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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

wurde. Dieser nimmt mit Dank die väterlichen Ermahnungen und selbst den Tadel hin und schreibt ihm: „Ich will’s ein andermal schon besser machen.“ Ebenso rührend ist die Pietät Mendelssohn’s für seine Mutter, deren Tod ihn so sehr erschüttert, daß seine Freunde ernstlich für seine Gesundheit fürchteten. „Gestern,“ meldet er nach diesem Verlust, „habe ich dirigiren müssen, das war schrecklich. Sie sagten, das erste Mal würde es immer schrecklich sein, und ich müsse einmal durch; ich glaube es auch, aber doch wollte ich, ich hätte ein paar Wochen warten können. Mit einem Liede von Rochlitz fing es an, aber wie in der Probe die Altstimmen piano sangen: „Wie der Hirsch schreit“, so wurde mir so schlecht, daß ich nachher auf die Flur hinausgehen mußte und mich ausweinen.“

Von seinen Geschwistern stand ihm seine Schwester Fanny, die Gattin des talentvollen Malers Hensel, am nächsten durch ihr großes musikalisches Talent. Er nennt sie scherzhaft in den Briefen an die Mutter „den Cantor mit den dicken Augenbrauen und der Kritik“; ihr Urtheil ist ihm maßgebend, und er fordert sie auf über den „Paulus“ und die „Melusine“ wie ein College mit dem andern zu sprechen. Auch Fanny Hensel starb frühzeitig, und nicht mit Unrecht wird behauptet, daß die todte Schwester den liebenden Bruder nachgezogen habe. – Aber nicht blos die Kunst hält ihn ausschließlich gefangen, sondern auch die großen Fragen der Zeit interessiren ihn lebhaft. Mit seinem Bruder Paul bespricht er die Verhältnisse des Lebens, der Religion und Politik. Für die Zusendung der „Vier Fragen“ von Johann Jacoby und für die liberale Schrift des Ministers Schön dankt er ihm voll Anerkennung für diese freisinnigen Männer. Sein Verhältniß zu dem kunstliebenden Könige Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der Mendelssohn durch Titel und Orden auszeichnete, vermochte nicht seinen klaren Sinn zu trüben und ihm seine Freiheit zu rauben. Anmuthig scherzt er in einem Briefe aus Kösen über die preußischen Geheimräthe und die rothen Adlerorden vierter Classe, „die wie Johanniswürmchen aus allen Sträuchern leuchten.“

Die Musik aber ist der eigentliche Inhalt seines Lebens, die Seele seiner Seele, obgleich ihm kein Gebiet des Wissens und der Bildung verschlossen bleibt. Aufgefordert über seine „Lieder ohne Worte“ eine Erklärung zu geben, schreibt er: „Es wird so viel über Musik gesprochen, und sowenig gesagt. Ich glaube überhaupt, Worte reichen nicht dazu, und fände ich, daß sie hinreichten, so würde ich am Ende keine Musik mehr machen.“ Er lebt und webt nur in und für seine Kunst, voll Strenge gegen sich und seine eigenen Schöpfungen, voll Milde gegen die Leistungen Anderer. Neidlos erfreut er sich an jedem wirklichen Talent, ohne daß seine Toleranz so weit geht, die Verirrungen des modernen Virtuosenthumes zu billigen, über die er sich folgendermaßen äußert: „Es macht mir weniger Vergnügen als Seiltänzer und Springer; bei denen hat man doch den barbarischen Reiz, immer zu fürchten, daß sie den Hals brechen können, und zu sehen, daß sie es doch nicht thun, aber die Clavierspringer wagen nicht einmal ihr Leben, sondern nur unsere Ohren – da will ich keinen Theil daran haben.“ – Ebenso interessant sind Mendelssohn’s Urtheile über seine musikalischen Zeitgenossen, über Chopin, den er den „Paganini des Claviers“ nennt, der ihm aber an der Pariser Verzweiflungssucht und modernen Leidenschaftssucherei laborirt, über Thalberg und Liszt, der nach seinem Urtheil bei der ihm eigenen musikalischen Unmittelbarkeit und enormen Technik alle Anderen weit hinter sich zurücklassen würde, „wenn eigene Gedanken bei alledem nicht die Hauptsache wären und diese ihm von der Natur – wenigstens bis jetzt – wie versagt schienen, so daß in dieser Beziehung die meisten andern großen Virtuosen ihm gleich oder gar über ihn zu stellen sind.“

In dieser Weise geben die Briefe Mendelssohn’s den reichsten Aufschluß über sein Denken und Leben, sowie über sein Wirken in Düsseldorf, Leipzig und Berlin; sie enthalten zugleich eine Fülle anregender Gedanken und Anschauungen des berühmten Componisten, vor Allem aber tragen sie dazu bei, das edle, schöne Menschenbild des heimgegangenen Meisters der Seele des Lesers vorzuführen, ein Bild, das in unserer von den verschiedensten Interessen zerrissenen Zeit doppelt durch seine harmonische Schönheit und Wahrheit uns wohl thut und erhebt. – In der That sind diese Briefe heilige Reliquien eines großen Künstlers, eines vollendeten Menschen.




