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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

eigene Haltung auf dem Frankfurter Fürstentage. Dort bewahrheitete sich das Wort: Ich kann nicht finden, daß ein trennender Zwiespalt besteht zwischen Fürstenrecht und Volksrecht. Zum ersten Male erschaute jetzt mit freudigem Erstaunen Deutschland eine volle, uneingeschränkte Wahrung der Volksrechte durch den Mund eines deutschen Fürsten. Baden erkennt als einziges Entgelt „für das vorübergehende Opfer des Bundesstaates“ die Volksvertretung aus unmittelbarer Wahl. Einem annähernd verwirklichungsfähigen Einigungsplane, an dem vor Allen die Gesammtheit der Souveräne sich betheiligen müßte, könnte Großherzog Friedrich „nicht allein Opfer seiner Stellung und seiner Rechte, sondern auch das schwerere Opfer der Ideen bringen, wonach sich nach seiner festen Ueberzeugung die künftige Verfassung Deutschlands zum Wohle deutschen Volkes und Landes gestalten muß“. Vor die Verwirklichung des Reformplanes aber zieht Friedrich von Baden mit fester, unbeirrter Hand die Laufgräben des deutschen Volksbewußtseins.

Ich stimme nicht für die Errichtung eines von einzelnen Directorialhöfen zu instruirenden Bundesdirectoriums, welches ohne die Schranke constitutioneller Verantwortlichkeit seine Befugnisse auszuüben hat.

Ich stimme nicht für eine aus Delegaten zu bildende Volksvertretung.

Ich stimme nicht für die thatsächliche Vernichtung des Zustimmungsrechts der Bundesabgeordneten bei Feststellung des Bundeshaushaltes.

Ich stimme nicht für die Ausdehnung der Befugnisse des Directoriums auf das Recht und die Pflicht der Ueberwachung, daß der innere Friede Deutschlands nicht gestört werde.

Ein Jubelruf drang durch die Volkskreise Deutschlands, durch alle Gauen, wo noch ein Sinn besteht für Mannesmuth und Treue, als diese Abstimmung kundbar wurde. Ein Katechismus maßvollst begrenzter Volksrechte, aufgestellt von der Hand, gewahrt durch den Mund eines deutschen Fürsten! Können die Liebe und das dankbare Vertrauen eines Volkes ein Lohn sein für männliche Thatkraft und Treue, dann hat Friedrich von Baden diesen Lohn gefunden.

Die ungemeine Liebe des badischen Volkes zu seinem Fürsten, die weit über die Grenzen des Landes hinaus ihren Wiederhall findet, beruht auf der schlichten Tugend seines ganzen Wesens. Für Jedermann verständlich und klar, ohne wirre diplomatische Künste ziert er den Thron, jedem seiner Unterthanen ein Freund, ein Berather, ein Beispiel – das Muster eines liebenden Familienvaters, leutselig und bescheiden, wie jedes wahre Verdienst; unermüdet in der Arbeit, von seltenster Mäßigkeit in allen Genüssen. „Nicht der täuschende Glanz augenblicklich blendender Regierungsmaßregeln,“ sagte Ed. Devrient in seiner Festrede am 9. Septbr., „verwirrt uns sein Bild; nein, schlicht und prunklos, stät und rechtschaffen – wie wir es von einem guten Hausvater verlangen – sehen wir unsern Landesvater uns voranschreiten, und darum ist überall, sobald wir nur die Wahrheit von seinem Thun und Wollen erfahren haben, das Verständniß desselben leicht, die Billigung entschieden, denn das rein menschliche Maß der Dinge, das sittliche Maß genügt zu seiner Beurtheilung.“

Und doch, wer weiß, ob nicht die Innenwelt dieses edlen deutschen Fürstenherzens eine Falte birgt, in welcher der Fürst zum Märtyrer seines deutschen Gewissens sich geworden glaubt? Die Liebe seines und des deutschen Volkes, die sich in erhebendem Ausdrucke stets neu bekundet, möge diese Falte glätten, wenn sie in der That besteht. In den neuen Staatseinrichtungen Badens und in Badens Eintreten für echtes Verfassungsrecht in Deutschland sind unbestreitbar und unbestritten die höchsten sittlichen Aufgaben alles Staaten- und Volksthums gesetzt und von einem edlen Willen zur Verwirklichung angebahnt. Der Wille der Vorsehung und die Thatkraft des Volkes mögen ferner über sie richten. Für Baden haben Ordnung und Freiheit aufgehört Gegensätze zu sein; ein hochherziger Fürst hat sie versöhnt, ein liebendes Volk hat ihn verstanden. Wie einst unter Karl Friedrich das patriarchalische System, so hat unter Friedrich von Baden der Constitutionalismus seine rückhaltslose Einkehr in das deutsche Volksgewissen vollzogen.




