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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

in das wiedereroberte Heiligthum zurück zu führen. Der nach der dritten Rückkehr des Ordens nöthig gewordenen Restauration verdanken die Gebäude und Anlagen die nun so sehr in Verfall gerathene Pracht. Denn die letzten anderthalb Jahrhunderte ihres Bestehens bis zur Säcularisation gediehen diese Mönche bis zur üppigsten Raffinerie des Lebensgenusses. Man sieht es heute noch zur Genüge an der verblichnen Herrlichkeit dieser Gebäude und Gärten, in welch reicher und kostbarer Blüthe die Abtei zuletzt gestanden hat. Nach der Säcularisation (1803) wurde Brombach der katholischen Linie Löwenstein-Wertheim-Rochefort (Rosenberg) als Entschädigung für die im Frieden von Lüneville verlornen Besitzungen des fürstlichen Hauses im Luxemburgischen, in Lothringen

Die Cistercienserabtei Brombach in Franken.

und der linksrheinischen Pfalz überlassen, worauf sie eine der bedeutendsten Landwirthschaften hier errichtete, die weitläufigen Gebäude aber als Jagdschloß benutzte, bis sie in der neuesten Zeit den verbannten portugiesischen Usurpator als einsamer Schmollwinkel aufnahmen.

Man sieht, die alte Mönchszelle hat ein wechselvolles und fast romantisches Schicksal gehabt.

Zuerst fällt die bis zur Armseligkeit herabgekommene ehemalige prunkvolle Einrichtung in’s Auge, der prätentiöse Uebergang des Renaissance- in den Rococostyl an den Gebäuden, die überall nur ärmlich oder gar nicht aufgebessert sind, die verwilderten Gärten, die die fürstlich reiche Anlage noch erkennen lassen, die defecten, obsoleten, ursprünglich schon so unnatürlich gezierten Statuen, die ganze nüchterne, nun durchlöcherte und fetzenhafte forcirte Herrlichkeit, womit die Aristokratie und der Klerus in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Wunden und Schäden zu verkleben suchte, die der dreißigjährige Krieg dem unglücklichen Vaterlande geschlagen.

Während die malerischen Trümmer eines alten Bergschlosses oder eines Klosters stets einen poetischen Eindruck auf das Gemüth des sinnigen Beschauers machen, erregt der Anblick solcher vom Zahn der Zeit nur erst benagten, von dem durch und durch lügenhaften verzerrten Geiste, der sie sich geschaffen, nun schon über ein halbes Jahrhundert verlassnen, aber doch noch gleichsam nach Moschus, Schminke und Moder duftenden Exuvien des 17. und 18. Jahrhunderts Ekel und Widerwillen. Welch eine auffallende Uebereinstimmung zwischen diesem verlumpten und verloderten Rococo und seinem jetzigen Bewohner, dem letzten Träger des durch jenen Geist so übel berüchtigten Namens Braganza, in welchem er noch einmal, dem verlöschenden Lichtflämmchen am Dochte gleich, mächtig emporgeschlagen, um nun als ohnmächtiges, still schleichendes, unheimliches Gespenst in diesen ihm analogen Räumen zu spuken!

Doch man wird mit der Unheimlichkeit des Gebäudes und des Geistes darin versöhnt. Mit jener durch die Kirche und den Kreuzgang, welche wahrhaft wundersame Bauten seltner reiner, ja vielleicht einziger Schönheit sind. In der That gilt dieses Münster in der Geschichte der mittelalterlichen Baukunst als classisches Unicum, das manchen Kunstkenner nach Brombach zieht und zu genußreicher Bewunderung hinreißt. Wir haben hier nämlich einen specifisch deutschen Bau der romanischen Architektur des 12. Jahrhunderts vor uns, von französischen Elementen beeinflußt, aber doch selbstständig behandelt. Alle Verhältnisse sind höchst edel und rein und machen auf die Seele des Beschauers einen erhebenden Eindruck. Dieser muß selbst sowohl auf den nüchternen Protestantismus der Schweden und der lutherischen Grafen Löwenstein, als auch auf den wunderlich erhitzten Schnörkelgeist der Rococoschnitzer ein sehr starker gewesen sein; denn die Einen, wie die Andern haben die poetisch schönen Formen der Kirche und des Kreuzgangs unberührt gelassen, so daß man in ihrem Genusse nicht durch die andersartigen Anhängsel und die Verballhornisirung des 17. und 18. Jahrhunderts gestört wird, wie bei so vielen, ja den meisten aus dem 12., 13. und 14. Jahrhundert stammenden Kirchenbauten.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 684. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_684.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)