Der Componist der Volksmelodie zum deutschen Vaterlandsliede. Von all den Vaterlands- und Freiheitsliedern, welche die große deutsche Erhebung der Jahre 1813 und 1814 entstehen ließ, und welche zum Theil zur Förderung dieser patriotischen Erhebung mitwirkten, ist keines von so gewaltiger, nachhaltiger Bedeutung geworden, als Arndt’s Lied: „Was ist des deutschen Vaterland?“ Im April 1813 überließ es der Dichter mit der bescheidenen Bemerkung, daß ihm dasselbe nicht verfehlt erscheine, der „Deutschen Zeitung“, die damals bei Reimer unter Niebuhr’s Leitung erschien, zur Aufnahme. Das Lied, obwohl von den Herren Recensenten vielfach angegriffen, ist als der energischste Ausdruck des deutschen Gesammtnational-Bewußtseins das eigentliche deutsche Nationallied geworden und geblieben, und der Dichter sollte in seinem Greisenalter noch die freudige Ehre erleben, daß ihm am 18. Mai 1848 vom deutschen Volke durch dessen Vertreter in Frankfurt (auf Antrag von Jahn und Soiron) für dieses sein Lied der Dank der Nation jubelnd votirt wurde.

Doch nicht allein der Text ist es, nein, namentlich ist es auch die Melodie, was das Lied in alle Kreise des deutschen Volkes eingeführt und dem Volke so lieb, ja zum eigentlichsten Volksliede gemacht hat. Begeistert singen die vierstimmigen Männerchöre die schöne, feurige Reichardt’sche Composition, aber ebenso begeistert singt noch jetzt und sang schon vor Reichardt’s Schöpfung das deutsche Volk die ursprüngliche kernige Volksmelodie. Von wem rührt sie her? Vergebens schlagen wir die meisten Liederbücher auf, das Lied enthalten sie wohl, aber der bescheidene Komponist hat sich nicht genannt. Wer ist es? Wir können es verrathen, und Andre haben es schon früher verrathen. Johannes Cotta ist es, gebürtig aus Ruhla im Thüringer Wald. Als Stud. theol. in Jena componirte er das Lied im Jahre 1814. Noch immer warm patriotisch denkend und fühlend, lebt der alte würdige Herr zu Willerstedt bei Buttstedt als Pfarrer und Adjunct.

Jetzt, wo in diesen Tagen in Erinnerung an die deutsche Volksthat von 1813 das Arndt’sche Lied mit der Reichardt’schen oder Cotta’schen Melodie von tausend und abertausend Lippen erklungen ist, dürfte es an der Zeit sein, jene geschichtliche Thatsache weitern Kreisen zur Kenntniß zu bringen.




Ein Prachtwerk. Die Eiche, das Sinnbild der Kraft und Dauer, ist, ebenso wie die Palme, der heilige Baum seit Jahrtausenden, nicht blos den alten Germanen, die in Eichenhainen ihren Wodan verehrten, auch den Griechen, welche die Eiche ihrem Zeus geweiht hatten, und uns, die wir mit dem Eichenblatte die Bürgertugend krönen und unsere Turner und Schützen kränzen. Ja, wir sprechen vorzugsweise gern von der deutschen Eiche und dem deutschen Eichenwalde, und dennoch wächst von den dreihundert verschiedenen Arten von Eichen, die man heute kennt, nur eine verschwindend kleine Anzahl bei uns in Deutschland; in ganz Europa und im Oriente zählt man blos 58 Arten, alle übrigen kommen auf die Neue Welt, namentlich auf Nordamerika, das man recht eigentlich das Land der Eichen nennen könnte.