Madame de Brandebourg.
Von Georg Hiltl.

Eine glänzende Cavalcade, aus Officieren und Stutzern der Aristokratie Turins zusammengesetzt, bewegte sich in den schattigen Waldgängen, welche zu dem herzoglichen Jagd- und Lustschlosse „La Veneria“ führten. Den Mittelpunkt dieses schimmmernden Zuges bildeten zwei mit geschmückten Damen angefüllte Carossen. In der ersten Carosse gewahrte man vier derselben, welche drei Stufenjahre repräsentirten. Zwei der Damen waren dem Greisenalter nahe, eine konnte so eben die dreißiger Jahre passirt haben, die jüngste schien höchstens 19 bis 20 Jahre zu zählen. Diese junge Schöne war der Gegenstand fortwährender Huldigungen eines äußerst chevaleresken, hohen Officiers, welcher die glänzende Uniform der brandenburgischen Truppen des Kurfürsten Friedrich III. trug und kaum zweiundzwanzig Jahre zählen konnte. Er war das Abbild einer kraftvollen Jugend. Dennoch hatte die Fülle der Gesundheit, welche aus seinem blühenden Antlitz strotzte, nicht vermocht der Regelmäßigkeit seiner edlen, achtunggebietenden Züge Eintrag zu thun und ihnen jene Feinheit zu nehmen, die den Sprossen eines erlauchten Geschlechtes bekundete. Die äußerst kleidsame Uniform ließ seine schöne Gestalt doppelt vortheilhaft erscheinen, und es konnte nur auffallen, daß der noch sehr junge Soldat bereits die Abzeichen eines hohen militärischen Ranges trug; doch ward man bald darüber aufgeklärt, denn der Officier war Markgraf Carl Philipp von Schwedt, Stiefbruder des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg, General in der Hülfsarmee, welche der Kurfürst dem von den französischen Truppen bedrängten Herzog von Savoyen gesendet hatte. – Die schöne Frau nannte sich Marquise von Balbiani-Salmour. Sie war Wittwe eines Obersten, stammte aus einem der edelsten Geschlechter Italiens und war körperlich und geistig eine der bevorzugtesten Damen ihrer Zeit. Krieg und Liebe – zwischen diesen beiden Gegensätzen brachte der junge Markgraf seine Zeit in Italien hin. Kurfürst Friedrich III., später der erste König von Preußen, hatte im richtigen Gefühl der Gefahr, welche Deutschland durch die Uebergriffe Ludwig’s XIV. drohte, die kampfgeübten Truppen seines großen Vaters dem bedrängten Fürsten zum Beistande gesendet. Brandenburgische Landeskinder fochten unter den Fahnen ihres Kurfürsten am Rheine gegen den fremden Gewalthaber. Sie stürmten die Festung Bonn. Brandenburgische Truppen bluteten im fernen Ungarlande gegen den Erbfeind, den Türken. Sie waren es, welche den heißen Kampf bei Salankemen entschieden. Sechstausend brandenburgische Kriegsleute fuhren über den Canal und halfen dem Prinzen von Oranien sein Ansehen bei der englischen Nation erhöhen, bis der flüchtige Jakob II. des Thrones verlustig erklärt und der Oranier, nunmehr Wilhelm III., den erledigten Königssitz als Herrscher eines freien Volkes bestieg.

Friedrich III. hat vielfache Bekrittlungen seiner Prachtliebe, seiner Neigungen für das Auffällige erfahren müssen. Diese waren aber eng verbunden mit dem großen Entwurfe, der schon als Kurfürst ihm vorschwebte und der ihn beschäftigte, dessen Ausführung er energisch durchsetzte und dadurch den Grund zur Macht des preußischen Staates legte. Einer der größten Vorzüge aber, den der Kurfürst vor vielen Andern hatte, war die Heilighaltung des gegebenen Wortes. Nie hat ihn der Geist kleinlicher, steifer Ceremonie so stark beherrscht, daß er nicht die Heiligkeit eingegangener Verpflichtungen beobachtet hätte. Er überlegte lange. Ging er aber auf eine Vorlage ein, so konnte man auf sein Wort Felsen thürmen. Die Durchführung einer versprochenen Sache geschah immer ganz, ohne Kleinlichkeit, und auch hierin zeigte er stets eine Würde, die ihn zu dem später angenommenen Königstitel berechtigte. Er genoß die Achtung seines Volkes, weil er in jeder Beziehung selbst achtungswerth dastand. Nie hat er den geringsten seiner Unterthanen seiner Ruhmsucht geopfert, wenn gleich er die hochgestellten schwer aus den Banden dessen befreite, was er für nothwendig

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 695. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_695.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)