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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863)

die Pistole daran anlehnend und mit erfassend, wie ein Gewehr vor sich hinstreckte, um so das „Abkommen“ der zu kaufenden Waffe zu prüfen. Bei dieser Art und Weise, ein kurzes versteckbares Geschoß zu probiren, wußte ich sofort, wieviel es bei dem Burschen geschlagen habe – er war ohne Zweifel ein Wilderer geworden.

Später, als wieder viele Jahre verflossen waren, während welcher Zeit Pulverfuchs für mich wie von der Erde verschwunden schien, kam das verhängnißvolle Jahr 1849. Es war in den Tagen des Dresdner Aufstandes unter der provisorischen Regierung, die sächsischen Truppen, auf Succurs aus Preußen wartend, hatten die von den Insurgenten besetzte Stadt noch nicht angegriffen, so daß also der Verkehr in der Stadt dem Publicum – ließ es sich sonst nicht durch unnöthige Furcht davon abhalten – noch offen stand, als ich eines Morgens mit Interesse die aufgewühlten verbarrikadirten Straßen durchwanderte oder vielmehr durchkletterte. Da gab es malerische Gruppen wildaussehender Gesellen zu betrachten, die trotzig auf ihren kleinen Festungen, den Barrikaden, Wacht hielten. Aber auch herrliche Waffen bekam man dabei zu Gesicht, und namentlich schöne Schießgewehre und Hiebwaffen. Unter andern erblickte ich inmitten eines Kreises gut armirter Burschen eine hervorragende Gestalt, halbmilitärisch uniformirt, den Kopf mit einem österreichischen Uhlanenklapka bedeckt, die eine herrliche Doppelbüchse in der Hand führte. Im Augenblick mehr auf die kostbare Jagdwaffe blickend, hatte ich die bartstarrende Physiognomie des Inhabers ganz übersehen, als dieser mir zurief: „He, Camerad von früher, jetzt könnt’ ich Dir, Du Hund, eine bleierne Bohne auf’s Leder brennen!“ – Es war Pulverfuchs, der mich erkannt hatte, während ich den früher immer Bartlosen ohne diese nette Anrede kaum für denselben genommen haben würde. Lachend erwiderte ich, obgleich ich diesmal dem Landfrieden nicht ganz traute und deshalb schleunigst um eine Ecke schwenkte: er möge den Schuß für etwas Besseres aufsparen.

Die Tage des Maikampfes waren vorüber, Preußens Kaiser-Alexander-Grenadiere und sächsische Truppen standen, noch pulvergeschwärzt vom eben erst beendeten Kampfe, gemeinschaftlich in den Straßen der zurückeroberten Residenz und hielten die Passage, freilich unter scharfer Controle, wieder frei. Dies benutzte ich und ging in das Innere der durch den Kampf vielfach verwüsteten Stadt, um die Zerstörungen mit eigenem Auge zu betrachten. Noch lagen die Todten auf den Straßen unter den Trümmern der zerstörten Barrikaden umher, auf denen sie kampfesmuthig gefallen waren, und mit Wehmuth erblickte das Auge die oft prächtigen Gestalten der Besiegten. Unvergeßlich aber bleibt mir die Ueberraschung, als ich an der Stelle, wo ich ihn zum letzten Male lebend erblickt – den früheren Waldgenossen, Pulverfuchs, auf blutgetränktem Straßenpflaster liegen sah. Todt – das erstarrte Herzblut von der Wunde mitten auf der Brust! Verglasten Auges war das fahle, pulvergeschwärzte Angesicht gen Himmel gerichtet – ein Anblick, von dem ich mich tief ergriffen abwenden mußte. Aufrichtige Trauer erfüllte mich über des Verirrten Tod, denn niemals war ich ihm, dem originellen Menschen, gram geworden, so weit auch unsere Wege auseinander gingen. Möge ihm die Erde leicht sein!





Blätter und Blüthen.

