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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

je nach ihrem Range rechts und links um die Tafel. Die Toastrede, welche der Kaiser während des Bankets hielt, wurde im reinsten Deutsch, mit richtiger Betonung und mit fester, voller, klarer Stimme gesprochen. Von der Befangenheit, die man früher am Kaiser bemerkt hat, war sonach, wenigstens bei dieser Gelegenheit, nichts zu hören. Es ist denn auch das Urtheil über das Auftreten des Kaisers beim Römerbanket bei allen Theilnehmenden ein durchaus günstiges gewesen. Das Urtheil über sein Verhalten bei den Sitzungen des Fürstentages ist, nach Allem was darüber verlautet hat, ein nicht weniger anerkennendes. Kaiser Franz Joseph hat das Präsidium in einem deutschen Fürstenparlament – wie wir glauben, eine nicht ganz leichte Aufgabe – mit aller Umsicht und dem besten Geschicke gehandhabt, er hat sich auch hier redegewandt und der Bestimmungen des deutschen Bundesrechts kundig, er hat sich aber auch während der Debatten stets dessen sehr wohl bewußt gezeigt, was er erreichen wollte.

In dem, was wir bis hierher über den Kaiser gesagt, sind eigentlich alle für Geist und Charakter entscheidenden Züge enthalten, wie sie sich bei flüchtiger Beobachtung in kurzen 14 Tagen feststellen ließen. Schon diese Ungenügendheit unserer Beobachtung der inneren Seiten nöthigt uns indeß, zur Abrundung des Bildes des Staatsmannes auch die äußeren Züge des Menschen aufzunehmen. Was an Franz Joseph vor Allem angenehm berührt, das ist seine schlanke, zierliche und doch elastisch-kräftige, etwas über mittlere Größe hinaufreichende Gestalt und der leichte, zwanglose Anstand, mit dem er sich in jeder Situation, im Stehen wie im Gehen, zu Pferd und im Wagen bewegt. Diese ungesuchte Noblesse scheint nach der glücklichen Proportionalität seines Körperbaues mehr oder weniger angeboren zu sein und wird sich im Verlauf der Jahre bei zunehmender Fülle und Festigkeit des Körpers bis zum Imponirenden steigern. Wir schließen dies unter Anderem auch daraus, daß selbst die Gewohnheit des Befehlens nicht vermocht hat, der angeborenen Grazie und dem Gewinnenden in allen Bewegungen irgend welchen Eintrag zu thun. Der Kopf des Kaisers interessirt bei flüchtiger Beobachtung erst in zweiter Linie. Es ist das kein Studienkopf, wie ihn die Maler brauchen, mit breiter mächtiger Stirn, mit kühn gebogener Nase, mit fein geschnittenen Lippen und großen sonnigen Augen, er entspricht vielmehr im Wesentlichen der Figur, die ja auch nicht hoch und majestätisch, sondern mehr vornehm zierlich ist. Bei näherem Zusehen zieht indeß auch der Kopf des Kaisers an. In der fest gefügten Stirn und dem hellblauen Auge spricht sich denn doch unbedingte Entschlossenheit und Verstand aus, und der dichte Schnurr- und Backenbart erhebt die an sich vielleicht etwas weichlichen Züge zur vollen Männlichkeit. Vor Allem aber ist es der Ausdruck von Offenheit und Milde, der in dem Gesicht gewinnt. Es liegt kein unedler, lauernder, grausamer Zug darin, der Kopf ist einer von denen, die erst unter dem Ausdruck der Heiterkeit die rechte Beleuchtung gewinnen. Das glaubt und hofft und strebt noch in dem Gesicht, und der ganze Mann ist noch der Entwickelung fähig, denn die Jugend ist trotz des etwas gelblichen und nicht eben frischen Teints in allen Zügen unverkennbar.

Es besteht ein eigenthümlicher Gegensatz zwischen dem alten Oesterreich und seinem jungen Kaiser. Dies Oesterreich mit seiner finsteren, schlachtenreichen Geschichte, in der uns fast nur Thaten des Schwertes und der Gewalt begegnen, dies Oesterreich, in dessen weitem Donauthal schon in der grauen Vorzeit die Völker in blutigem Kampf auf einander stießen, dies Oesterreich, dessen Zukunft und Bedeutung noch heute ein ungelöstes Problem der Weltgeschichte ist, dies alte schwertdurchfurchte Oesterreich und sein junger anmuthiger Kaiser! Die Aufgaben der Fürsten wechseln je nach dem treibenden Princip, das in der geschichtlichen Entwickelung die Völker vorwärts drängt. Das treibende Princip in der heutigen Geschichte des deutschen Volkes ist das Streben nach Befestigung seiner politischen Nationalitat. Möge ein gütiges Geschick den Kaiser Franz Joseph vor dem Irrthum bewahren, wie einst Metternich die Unfreiheit Deutschlands für die Unfreiheit Oesterreichs, so heute die Unfertigkeit der deutschen Nationalität für die Unfertigkeit der österreichischen Nationalitäten benützen zu wollen. Der Irrthum Metterttich’s war nur ein bedauerlicher, der Irrtum Franz Joseph’s könnte ein verhängnißvoller werden.

