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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

der Wille des deutschen Volkes, das seinen Besitz und, was mehr ist, seine Ehre in dieser Frage gefährdet sieht wie kaum je zuvor, seit es in seinen Angelegenheiten eine Stimme hat. Hoffen wir, handeln wir, daß diese Stimme durchdringe. Unsere Ehre, unsere Zukunft ist in Wahrheit bedroht, nicht blos das klare Recht eines unserer Stämme und seines Fürsten.

Inzwischen aber sei es erlaubt, den Lesern dieses Blattes das Bild dessen zu zeichnen, welcher als echter Herzog der neuen Bewegung für Schleswig-Holstein den Anstoß gegeben und in seiner Proclamation an dessen Volk zum ersten Mal officiell wieder verkündet, daß das alte gute Recht der Herzogthümer noch lebt, zum ersten Mal wieder das Banner derselben als Bannerherr aufgepflanzt und zur Heeresfolge entfaltet hat.

Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein, bis zum Tode Friedrichs II. von Dänemark Prinz von Augustenburg, ist der älteste Sohn des Herzogs Christian von Augustenburg und am 6. Juli 1829 im Schlosse Augustenburg auf der schleswigschen Insel Alsen geboren. Seine Jugend verlebte er theils in dem Orte seiner Geburt und dessen anmuthiger Umgebung, theils in Gravenstein, einer andern Besitzung seines Vaters, die, im Sundewitt, nicht fern von den bekannten Düppeler Höhen und am buchenbekränzten Eckensund gelegen, mit ihren reizenden Parkanlagen und ihrer fruchtbaren Nachbarschaft gleichfalls geeignet war, in dem Gemüth des Knaben Liebe zu seiner Heimath zu erwecken. Seine Erziehung war eine sehr sorgfältige, sein Lehrer und zugleich der seines jüngern Bruders Christian war ein Herr Stephensen, der gegenwärtig in Basel eine Professur bekleidet.

Auch über die politischen Kämpfe, welche um die Zeit der Geburt des Prinzen sich vorbereiteten und, um die Mitte der dreißiger Jahre ausbrechend, die dänische Monarchie in zwei Lager theilten, wurde der junge Fürst frühzeitig aufgeklärt. Der Herzog von Augustenburg war in diesen Kämpfen von Anfang an als Patriot wie als Verfechter eignen Rechts einer der thätigsten und unerschrockensten Streiter für die bekannten drei Grundrechte der Herzogthümer und gegen die Anläufe der beiden dänischen Parteien der Gesammtstaatsmänner, die ganz Schleswig-Holstein, und der Eiderdänen, die Schleswig als Provinz in Dänemark einzuverleiben trachteten. Häufig hörten die Söhne in der Familie jene Fundamentalsatzungen, nach denen die Herzogthümer von Dänemark, wie Norwegen von Schweden, wie Ungarn von Oesterreich getrennte Staaten, nach denen sie ferner eng mit einander verbundene Staaten waren, und nach denen endlich in ihnen nur der Mannsstamm des oldenburgischen Hauses herrschen sollte, nach verschiedenen Seiten hin discutiren. Wiederholt begleiteten beide Prinzen schon als Knaben den Herzog, wenn er sich nach der Stadt Schleswig begab, um dort in der Ständeversammlung seinen Sitz einzunehmen und gegen die Ränke der Dänen zu sprechen, und so athmeten beide schon in jungen Jahren die Luft ein, welche die Ueberzeugung von dem Rechte der Herzogthümer und den Willen es zur Geltung zu bringen damals allen denkenden Schleswig-Holsteinern zur zweiten Natur werden ließ.

So kam das Jahr 1848 heran, wo Prinz Friedrich mit seinem Bruder eben im Begriff war die Universität Bonn zu beziehen, als plötzlich durch einen reisenden Kaufmann auf Schloß Augustenburg die Kunde von der Märzrevolution in Kopenhagen, von der Bildung einer provisorischen Regierung in Kiel und von dem Eintritt des Prinzen von Noer, ihres Vatersbruders, in dieselbe gelangte. Der Kampf mit Worten war zum Kampf mit den Waffen geworden. Die herzogliche Familie wußte, was ihr drohte, und die Prinzen wußten, was jetzt ihre Pflicht, wo fortan ihr Posten war.

Der Capitän Tscherning, durch den Kopenhagner Aufstand zum Kriegsminister ernannt, hatte sich im Jahre 1845 in der Nähe von Augustenburg aufgehalten und war dabei in das Haus des Herzogs eingeführt worden. Einst kam die Unterhaltung auf die schleswig-holsteinische Frage, und der Gast nahm Anlaß, auf die gefährliche Lage hinzuweisen, in die der Herzog sich und seine Familie bringen werde, wenn er sich nicht entschließe, seine Erbrechte aufzugeben. Weigere er sich dessen, so sei fast gewiß, daß ihm und seinem Hause das Schicksal der Stuarts werde; jedenfalls werde man sich dänischerseits in die Nothwendigkeit versetzt sehen, ihn und seine Familie auf alle und jede Weise zu verfolgen und unschädlich zu machen. Kurz nach Erlaß des „offnen Briefes“ war hierzu noch eine ausdrückliche Warnung von einem dem Herzog befreundeten Manne in Kopenhagen gekommen, und daß die dänische Hofpolitik vor Gewaltmaßregeln sich nicht scheute, wußten die Prinzen aus dem Verfahren gegen ihren Großvater, welcher, von den Schweden zum Thronfolger gewählt, von Friedrich VI., seinem königlichen Vetter, der selbst gern die schwedische Krone genommen hätte, auf Alsen mit Kriegsschiffen umstellt und so zum Staatsgefangenen gemacht wurde.

