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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Mit einem kühnen Sprunge gelangte er dicht an den Markgrafen, seine nervige Hand umklammerte die Rechte Carl Philipp’s und das Gefäß des Degens. Beide Männer rangen mit einander.

„Helfen Sie mir, meine Herren,“ befahl der Oberst. „Seine Hoheit sind außer sich. Den Degen! halten Sie den Degen.“

Die Officiere eilten hinzu, und der noch schwache Carl Philipp sah sich bald ohne Waffe. Wie ein Verzweifelter wehrte er sich gegen seine Angreifer, die alle Stöße und Schläge geduldig ertrugen und ihn zu halten strebten. Da – ein lauter Schrei – eine letzte convulsivische Bewegung, matt und hinfällig sank Carl Philipp in die Arme Hackeborn’s zurück. Das Blut überströmte sein Nachtgewand. Die Wunde von Casale war wieder aufgebrochen. Sanft ließ der Oberst ihn auf ein Polster gleiten.

„Dem Himmel sei Dank,“ sagte er dumpf, „kein brandenburgischer Degen hat seinen Heldenleib berührt.“ Carl Philipp öffnete die Augen. Er stierte den Ort an, wo er zuletzt seine Gattin gesehen. „Katharina,“ stöhnte er leise – und, als hätte seine lispelnde Klage das Ohr der Geliebten erreicht, schmerzvoll tönte aus dem Garten herauf der Abschiedsgruß: „Philipp! Philipp!“ – er erstarb in dem Rollen des davoneilenden Wagens, welcher die Gräfin von dem Gatten hinweg in das Kloster Santa Croce entführte.




Ein pomphafter Katafalk erhob sich inmitten der Domkirche zu Berlin. Auf der Höhe desselben lagen die Abzeichen der fürstlichen Würde. Hut, Degen und Sporen, die Handschuhe und eine Schärpe waren von goldenem Lorbeerzweige umwunden. Unter den Klängen der Orgel verrichteten die Mitglieder der kurfürstlichen Familie weinend ihr Gebet am reichgeschmückten Sarge Markgraf Carl Philipp’s von Schwedt.

Fünf Tage nach der Trennung von seiner Gattin war er einem hitzigen Fieber erlegen, welches die neuaufgebrochene Wunde und die furchtbare Gemüthserregung erzeugt hatten. Seine Liebe ward sein Tod. Unter zahlreicher Escorte hatte man die Leiche nach Berlin geführt.

Katharine von Brandenburg, wie sich fortan die Gräfin von Salmour nannte, die der Exempt auf Befehl des Herzogs in ein Nonnenkloster gebracht, ward unmittelbar nach seinem Tode in Freiheit gesetzt. Sie war ohne Vermögen; sie stand allein auf den Schutz ihrer Verwandten angewiesen in der Welt.

Kurfürst Friedrich III. hatte ihr hunderttausend Thaler bieten lassen, wenn sie den Namen einer Frau von Brandenburg ablegen wolle.

Als der Sarg in die fürstliche Gruft gesenkt war, veweilten der Kurfürst und die Seinigen noch eine Zeit lang in der menschenleeren Kirche. Friedrich stand sinnend vor dem Grabe seines Stiefbruders. Er winkte mit der Hand einen Gruß hinab und verließ die Kirche. In seinem Cabinete angelangt, warf er sich in den Sessel, er schlug die Hände vor das Gesicht, und heiße Thränen entströmten seinen Augen. – Wenige Stunden später hatte er sich wieder in die Geschäfte der Regierung vertieft. Zahlreiche Einläufe warteten seiner zur Erledigung. Der Kurfürst las Alles selbst. Ein Schreiben schien besonders seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Er hielt es dicht vor die Augen, seine Stirne zog sich in Falten, gleichsam als wollte er doppelt genau sehen, um sich zu überzeugen, daß er richtig gelesen. – Es war ein Schreiben der Gräfin Salmour. – Sie unterzeichnete „Katharina von Brandenburg“ – sie schlug, die arme, junge Wittwe, die ihr gebotenen hunderttausend Thaler aus. –

„Monseigneur,“ schrieb sie, „die Ehre, den brandenburgischen Namen führen zu dürfen, steht mir höher im Werthe als alle Schätze der Erde. Sie fühlen selbst zu zart, Sie denken selbst zu hochherzig, als daß Sie es mißbilligen könnten, wenn ich Sie bitte: behalten Sie Ihr Geld und lassen Sie mir den Namen meines Gatten, der unbezahlbar ist.“

Friedrich ließ das Papier sinken. „Hochherzig, edel!“ sagte er nach einer Pause zu sich selber. „Sie war seiner würdig. Ja, es ist ein unschätzbarer Name, und wenn ich ihn einst nicht mehr führe, so soll er doch als ein Kleinod stets in meiner Königskrone prangen, und wer ihn führt, soll mir nahe sein. Das sei die Sühne zwischen uns, mein armer, geliebter Bruder! Auch ich habe gelitten, als ich Dein Glück und Deine Liebe opfern mußte für die einstige Erhöhung meines Hauses.“ –[1]




Die deutsche Künstler-Lotterie für Salzburg.
(Mit Abbildung.)