In früherer Zeit fand man in den Bilderläden auf unseren Messen und Jahrmärkten regelmäßig auch das eine oder andere Bild von diesem oder jenem deutschen Fürsten. Seit dem Jahre 1848 ist dies nicht mehr der Fall – die Fürstenbilder „gehen“, wie es scheint, nicht mehr. Um so größer war unser Erstaunen, als wir auf der letzten Frankfurter Messe in dem Bilderlager wieder einmal das Bild eines Fürsten ausgestellt fanden. Aber seltsam! – als bedürfte der ungewohnte Artikel gewissermaßen einer besonderen Rechtfertigung – unter dem Bild standen die drei letzten Verse von dem bekannten Gedicht von Justinus Kerner: „der reichste Fürst“, also namentlich die Versicherung des Grafen Eberhard von Würtemberg an die Fürsten von Baiern, Sachsen und der Pfalz: „daß in Wäldern noch so groß ich mein Haupt kann kühnlich legen jedem Untertan in Schooß.“ Es war das Bild des Großherzogs Friedrich von Baden, auf das der speculative Künstler diese prächtigen Verse von Justinus Kerner bezogen hatte. Wir würden diesen unscheinbaren Umstand nicht erwähnen, wenn er nicht besser und eindringlicher, als wir es vermögen, die Stellung des Großherzogs von Baden zu dem Urtheil des deutschen Volkes charakterisirte. So ist es allerdings, wie unter dem Bild geschrieben steht, und seit wir in Frankfurt dem Manne in sein offenes treues Angesicht und in das große tiefblaue Auge gesehen, haben wir auch die Ueberzeugung, daß es so bleiben wird, daß Großherzog Friedrich immerdar „sein Haupt kann kühnlich legen jedem Untertan in Schooß“. Um vier Jahre älter, als Kaiser Franz Joseph, hat der Großherzog von Baden doch ein noch jugendlicheres Ausehen als dieser. Die Gestalt ist zwar weniger zierlich und elastisch, aber doch immerhin noch straff und schlank. Das Gesicht dagegen hat eine gesündere Farbe und den hellen frischen Teint, wie er sich bei blondem Haar vielfach findet. Ein starker blonder Bart rahmt bis auf das Kinn das ganze Gesicht ein und giebt den regelmäßigen angenehmen Zügen den Ausdruck der vollen selbstbewußten Männlichkeit. Der anziehendste Theil des Gesichts ist indeß die hohe freie Stirn und das große seelenvolle Auge. Es giebt eine Art des Blicks und einen Gesichtsausdruck, die von vornherein unser volles Vertrauen erwecken, die uns schon beim ersten Begegnen anziehen, als hätten wir die Persönlichkeit, der sie angehören, längst gekannt. Nachmachen läßt sich dieser Blick nicht, denn er ist der Spiegel der Seele und wird angeboren. Solcher Art wirkt der Gesichtsausdruck des Großherzogs von Baden.

In der Westendhalle, also vor der Stadt, war es, wo der Großherzog sich seine Wohnung genommen. Aber obwohl er auf diese Weise nur selten in den Straßen sich zeigte, begrüßte ihn doch regelmäßig der Zuruf der Menge. Man wußte es auch in Frankfurt, daß er bereitwillig ein Concordat und ein ultramontan-reactionäres Ministerium hatte fallen lassen, nachdem er sich von der Verderblichkeit beider überzeugt; man vergaß es ihm nicht, daß er seitdem den Liberalismus in ungefälschter Münze hatte coursiren lassen und, ohne gerade von seinem Volk gedrängt zu sein, aus freien Stücken das Seinige gethan, um seines Volkes Wohlfahrt auf der wahren Grundlage der Freiheit, auf dem Princip der Selbstverwaltung, sicher zu stellen; ja man rechnete, was er seitdem gethan, gerade ihm um so höher an, als sich gegenüber den trüben Erfahrungen des Jahres 1849 ein weniger bereitwilliges Eingehen auf die liberalen Forderungen der Zeit wenigstens hätte begreiflich finden lassen. Was er gerade während des Fürstentages im Interesse Deutschlands gethan, war damals, als nur sehr Weniges über die Vorgänge im Bundespalast in’s Publicum drang, noch vollständig unbekannt. Wir wissen auch jetzt noch nicht viel mehr, als was die Karlsruher Zeitung uns mitgetheilt. So viel aber wissen wir bereits, daß an der festen Haltung des Großherzogs von Baden ein schlimmer deutscher Sonderbund gescheitert ist, und daß er, vielleicht er allein, der Forderung des Abgeordnetentages sich angeschlossen, wonach das Ergebniß der Berathungen des Fürstentages einem deutschen Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden soll. Das deutsche Volk wird dessen eingedenk sein.

„Ich bin stolz darauf mich einen constitutionellen König zu nennen,“ sagte König Max von Baiern am Tage nach seiner Thronbesteigung, am 22. März 1848, zu seinen Ständen. „Ich will Frieden haben mit meinem Volk,“ sagte er zehn Jahre später, als er, dem Drängen der Stände nachgebend, das Ministerium Pfordten-Neigersberg entließ. Das sind zwei schöne Worte, und das letztere namentlich – denn das erste ist vergessen – hat dem König manches Hoch und manches Wort des Lobes in Frankfurt eingetragen. Viel wirkte freilich dabei auch das entschieden populäre Auftreten des Königs mit. Kein anderer Fürst hat sich so wie er in unmittelbare Verbindung mit dem Publicum gesetzt. Wir wissen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 662. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_662.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)