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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

auch ganz vortreffliche Stückchen in die Wirthschaft. In ihnen hält sich Fleisch und andere Nahrung wunderbar lange, da die Kohle jede faule Zersetzung verhindert. Als schlechte Wärmeleiter halten sie Eis länger, als jeder andere Behälter.

Der Apparat zum Sammeln des Kesselsteins, der sich sonst beim Kochen ansetzt, sorgt für reines, weiches Wasser, in welchem man weniger Thee oder Kaffee braucht (da es besser auslaugt), auch für die wohlfeilste und reinste Wäsche in Waschkesseln.

Platten, Cylinder, Schmelztiegel u. s. w. für elektrische und chemische Werke übertreffen alle andern dazu verwendeten Materialien, wie Männer der Naturwissenschaft längst wissen werden, nur daß sie jetzt die Kohlenapparate sicher, bequem und wohlfeil haben können.

Blumentöpfe aus Kohlen verhindern das Sauerwerden der Erde, in welcher Pflanzen kränkeln und absterben.

Endlich empfehlen sich die kleinen Kohlenpflöckchen für Pfeifenköpfe, da sie den Tabak zunächst bis zuletzt trocken halten (so daß man keinen „Philister“ drin zu lassen braucht) und dann besonders das Nicotingift, Ammoniak und andere schädliche Bestandtheile des Tabaks verzehren. Cigarrenspitzen und ganze Pfeifenköpfe aus dieser Kohle thun dieselben Dienste.

Die Fabrik übernimmt auch Wasserreinigung in großen Mengen für Brennereien, Sodawasserfabriken u. s. w.

Was die Wasserfiltrirblöcke für den gewöhnlichen Gebrauch betrifft, so ist deren Anwendung äußerst einfach. Man wirft z. B. einen solchen Block, an welchem sich ein Gummischlauch befindet, in irgend ein Gefäß mit Wasser, saugt am Ende der Röhre den Fuß an, wie beim Heber, und läßt ihn in ein niedriger stehendes Gefäß hineinhängen. Dann tröpfelt das filtrirte Wasser von selbst hinein, bis es ganz im ersteren verschwindet. Auch kann der Filtrirball leicht gereinigt werden. Man bläst kräftig hindurch, spült und bürstet ihn in reinem Wasser, läßt ihn trocknen und hat ihn dann wieder wie vollständig neu und in ganzer Reinigungskraft.

Man steht daraus gewiß, wie wichtig und wohlthätig diese Apparate von plastisch-poröser Kohle für alles Leben sind und werden.

B-a.



Ein Dichter im Gamaschendienst. In der Caserne ai servi zu Bologna sitzt, umlärmt von achtzig Wachtsoldaten, ein junger Mann in der kaiserlichen Infanteriemontur eines Corporals, zurückgezogen in eine Fensternische, vor einem Bret, das ihm als Tisch dient, und liest und schreibt. Die laute Ausgelassenheit seiner Umgebung stört ihn nicht. Er lebt ganz und gar in seinem Buche, im Byron. Der „Manfred“ liegt vor ihm aufgeschlagen, und die Stelle, die er mit rascher schlagenden Pulsen jetzt in deutsche Form bringt, muß wie ein Stück aus seiner eigenen Seele sein, so strahlt sein dunkles Auge auf sie nieder.

Hingerissen von Byron’s ergreifenden Gedanken, vergißt sich der so Stillglückliche: er liest sich die Stelle laut vor. Die nächsten Lärmer horchen, das Lauschen verbreitet sich von Mann zu Mann weiter über die große Casernenstube. Da schweigt plötzlich der Lesende, er ist am Ende – und hat die Stille um ihn so wenig wahrgenommen, als vorher das Toben. Aber jetzt umfluthen ihn desto peinigender die rohen Witze der nur in kindischem Necken dahinlebenden Cameraden. Wenn das Herz an solche Fußtritte der bemitleidenswerthen Einfalt sich gewöhnen könnte, so hätte das dieses jungen Mannes längst zu völliger Unempfindlichkeit verhärtet sein müssen, so oft ward es getreten. Ein herber Zug geht wie ein Schlagschatten über sein männlich edles Antlitz, die Brauen und die Lippen ziehen sich zusammen – die Blicke klammern sich an die Verszeilen des englischen Dichters an, und wie die Feder weiter schreibt, was der sinnende Geist ihr dictirt, klärt sich das Auge, schwellt der Mund wie zu freundlichem Wort, und wieder lebt ganz und gar im hohen Himmel unsterblicher Geister der arme Corporal vor seinem Bret in der Fensternische der Caserne ai servi zu Bologna.