Wer kennt sie nicht, jene empörenden Gräuel, welche religiöser Fanatismus und Intoleranz in einem der blühendsten Länder Süddeutschlands noch im Jahre 1731 sich erlaubten? Ueber 22,000, sage zweiundzwanzig Tausend brave, biedre Menschen wurden in Salzburg durch den gewissenlosen, geldgierigen und trunksüchtigen Erzbischof Leopold Anton Eleutherius von Firmian und dessen rohe Creaturen lediglich ihres protestantischen Glaubens wegen von ihren Almen, ihren Heerden, ihren Feldern, von ihren prangenden Thälern und hellen klaren Seeen, von ihren Goldbergwerken, Marmorbrüchen und Salzwerken gerissen, in raffinirtester, brutalster Weise gemißhandelt und, als alle diese Mißhandlungen sie zum „alleinseligtnachenden“ Glauben ihrer Bedränger zurückzuzwingen nicht vermochten, im härtesten Winter, unter allen Qualen des Frostes und Elends, zum Lande hinausgejagt. Sie zogen zum Theil nach Hannover und Holland, zum Theil wanderten sie nach Nord-Amerika aus, die weitaus meisten aber wandten sich nach Preußen und fanden in Preußisch-Litthauen eine neue Wohnstätte. Friedrich Wilhelm I. äußerte hierbei seine Entrüstung.

„wie es eine reichs-kündige Sache sei, mit was großer Hefftigkeit die arme Glaubens-Genossen in dem Erz-Stifft Saltzburg bedränget und verfolgt würden, und daß von Seiten des Corporis Evangelici zu Regensbnrg deshalb nicht allein bei Ihr. Kaiserl. Maj., sondern auch bey dem Ertz-Bischoffe von Saltzburg selbst bewegliche Vorstelligen geschehen, dieselbe aber bey dem Ertz-Bischoffe noch zur Zeit nichts im geringsten verfangen wollten, sondern derselbe einen Weg wie den andern fortfahre, auf eine unchristliche und selbsten von dem grösten Theil seiner Glaubens-Verwandten zum höchsten improbirte Art die härteste Persecutiones wider besagte Evangelische auszuüben, er auch an die Kaiserl. darwider an ihn ergangene Verordnungen sich gar nicht kehren, noch die behörige Parition leisten wolle.“

Er drohte mit Repressalien, nahm auch über 20,000 Salzburger Emigranten auf, die er unterstützte und damit zugleich, wie er sich ausdrückte, „sein wüst Land peuplirte“. 130 Jahre mußten seitdem vergehen, ehe sich endlich, endlich die österreichische Regierung veranlaßt oder vielmehr von dem allgemeinen und lauten Ruf der öffentlichen Meinung nach Glaubens- und Gewissensfreiheit und unbedingter Toleranz genöthigt sah, für die Protestanten die frühern Beschränkungen in Rücksicht auf Errichtung von Kirchen mit Thürmen, Glocken, Begehung von religiösen Feierlichkeiten, des Bezugs von Büchern und Schriften aufzuheben, ihnen die selbstständige Ordnung, Verwaltung und Leitung der kirchlichen Angelegenheiten zu gewähren und ihnen die vollste Freiheit des Glaubensbekenntnisses und den Vollgenuß der bürgerlichen Rechte zuzusichern. Erst von nun an, seit 1861, war den Protestanten in Salzburg die Möglichkeit gegeben, ein kirchliches Leben mit Selbstständigkeit der religiösen Genossenschaft zu begründen, erst von da an eine Aussicht vorhanden, daß die mildere Richtung der Gegenwart den Schandfleck des Jahres 1731 auslöschen möge.

Unter der Aufschrift „Der Salzburger Jammer“ habe ich im Jahrgang 1861 der Gartenlaube Nummer 27 und 28 jene That des brutalsten Fanatismus und ihren Entwicklungsgang, das Salzburger Volk und den erzbischöflichen Hof, die grausamen und unbarmherzigen Mißhandlungen und Bedrückungen, die unerhörten Leiden, aber auch die edle, feste Standhaftigkeit der Evangelischen, ihren Schwur zu Schwarzach und ihre Auswanderung geschildert.

  1. Die Gräfin vermählte sich zum dritten Male mit dem sächsischen Minister und Feldmarschall Grafen Wackerbarth. Ein von diesem adoptirter Sohn aus ihrer ersten Ehe, Gabaleon von Wackerbarth-Salmour, starb in sächsischen Diensten. Erst bei ihrer Heirath legte sie den Titel „Madame de Brandebourg“ ab. Sie starb 1719).
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 699. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_699.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)