Coburger Lotterie. Wir erhalten von Coburg folgende Erwiderung, die wir auf Wunsch des Einsenders veröffentlichen. „An den Herausgeber der Gartenlaube. Die Nummer 46 gegen die hier unternommene Verloosung für die nothleidenden Schleswig-Holsteiner, gegen den ein Wort der Berichtigung im Interesse der Sache Noth thut und von dem Patriotismus der Gartenlaube nicht versagt werden wird. Der Artikel, dessen patriotischer Gesinnung und Motiven hier nicht zu nahe getreten werden soll, der aber von unrichtigen Voraussetzungen ausgeht, findet seine Erledigung in den folgenden Erwägungen, welche die Veranlassung zu dem erwähnten Unternehmen geworden sind.

Seit Jahr und Tag ergeht der Nothruf aller schleswig-holsteinischen Hülfscomité’s, daß die Mittel längst schon nicht mehr zureichen, auch nur die bitterste Noth zu lindern. Einzelne Hülfscomité’s haben bereits mit bedeutenden Deficits abgeschlossen. Alle Aufforderungen haben bisher nicht bewirkt, daß die Gaben endlich in hinreichendem Maße fließen.

Im Hinblick darauf war es nicht nur nicht zu tadeln, sondern nur zu billigen, daß man auf den Vorschlag der Veranstaltung des jetzt vorliegenden Unternehmens eingegangen ist. Nicht als ob dadurch irgend Jemand in seiner patriotischen Opferfreudigkeit beschränkt und bestimmt werden sollte, nunmehr mit dem unbedeutenden Betrag für ein Loos zu diesem Unternehmen für größere Opfer zu den freiwilligen Sammlungen sich loszukaufen. Nicht im Entferntesten! Aber die Ergebnisse der Letzteren haben die Ueberflüssigkeit dieses weiteren Versuchs der Beschaffung von ausreichenderen Mitteln für den nothwendigen Zweck durchaus nicht constatirt. Es ist nicht bekannt, daß in den letzten Jahren sämmtliche Hülfscomité’s zusammen, geschweige denn eines derselben, eine Summe von 100,000 fl. in einem Jahr für den „verlassenen Bruderstamm“ zusammen gebracht hätten. Dieses Unternehmen aber wird so viel und darüber in Jahresfrist, und je nachdem es rasch gefördert wird, noch viel früher zusammen bringen. Und wer kann voraussehen, wie viel Noth in dem unglücklichen Lande die unberechenbaren Ereignisse noch mehr als bisher im Laufe des bevorstehenden Jahres uns zu lindern geben werden? unter Verhältnissen zu lindern geben werden, unter welchen die Ergebnisse der freiwilligen Sammlungen in ganz anderer Weise für die schleswig-holsteinische Sache Verwendung werden finden müssen!

Wir brauchen mehr Hülfsmittel, als aus den anderen Hülfsquellen bis jetzt herbeizuschaffen waren, wir müssen gewärtigen, daß diese anderen Hülfsquellen im Drang der Ereignisse demnächst eine andere Richtung werden erhalten müssen, während die zu lindernde Noth bis zum vollständigen Siege der guten Sache nicht nur fortbestehen, sondern voraussichtlich sich steigern wird. Warum sollen wir nun die nur zu wohl zu verwendenden Mittel, die auch auf dem hier versuchten Wege geschafft werden können, unbenützt lassen? Nicht darauf kommt es an, daß das Mittel einer Verloosung gewählt ist, auch nicht darauf, wo und bei wem die erst noch zu fertigenden Gegenstände der Verloosung verfertigt werden, und ob die Verfertiger dabei aus reinem Patriotismus handeln, oder ob dieselben, was viel natürlicher und begreiflicher, und im Interesse der Sache sogar viel besser scheint, – lediglich, oder vorzugsweise ihren eigenen geschäftlichen Vortheil, ihre geschäftliche Empfehlung durch die Güte ihrer Leistungen, dabei im Auge haben, – alles das ist für das Unternehmen ganz gleichgültig.