Hat es Niemand gesehen, außer den Wachtsoldaten, wie hier ein Genius im Staube nach Erhebung rang? – Ja, es ist nicht unbemerkt geblieben. Denn der Mann im Dienst schwang sich zum dramatischen Dichter auf; ein großes vaterländisches Trauerspiel „Friedrich der Schöne“ beschritt sogar die Bühne und riß zum rauschendsten Beifall hin. Der Beifall verrauschte, und der Dichter putzte nach wie vor sein Gewehr und klopfte seine Montur aus, wichste seine Schuhe und stülpte denselben Tschako auf sein gedankenreiches Haupt, der Hunderttausende gewöhnlicher Köpfe drückt. Weil aber der Ertrag jenes Trauerspiels vom Dichter zu einem Beneficium des Invalidenfonds bestimmt worden war, so erhob der Wiener Hofkriegsrath denselben zum Cadeten. Dadurch wurden freilich für den Leib die Waffen ein wenig leichter, aber die Montur drückte den Geist so schwer wie zuvor.

Ein namhafter Schriftsteller trat ihm nahe und erschrak schier vor dem Anblick eines solchen Talents in solcher äußerlichen Niedrigkeit. Er sah den nagenden Kummer des rastlos strebenden Mannes, verlassen und vergessen, verkannt und verspottet zu sein mit allem Bewußtsein des Wertes einer göttlichen Begabung – aber ihm helfen, ihn aus der Montur erretten, das konnte auch er nicht. Trotz alles redlichen Schaffens dem Volk und Vaterland, das man im Herzen trägt, unbekannt bleiben, verbittert das Herz und richtet den Strahl des Zornes gegen die nächste Umgebung. Wir lernen den Dichter kennen, wenn wir uns von ihm selbst „Aufschluß“ über sein verschlossenes Wesen geben lassen.

„Ihr nennt mich kalt. Ich bin es, ja, und kalt
Wie Gletschereis, an dem umsonst der Strahl
Der Sonne übt die schmelzende Gewalt,
Die Laub und Blüthen sich erschafft im Thal.

Und ungesellig – ja, ich bin es gleich
Dem Aar, der, horstend in dem Steingeklüft,
Nicht wohnen mag im niedrigen Gesträuch
Und finster, einsam nur die Luft durchschifft.

Und bin ich so, so bin ich es mit Recht,
Denn ihr seid wie die Wüste, aber kühl;
Mißkennend, was in mir ist wahr und echt,
Habt ihr gehöhnt, mißhandelt mein Gefühl.

Ihr habt die Blüthe meiner Brust zerstört
Und Dornen mir in’s öde Herz gesät,
Zu arger Wallung mir das Blut empört
Und Wolken mir in’s Angesicht geweht.

Drum laßt mich kalt und ungesellig sein!
Was fromm’s, mit euch zu leben im Verkehr?
Ich habe nichts mit eurer Art gemein,
Ich bin für euch, ihr seid für mich zu leer!“

Und man las das Gedicht und lächelte, denn es ist ja doch ganz außerordentlich lächerlich, „als Corporal – ein Dichter“ sein zu wollen.

Wer ist aber der vom Schicksal so grausam Behandelte? – Er ist nicht mehr, es war der Joseph Emanuel Hilscher, den in Deutschland Niemand kennt und der es durch sein Leiden und Streben wohl verdient hat, daß die Nation ihm als einem Opfer des an ihrem eigenen Marke immer verderblicher zehrenden stehenden Heerwesens eine Gedächtnißtafel und daß die Literaturgeschichte seinen poetischen Schöpfungen ein paar Zeilen widmet.

Hilscher war ein Soldatenkind. Er wurde in der Caserne geboren. Sein Vater war Profoß des Infanterie-Regiments Nr. 17, das damals (1806, 22. Januar) zu Leitmeritz in Garnison lag. Im sechsten Jahre kam der Knabe in das Erziehungshaus des Regiments nach Kosmonos und im Jahre 1818 mit dem Regimente nach Laibach.

Hier begann sein inneres Leben, und zwar ward er geistig aufgerichtet von einem ähnlich unglücklichen, dessen Vergangenheit noch heute ein Geheimniß ist. Kurze Zeit nach der Ermordung Kotzebue’s durch Sand kam von Triest her ein Mann nach Laibach, der in äußerster Noth sich als Gemeiner anwerben ließ. Er nannte sich Friedrich Dahl, mit welchem Recht, darnach wurde nicht gefragt, er stand auch Niemandem darüber Rede. Doch glaubte man damals, daß er mit jenem Morde in Verbindung gestanden habe. Bald verrieth der Fremde ungewöhnliche Bildung, gute Sprachkenntnisse, bald zeigte er, daß er in der Mathematik, in Literatur und Geschichte tüchtig zu Hause sei. Man ernannte ihn deshalb, mit Corporalsrang, zum Lehrer im Erziehungshause des Regiments, und so ward er auch Hilscher’s Lehrer. Er zog diesen in Kurzem mit besonderer Vorliebe an sich, ihm verdankte Hilscher alles Wissen, das ihm sein Loos so sehr milderte, ja schmückte, namentlich die Fertigkeit im Deutschen und die Kenntniß des Englischen und Italienischen.