So schön unsere Steineiche mit ihrem knorrigen Riesenstamme und ihren weit schattenden Aesten ist, die schönsten Eichengattungen sind doch nicht bei uns einheimisch. Dies zeigt uns ein Blick in ein im verflossenen Jahre im rührigen Verlage von Eduard Hölzel in Wien und Olmütz erschienenes Prachtwerk: „Die Eichen Europa’s und des Orients. Beschrieben von Dr. Theodor Kotschy, Custos-Adjunct des k. k. botanischen Hofcabinets.“

Auf vierzig Foliotafeln bringt das Buch in mit der wissenschaftlichsten Genauigkeit und technisch meisterhaft ausgeführtem Oelfarbendrucke die Blätter und Früchte von vierzig verschiedenen Eichenarten vor Augen, welche der Verfasser, der Mehrzahl nach, auf seinen Reisen in Kleinasien, im cilicischen Taurus, im Libanon und Antilibanon gesehen und zum Theile selbst entdeckt hat. Es gereicht der deutschen Wissenschaft und dem deutschen Buchhandel zur höchsten Ehre, und weder Frankeich noch England haben bis jetzt dem Werke ein ähnliches über denselben Gegenstand zur Seite zu stellen.

Als ein wesentliches Verdienst des Buches müssen wir es hervorheben, daß es auf die Culturfähigkeit der beschriebenen fremdländischen Eichen für unsere Klimate immer ein besonderes Augenmerk richtet und somit neben der scientistschen auch eine praktische und national-ökonomische Bedeutung anstrebt. Wir lernen durch Bild und Text eine Reihe überaus prachtvoller Eichen kennen, wie z. B. die vielleicht herrlichste ihres gesammten Geschlechtes, die in Kurdistan gefundene Königseiche, die bei uns recht gut gedeihen und unseren Wäldern und Parks einen neuen landschaftlichen Reiz zuführen würde.

Die genannte Verlagshandlung ist übrigens bekanntlich auch die erste gewesen, welche in Wien eine Anstalt für Oelfarbendruckbilder errichtet und auf diese Weise bereits mehrere bekannte Gemälde vaterländischer Künstler in verhältnißmäßig billigen Copien auch dem minder bemittelten Publicum zugänglich gemacht hat, neuerdings u. A., nach einem Originale von A. Hansch in Wien, die Gegend von Salzburg in Abendbeleuchtung und Mozart am Dominikanerchore in Wien, nach einem Oelbilde von F. S. Schams.


Aufruf. Der Consul der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Herr M. C. Gritzner in Heidelberg, ersucht die „Gartenlaube“, als das gegenwärtig verbreitetste deutsche Blatt, die nachstehend verzeichneten Namen unlängst in Amerika verstorbener Deutscher zu veröffentlichen, um auf diese Weise deren etwa noch in der Heimath lebende Angehörige am sichersten ausfindig machen zu können:

Friedrich Calinbach, gebürtig aus Würtemberg.
Ernst Fuhrmeister, gebürtig aus Sachsen.
H. Henser, gebürtig aus Hessen.
Johann Ackermann, gebürtig aus St. Gallen in der Schweiz.
Friedrich Zuelsdorf, dessen Eltern in Deutschland wohnen sollen.
Otto Friedrich aus Potsdam.
Wilhelm Ritter aus Hannover.
Paul Andertold aus Breslau.
David Rindersacher (oder Rinderfacher), die Frau soll noch in Deutschland leben.
Louis Krause aus Hamburg, und
Gustav Stoldt, dessen Mutter auf Helgoland gelebt haben soll.

Im Interesse unserer Leser glauben wir diesem Ansinnen entsprechen zu müssen und bitten die eventuellen Hinterlassenen, sich behufs weiterer Mittheilungen und Geltendmachung allfälliger Erbschaftsansprüche direct an genannten Herrn Gritzner wenden zu wollen.




Leipzig und die wichtigsten Orte des Schlachtfeldes. Unter diesem Titel ist ein großes lithographisches Tableau, gezeichnet von B. Straßberger, erschienen, das allen Besuchern des Leipziger Schlachtfeldes, wie allen denen, welche an den weltgeschichtlichen Ereignissen auf Leipzigs Fluren Interesse nehmen, empfohlen werden kann. Dasselbe zeigt in der Mitte eine Ansicht der Stadt Leipzig, in den Randbildern die oft genannten Dörfer Möckern, Lindenau, Schönefeld, Liebertwolkwitz, Wachau, Probsthaida, Connewitz, Dölitz, Lößnig, Stötteritz. Zu dem äußerst billigen Preise von 10 Ngr. ist das Blatt durch alle Buch- und Kunsthandlungen (Leipzig, in Commission beim Magazin für Literatur) zu beziehen.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_688.jpg&oldid=- (Version vom 23.8.2023)