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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

Brust und Unterleib; alle übrigen Federn sind durch die so verschiedenartige Zeichnung auf das Wundersamste geschmückt. Gewisse Arten gehören zu den schönstgefärbten Vögeln ihrer ganzen Ordnung; sie sehen wirklich prächtig aus. Und dennoch geht dieses Kleid im Sand der Steppe oder Wüste förmlich auf! Das schönstgefärbte und gezeichnete Wüsten- oder Steppenhuhn verschwindet auf wenig Schritte Entfernung dem Auge. Es drückt sich nieder in den Sand und wird scheinbar zu einem kleinen Sandhäufchen, und alle die Pünktchen und Striche und Flächen zu nichts Anderem, als zu beleuchteten und im Schatten liegenden Sandkörnern. Für den Beobachter hat dieses Verschwinden der Thiere vor sichtlichem Auge etwas ungemein Ueberraschendes, und ich habe mir während meines Aufenthalts in Afrika oft den Genuß verschafft, an Wüstenhühner, welche ich auf einer bestimmten Stelle hatte einfallen sehen, heranzuschleichen, um dieses sich Unsichtbarmachen zu beobachten. Bei dem Steppen- oder Fausthuhne ist die Zeichnung kurz folgende: Das Männchen ist im Ganzen rostgraugelblich, am graulichsten auf der Brust und dem Halse. Auf der Oberseite sind die einzelne Federn der Quere nach schwarz gewässert oder gebändert und einige schwarz getüpfelt, namentlich auf dem Rücken, während zu beiden Seiten der Flügel ungefleckte Stellen frei bleiben Die Schwingen sind aschgrau an der innern Seite, nach außen bläulich. Die Unterseite, welche an der Brust graugelblich ist, geht dann in Braunschwarz über; der Hinterbauch ist schmutzigweiß. Ueber die Brust zieht sich eine dunke Binde, welche eigentlich aus drei neben einander laufenden schwarzen Linien besteht. Die Kehle und zwei Flecken am Hinterkopfe sind rostgelb. Das Weibchen ist leicht am Mangel der Brustbinde, an seinem graulicheren Gefieder, den lichtgelben Kehlflecken, einem schmalen dunkeln Kehlbande zu erkennen. Der ganze Oberleib, der Vorderhals und die beiden Brustseiten sind überall dicht mit dunkeln Tüpfeln, Punkten und Bändern bedeckt. Eine besondere Zierde des Vogels ist der keilförmige Schwanz, welcher aus harten Federn besteht, deren mittelste sich in haarfeine Spitzen verlängert. Ganz eigenthümlich ist der Fußbau. Die Beine sind sehr kurz, die Füße dreizehig und oben dick bis zu den Zehen herab befiedert.

In der Größe gleicht das Steppenhuhn einer Haustaube, und in seinem Leben und Treiben erinnert es auch viel mehr an die Tauben, als an die Hühner. Es lebt in ziemlich großen Schaaren, d. h. in Flügen von 10 bis 100 Stück zusammen, ausschließlich auf sandigen, möglichst baumlosen, aber grasigen Strecken und treibt sich hier während des Tages, Nahrung suchend, umher. So lange die Gesellschaft auf dem Boden verweilt, macht sie sich wenig oder nicht bemerklich. Die Färbung des Gefieders entrückt sie leicht dem Auge, und dem Ohre verräth sie sich nur in seltenen Fällen, obschon die Schaar fortwährend Töne von sich giebt, freilich so leise, daß sie schon auf wenige Schritte hin nicht mehr vernommen werden. Blos wenn sie Gefahr wittern, erhebt eins der Männchen seine Stimme zu lautem Rufe, welcher durch die Sylben „Kökerik“ wiedergegeben werden kann. Ihr Gang ist ein höchst sonderbares Trippeln, wie es bei keinem Landvogel weiter vorkommt; die Steppenhühner sind gewissermaßen den Sohlengängern zu vergleichen. Sie tragen ihre Fußwurzeln so schief gestellt, daß das Handwurzelgelenk fast den Boden berührt, während doch andere Landvögel auf den Zehen gehen. Ihre auffallend kurzen Füße erlauben ihnen, wie erklärlich, nur kleine Schritte zu machen, und ihr Leib schleift also fast auf dem Boden dahin und wackelt beim Gange fortwährend seitlich hin und her. Diese Füße, welche kaum stark und geschickt genug scheinen, den Leib zu tragen, sind zum Scharren ganz unfähig; deshalb besorgen unsere Thiere dies Geschäft ausschließlich mit dem Schnabel. Das Gefieder wird sehr locker und nachlässig getragen. Die Flügelspitzen berühren sich, wie bei den Tauben, nicht, sondern liegen zu beiden Seiten des Leibes an. Der Hals wird gewöhnlich so eingezogen, daß er dicht auf den Nacken zu liegen kommt. Nur wenn sie sichern, strecken sie ihn lang von sich.

Dies Alles aber muß man in nächster Nähe betrachten können, wie ich im Augenblicke, wo ich diese Zeilen schreibe; denn schon auf 50 Schritt Entfernung wird man keine hierauf bezüglichen Beobachtungen anstellen können, weil dann das Sandhafte, wie ich mich ausdrücken will, der ganzen Thiere schon zu sehr hervorsticht.

