiner Ansicht auch auf Seiten des Comité’s stand, so suchten sie in ihrem Blatte theils mit der stumpfen Waffe eines albernen Spotts (man sprach von den neuen Hussiten in Constanz), theils mit der schon gefährlichern der politischen Verdächtigung gegen das Unternehmen aufzutreten. Aber auch dies half ihnen Nichts.

Als die nöthige Summe beisammen war, kaufte das Comité einen für das einfache Denkmal geeignet scheinenden Stein an. Es war dieses ein erratischer Block, circa 350 Centner schwer, ein Findling von schwärzlichem Kalkstein, welcher beim Ausgraben eines Eisenbahneinschnittes in der Nähe von Constanz zum Vorschein gekommen.

Nachdem die Eisenbahnarbeiten zwischen dem Fundorte des erratischen Blockes und Constanz soweit hergestellt waren, daß an eine Ueberführung gedacht werden konnte, ersuchte das Comité den Gemeinderath der Stadt um die Anweisung des Platzes, auf welchem der Denkstein ruhen sollte. Durch die eifrigen Bemühungen und Untersuchungen des verstorbenen, auch durch seine germanischen Studien bekannten Professor Josua Eiselein hatte man nämlich denselben mit ziemlicher Sicherheit aufgefunden. Die im städtischen Archiv aufbewahrte Chronik des Ulrich von Richental, der Augenzeuge des ganzen schrecklichen Vorganges war, giebt sowohl über die Ausführung des Urtheils, wie über den Platz selbst genauen und zuverlässigen Bericht. Wenn man die Stadt vom See aus der Breite nach durchschritten und das ehemalige Paradieser-Thor hinter sich hat, wenn man dann auf der Straße nach Gottlieber (Huß saß in einem Thurme daselbst gefangen) weiter geht: so ist der denkwürdige Ort links vom Wege auf dem südlichen Brühl zu suchen, unweit der jetzt in der Nähe errichteten Gasfabrik. Diese Stelle wurde dem Comité von der Stadt bereitwilligst zur Verfügung gestellt, und nun ging’s im Monat September 1862 an die Herbeiführung des Steines. Es war dieses bei einem so großen Gewichte keine Kleinigkeit und bedurfte großer Umsicht. Vom Fundorte bis zum Conciliums-Gebäude wurde der Stein auf der Eisenbahn mit der ersten hierhergekommenen Locomotive „James Watt“ transportirt, wobei ganz in der Nähe des Bahnhofes zwei Achsen brachen. Von dem Platze beim Concilium bis an die Wiese, auf welcher der Denkstein gesetzt werden sollte, mußte die Ueberführung auf der Achse mittelst Zugviehes bewerkstelligt werden. Den hierzu erforderlichen Wagen, dessen Tragkraft auf 700 Centner berechnet war, lieferten die Herren Escher und Wiß in Zürich, das Zugvieh Constanzer Bürger unentgeltlich.

Weil man aber zwei Tage hintereinander 12 und 14 Pferde verwendet hatte, ohne mehr als ca. 30 Schritte weit vom Platze wegzukommen, ging unter dem Volke schon die Rede: „der Teufel sitzt darauf und hat ihn verhext, man sollte die Sache bleiben lassen.“ Das Comitémitglied, Herr Zogelmann, war anderer Ansicht; den Teufel ließ er sitzen, machte aber den Versuch, ob Ochsen nicht Meister über ihn würden. Am dritten Tage wurden daher 4 Pferde und 10 Ochsen angespannt, welche alsbald den Stein ohne Beschwerde bis an den Brühl fortführten. Von da geschah der Transport mittelst Schlitten, durch Winden und Krahnen gehoben. Hierauf wurde am 6. October 1862 in Anwesenheit einer dieses Ereignisses würdigen Gesellschaft der Grundstein gelegt. In denselben verwahrte man einzelne auf das Concilium von Constanz, besonders

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_655.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)