Der Herzog von Augustenburg selbst befand sich zu dieser Zeit nicht daheim. Er war nach Berlin geeilt, um vom König von Preußen Hülfe für Schleswig-Holstein zu erbitten. Die Prinzen aber waren in entschiedener Gefahr von den Dänen aufgehoben und als Geiseln oder Staatsgefangene nach einer Festung gebracht zu werden. Jene Nachricht war am 25. März Nachmittags eingetroffen. In der Nacht zum 26. wurden die jungen Herren von ihrer Mutter geweckt und ihnen bemerkt, daß sie ohne Verzug abreisen müßten. Rasch wurde Alles zur Flucht vorbereitet, und am Morgen bei Tagesgrauen verließen sie in einem offnen Boot in Begleitung ihres Erziehers die Insel, um sich nach dem Festland zu begeben. Bald darauf folgte ihnen die Herzogin mit ihren beiden Töchtern.

Es war, wie man zu sagen pflegt, unmittelbar vor Thorschluß. Noch sechsunddreißig Stunden, und es wäre zu spät gewesen.

Am 28. März fuhr ein dänischer Kriegsdampfer südwärts an Alsen heran und setzte ein Boot an der Spitze Kekenis aus. Ein reitender Bote empfing einen Brief an den Bischof Hansen in Igen, der seit Jahren als das Haupt der dänischen Propaganda auf der Insel bekannt war. Dann ging das Dampfschiff weiter, in die Flensburger Bucht hinein, signalisirte nach der Stadt hin, wandte und eilte hierauf nach Alsen zurück, wo es bei der Sonderburger Fähre anlegte. Capitain Dirckink-Holmfeld führte es. Bischof Hansen war zur Hand, Dänischgesinnte strömten in Massen herbei, andere Haufen zagen nach Hardeshoi, dem zweiten Fährort der Insel. Des Capitäns erste Frage war nach dem Herzog von Augustenburg, seine zweite nach dessen Familie. Er erfuhr, daß er mit seinem Auftrag zu spät gekommen. Es war die Absicht gewesen, den Herzog und seine Familie gefangen zu nehmen und nach Christiansoe zu bringen. Was ihrer dort gewartet hätte, mag die Analogie Griffenfeldt’s in Munkholm und der vier Geschwister des Czaren Iwan des Vierten zu Horsens in Jütland lehren. Wie die Sachen standen, mußte sich die dänische Invasion in Augustenburg begnügen, das Eigenthum des Herzogs nach Kräften zu beschädigen. Bekannt ist, wie man mit dem Marstall desselben, dem Silberzeug, den Einkünften verfuhr und wie man diese schmutzigen Plünderungen auch während des Waffenstillstandes fortsetzte.

Und noch Empörenderes folgte. Durch gerichtliche Aussagen[1] ist erwiesen, daß der jetzt verstorbene König von Dänemark bei seiner Anwesenheit in Sonderburg zu Anfang des Septembers 1848 nach Abschluß des Malmöer Waffenstillstandes bei einer großen Audienz, die er Landleuten und andern Bewohnern der Umgegend gewährte, erklärt hat: „der Herzog von Augustenburg ist vogelfrei.

Wir wissen nicht, welcher politische Act des verantwortlichen dänischen Ministeriums vorausgegangen, auf den sich jene Erklärung des Königs beziehen konnte. Aber solches Wort aus solchem Munde heißt den Mord aufrufen.

Inzwischen waren die beiden Prinzen mit Stephensen aller Gefahr entronnen und, nachdem ihr Boot glücklich bei Holnis in Angeln gelandet, rasch nach Rendsburg zu ihrem Vater gegangen. Hier traten sie, dem Beispiel der übrigen gebildeten Jugend des Landes folgend, sogleich als Freiwillige in die kleine schleswig-holsteinische Armee, welche sich damals im Süden der Herzogthümer bildete. Herzog Friedrich, jetzt neunzehn Jahre alt, fand zunächst Verwendung im Stabe seines Oheims, des Prinzen von Noer, welcher in dem Feldzug von 1848 den Oberbefehl über die Schleswig-Holsteiner innehatte, und wohnte in dieser Stellung allen Treffen dieses Jahres und namentlich auch der Schlacht bei Schleswig bei. Im Jahre darauf trat er in den Generalstab Bonin’s über, der jetzt das unterdeß beträchtlich vermehrte und besser geschulte Heer der Herzogthümer zu führen berufen war, und focht während des neueröffneten Feldzugs wieder überall mit, wo seine Landsleute in’s Feuer kamen. Nur die Schlacht bei Kolding sah ihn nicht bei der Armee, da er während derselben in Frankfurt war, um im Auftrag der Statthalterschaft dem Reichsverweser die Flagge des bei Eckernförde von den deutschen Schanzen in die Luft gesprengten

  1. Vor dem schleswig’schen Obergericht.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 794. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_794.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2019)