Ganz anders zeigen sich die Steppenhühner im Fluge. Sie erheben sich ziemlich schwerfällig unter raschem und hartem Flügelschlag, sobald sie aber einmal eine gewisse Höhe erreicht haben, eilen sie mit rasender Schnelligkeit dahin, brausend und rauschend, rufend und schreiend. Das Geräusch der Flügelschläge vernimmt man auf weithin, und laute, wohlklingende Rufe, wie „kuik, kuik“ werden aus voller Brust ausgestoßen. Am meisten ähneln die fliegenden Steppenhühner gewissen Strandvögeln, namentlich den Goldregenpfeifern und den Steinwälzern; nur fliegen sie weit rascher. Schnelle Schwenkungen und Wendungen werden ihnen schwer. Auch fliegen sie nicht gern hoch über dem Boden hin, wohl aber ohne Besinnen in einem Zuge meilenweit.

Ihr Tageslauf ist ein ziemlich regelmäßiger. In den Morgenstunden erscheinen sie auf den Futterplätzen, trippeln hier nach dem Einfall ununterbrochen, aber langsam umher, picken mit dem Schnabel Körner auf, füllen sich den Kropf und fliegen nun der Tränke zu. Nachdem sie ihren Durst gelöscht, suchen sie sich eine sandige Stelle in der Nähe aus und kauern sich hier auf den Boden nieder, nehmen auch wohl ein Sandbad, wobei sie sich halb oder ganz auf die Seite legen. Nachmittags fliegen sie wieder nach Futter aus, rutschen und trippeln noch ein paar Stunden, Körner suchend, umher und wählen sich endlich eine kahle Sandfläche aus, um hier zu übernachten. Vor dem Schlafengehen sondert sich der ganze Trupp in einzelne Häufchen, und diese hocken sich dann, dicht aneinander gedrückt, so zu sagen, auf einem Klumpen, auf den Boden nieder, gewöhnlich so, daß die Köpfe den Mittelpunkt eines Kreises bilden. Die ganze Schaar wird dann scheinbar zu so und so viel größeren Sandhaufen, welche man aber ebenso leicht übersieht, wie die einzelnen Hühner. Eifrige Jäger auf Borkum haben sich auf 200 Schritt vergeblich bemüht, Steppenhühner, welche sie einfallen sahen, mit dem Fernrohr aufzufinden, obgleich sie es mit Schwärmen von 50–60 Stück zu thun hatten.

Eigentlich scheu waren die mongolischen Fremdlinge nicht, als sie ankamen, sie lernten aber sehr bald erkennen, daß sie es in der Fremde mit andern Menschen zu thun hatten, als daheim, und machten es nach wenig Jagden ihren Verfolgern fast unmöglich, in schußgerechte Nähe sich an sie anzuschleichen. Wenn einem Schwarm Gefahr drohte, erhob sich einer der Hähne, rutschte auf die nächste Erhöhung los und ließ seinen Warnungsruf ertönen. Ein Stimmengewirr antwortete, und der ganze Schwarm brauste dahin. Dieser Vorsicht ungeachtet sind aber im vergangenen Sommer so viel Steppenhühner geschossen und gefangen worden, oder anderweitig um’s Leben gekommen, daß der gewiß sehr zahlreiche Schwarm, welcher von den mongolischen Steppen auszog, sehr gelichtet sein dürfte.

Bis jetzt hat man, so viel mir bekannt, nirgends ein Nest unserer Hühner gefunden. Demungeachtet glaube ich im Eingang nicht zu viel gesagt zu haben, wenn ich annehme, daß die Thiere wirklich bei uns gebrütet haben. So viel ist sicher, daß sie jetzt im Herbst noch bei uns hausen, daß also meine Bitte um Schonung nicht zu spät kommen dürfte. Ich will nicht zu viel verlangen und am allerwenigsten zu viel von den Jägern. Ich weiß aber, daß ein Waidmann, welcher eine gute Jagd behalten oder bezüglich sich heranbilden will, vor allen Dingen hegen muß. Die Wüstenhühner legen nach meinen Erfahrungen 4 bis 5 Eier, die ihnen so nahe verwandten Steppenhühner werden also wohl kaum weniger legen. Wollte man nun blos 2 kurze Jahre lang überall in Deutschland die zu uns eingewanderten Schaaren ruhig sich selbst überlassen und ihnen nöthigenfalls Schutz im nächsten Frühling gewähren, namentlich vor den unreifen und unnützen Buben, welche unter dem Namen Eiersammler so viele Nester verwüsten; wollte man endlich im nächstfolgenden Herbst wie bisher sich mit Rebhühner- und anderer heimischer Vögeljagd begnügen: so würde man gewiß schon im Jahre 1865 Steppenhühner jagen können, denn sie würden bis dahin gewiß festen Fuß bei uns gefaßt haben. Und wenn dies nicht der Fall wäre, wenn alle berechtigten Hoffnungen scheitern sollten, so würde das Ergebniß des Versuches, ob die Steppenhühner bei uns heimisch werden oder nicht, sicherlich immer noch mehr werth sein, als der geringe Ruhm, welchen sich ein Jäger erwirbt, der schonungslos und ungastlich gegen diesen zu uns gekommenen Besuch verfährt.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 727. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_727.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)