Praktisch wie principiell entscheidend ist nur einerseits: daß auf diesem Wege Viele mittelbar zur Beisteuer angeregt werden, die für den patriotischen Zweck allein bis jetzt nicht in Bewegung zu setzen waren, und andererseits: daß die Bedingungen der Verloosung solid, daß insbesondere die zur Verloosung kommenden Gegenstände wirklich dem planmäßigen Werth entsprechend sind. Ueber diese allein entscheidenden Gesichtspunkte giebt aber der von dem hiesigen Staatsministerium geprüfte und genehmigte Verloosungsplan vollkommen befriedigenden Aufschluß. Zwei Artikel desselben sind hierfür entscheidend. Art. 7 lautet:

„Ein aus achtbaren Bürgern Coburgs bestehendes Comité überwacht die planmäßige Ausführung der Ausspielung und den Loosverkauf und steht dem Staatsministerium gegenüber für die gewissenhafte Durchführung des Spielplans ein.“

Und nach Art. 8 hat dieses Comité „sowohl, unter Zuziehung von Sachverständigen, darüber zu wachen, daß die Gegenstände der Verloosung wirklich den planmäßigen Kaufwerth haben, als dahin Fürsorge zu treffen, daß die für den Loosverkauf eingehenden Gelder sicher deponirt werden, streng planmäßig verwendet, insbesondere daraus nur die nachgewiesenen Kosten der Ausspielungen und die festgesetzten Anschaffungspreise für die Verloosungsgegenstände gezahlt und alle Ueberschüsse und Ersparnisse an den planmäßigen Voranschlägen zum Besten der Schleswig-Holsteiner reservirt und abgewährt werden und die geschehene Abgewährung ihrer Zeit bekannt gemacht werde.“ – Der ganze Reingewinn überhaupt wird nach Schluß der Verloosung einem aus Schleswig-Holsteinern bestehenden Comité zur bestimmungsgemäßen Verwendung ausgezahlt. Das Control-Comité wurde nach Genehmigung des Planes sofort aus nachgenannten hiesigen Bürgern gebildet: dem Bürgermeister und Landtagspräsidenten Oberländer und den Magistrathsräthen: Kaufm. Franz Appel, Banquier Joh. Beyer, Rechtsanwalt Friedr. Köhler und Director von Schauroth.

Unter allen diesen Umständen und durch eigene Wahrnehmung von der Nothwendigkeit und Dringlichkeit den Hülfe überzeugt, hat auch Einsender dieses nicht das mindeste Bedenken getragen, dem Control-Comité seine Mitwirkung zuzusagen und dasselbe zu ersuchen, auch seinen Namen denen der anderen Comitémitglieder beizufügen.

Gegenüber dem in der Gartenlaube enthaltenen Angriff hat Unterzeichneter diese öffentliche Darlegung und Erklärung im Interesse den Sache, zu deren Gunsten es sich handelt, umsomehr für Pflicht gehalten, je langer derselbe bereits für diese Sache thätig ist, und je mehr er Gelegenheit gehabt hat, sich zu überzeugen, daß mit noch so heißen Thränen des Mitgefühls und mit noch so strengen Principien allein keine einzige Thräne des Elends getrocknet wird.

Coburg, den 30. November 1863.

F. Streit,
Mitglied des schleswig-holsteinschen Ausschusses des deutschen Nationalvereins.“




Noch einmal „der mißhandelte Schiller“. Zu der anregenden Notiz, welche in „Blätter und Blüthen“ in Nr. 48 der „Gartenlaube“ gegeben ist, erlauben Sie mir wohl noch einige Illustrationen. Die daselbst citirten Verse aus Don Carlos befinden sich nicht in einer etwa vorhandenen „ersten Handschrift“, sondern in dem (recht selten gewordenen) 1. Heft der „Thalia“, die Schiller im Jahre 1787 zu Mannheim herausgab. In meinem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1863).Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 831. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_831.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2019)