Im Jahre 1822 wurde Hilscher ausgemustert und trat als Gemeiner in das Regiment, dessen Schulzögling er bisher gewesen war. Der arme Junge hielt das für einen großen Schritt in die Freiheit und that ihn mit Entzücken. Seine freie Casernenzeit gehörte nun ganz Dahl, seinen Studien und poetischen Versuchen. Er schwelgte in den Werken der größten Dichter und in jugendkeckem Uebermuth, der ihn sogar hie und da mit Dahl auf Augenblicke entzweite. Allein lange konnte einem so begabten und strebenden jungen Manne der Contrast zwischen seinem äußeren und seinem inneren Menschen nicht verborgen bleiben; er brach um so mächtiger hervor, als eine in den Fesseln seines Standes für ihn aussichtslose Liebe den Dichter in ihm erhob und den Soldaten um so tiefer zu Boden drückte. Von da an suchte er in Byron seinen Trost. Seine Uebersetzung der „Hebräischen Gesänge“ ließ er auf seine Kosten drucken (Laibach 1833). Auch der oben erwähnte dramatische Erfolg fällt in diese Laibacher Zeit. Er war sicherlich geeignet, ihn mit neuem Lebensmuth zu erfüllen. Da schlug ein furchtbares Ereigniß ihn ganz darnieder: sein Lehrer, Führer und Freund Dahl erschoß sich, weil er eines Subordinationsvergehens wegen zum Gemeinen degradirt worden war. „Laibach,“ so schreibt man uns aus Leitmeritz, „war ihm nun ein offenes Grab, in welchem er seine nächsten und einzigen Verwandten, seine geheime Liebe, seinen Freund, seine Jugend und seine Hoffnungen eingesargt erblickte.“

Nicht lange nach diesem Vorfall wurde sein Regiment in die Lombardei versetzt und ein ihm wohlwollender Officier, der auch als Schriftsteller bekannte damalige Hauptmann (jetzt Feldmarschall-Lieutenant) Marsano bewirke, daß Hilscher als Fourier zum Generalquartiermeisterstabe kam.

In Mailand war es, wo L. A. Frankl ihn aufsuchte; es war dies das letzte Glück des armen Dichters, denn ihm allein verdankt er’s, daß er nicht ganz vergessen ist. Frankl schreibt von ihm u. A.: „Ich lernte einen Menschen kennen, der, wäre bei seiner Geburt die Constellation günstig gewesen, mit seinem Talente weithin geglänzt hätte; allein das Soldatenkind steckte unter dem Militär, Niemand suchte in der Caserne einen Dichter. Er verkümmerte. Nicht das Exerciren, nicht das Flintenputzen, nicht das Commißbrod war seinem Aufstreben ein unbesiegbares Hinderniß, der Verrath von Freunden, eine Täuschung des Herzens lähmte ihn nur auf kurze Momente; aber die zwiespaltige Stellung zur Gesellschaft, zu seiner Umgebung entnervte ihm Kopf und Herz, machte seine Phantasie und sein Gefühl verbleichen. „Der Corporal – ein Dichter.“ Man spottete, man lächelte, dann flüsterte man: „Nicht übel,“ „Recht hübsch,“ endlich klopfte man den Soldaten auf die Schulter, hieß ihn Freund, aber natürlich unter vier Augen, während man ihn öffentlich nach seinem untergeordneten Rang behandelte; man protegirte ihn, aber mit jener Vornehmheit, mit jener Anmaßung, die das Herz vergiftet und den Geist demüthigt, und selbst dieser kleine, schmerzlich erkaufte Vorzug ward ihm von Neidern verbittert, indem sie ihn bei jeder Gelegenheit seine Stellung als Soldat fühlen ließen.“ – – Am bittersten empfand er den Mangel an Verbindung mit der Oeffentlichkeit. Frankl bot ihm seine Vermittelung an und veranlaßte den Abdruck seiner Uebertragung der Gräber von Ugo Foscolo in der Rivista Viennese 1838.

Um sein Dichterschicksal ganz zu erfüllen, kam auch dieser Trost zu spät: Emanuel Hilscher starb am 2. Novbr. 1837 in Mailand und bezog

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