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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Aus jüngstvergangenen Tagen.
Nr. 3. Ein Name für das erste deutsche Kriegsschiff.
(Schluß.)

Preußer war Soldat genug, um mit dem ersten Erscheinen der dänischen Schiffe in der Bucht von Eckernförde vorherzusehen, daß es zum entscheidenden Kampfe kommen werde. Die ganze Nacht hindurch hatte er Alles vorbereitet, um glühende Kugeln so viel als möglich vorräthig zu haben. Sein Entschluß stand fest, dem Vaterlande sich bis zum letzten Athemzuge zu widmen und den Dänen den Hohn, der ihn aus seiner Kriegslaufbahn hinausgetrieben hatte, heimzuzahlen. Jedes Wort, das er im Laufe der Nacht und am Morgen des Kampftages zu seinen Cameraden sprach, war eine Ermuthigung, eine Aufmunterung. Meist waren es kecke Witzworte, beißender Hohn gegen die Dänen, die diese Ermuthigungen würzten. Dann belehrte er seine tapfern Kanoniere, daß es nicht nöthig sei, ohne Nutzen sich bloßzustellen. „Wir werden das Feuer der Kanonen auf den Schiffen sehen, ehe die Kugeln uns nahekommen. So oft wir es sehen, bückt Euch, duckt Euch hinter die Erdwälle; das macht Euch keine Schande, wenn Ihr sonst tapfer aushaltet und gleich wieder an den Kanonen seid, um zu antworten. Immer ruhig, immer lustig, Ihr Jungens; wir wollen den Dänen heiß machen.“

Während die beiden Kriegsschiffe die Nordbatterie beschossen, schickten dieselben nur selten ein paar Kugeln gegen die Südbatterie, die ihrerseits der Entfernung wegen kaum mit großem Erfolge antworten konnte. Der zweistündige Kampf gegen die Nordbatterie gewöhnte aber die Besatzung der Südbatterie wenigstens an das furchtbare Schauspiel, das dieser Kampf bot und das ihnen selbst bevorstand.

Endlich schwieg die Nordbatterie; – endlich rückten die Tod und Verderben drohenden schwimmenden Festungen mit ihren 140 Feuerschlünden langsam über den blauen Spiegel der Bucht auf die Südbatterie zu. „Jungens, jetzt kommt die Reihe an uns! Wir wollen dem Dänen zeigen, mit wem er’s zu thun hat. Geben wir uns Alle das Wort und die Hand darauf, daß wir diese Batterie nicht verlassen, bis der letzte Mann von uns gefallen und die letzte Kugel verschossen ist.“ Sie reichten sich die Hände, als eben die erste Breitseite des Christian VIII. auf sie abgefeuert wurde. Mit einstimmigem „Hurrah!“ antworteten sie.

Dann begann der ungleiche Kampf. Eine Breitseite nach der andern durchwühlte die Erdwälle; immer antworteten die vier Kanonen der Batterie mit wohlgeziellen Schüssen von glühenden Kugeln. Eine nach der andern traf die Wände der Schiffe, daß man in der Batterie das Krachen derselben hörte und die tapfern Holsten jeden glücklichen Schuß mit einem glücklichen Witze in ihrem Plattdeutsch begleiteten. So oft die Breitseiten blitzten, lagen sie alle am Boden; so bald die Kugeln über sie weggesaust, standen sie wieder bei ihren Kanonen.

Nach einem Kampfe von etwa einer Stunde gingen der Batterie die glühenden Kugeln aus; eine derselben aber steckte dem Christian so in den Rippen, daß später sich ihre Wirkung im vollen Maße zeigte. Vorerst aber wurde der Kampf jetzt mit gewöhnlicher Kanonenladung fortgesetzt. Da riß eine dänische Kugel die deutsche Flagge der Batterie nieder. Und derselbe tapfere, besonnene Befehlshaber, der seinen Kanonieren rieth, sich hinter die Wälle zu bücken, wenn der Blitz auf den Schiffen den Kugeln vorhergehe, sprang jetzt auf die Brüstung der Batterie und pflanzte, kalt, ruhig und keck, die deutsche Fahne wieder auf.

Mit einem jubelnden „Hurrah!“ seine Mütze den Dänen zum Gruß schwingend, eilte er in die Batterie zurück und wurde dort mit freudigem Hurrah-Echo empfangen.

Vier volle Stunden dauerte dieser wunderbare Wettkampf, bis endlich nach zwei Uhr Nachmittags die beiden Kriegsschiffe ein Manöver begannen, dem man die Absicht ansah, die Schiffe vor der Batterie zurückzuziehen. Aber jetzt zeigte sich bald, daß dies nicht mehr möglich. In dem festen Vertrauen, daß die Südbatterie ihnen nur so zum Nachtische nach der Nordbatterie dienen werde, hatten die beiden Schiffe sich an eine Stelle gewagt, in deren nächster Nähe eine Sandbank liegt. Bei dem Versuche des Christian VIII., gegen den starken Ostwind lavirend, seine nicht länger geheuere Stellung zu verändern und dem Meere zuzusteuern, war derselbe auf diese Sandbank gerathen, so daß das Steuer den Dienst versagte. Gleichzeitig brach der Rauch aus den Luken des Schiffes hervor. Eine der glühenden Kugeln hatte gezündet und zwar auf einer Stelle, der nicht beizukommen war.

Alles das verdoppelte den Eifer der Besatzung der Südbatterie. Jetzt, wo der Christian festlag, so daß er seine Kanonen nicht einmal mehr auf die Batterie richten konnte, flogen die Kugeln von dieser nur um so lustiger ihm in die Wände, in den Rumpf hinein, über das Deck in die Besatzung, in die Masten und auch in das Takelwerk. Jeder Schuß traf. Da flatterte auf einmal eine weiße Fahne und kletterte geschäftig zur Spitze der Masten aus den Schiffen hinauf! – Der Sieg war errungen.

Wer will die Gefühle beschreiben, die beim Hissen der weißen Flagge auf den beiden Kriegskolossen in den Herzen der Besatzung der Südbatterie, in den Herzen der Bewohner von Eckernförde und der Landbauern der Umgegend aufstiegen, die herzugeströmt waren und von ferne dem Schauspiel mit höchster Seelenspannung zusahen! „Herr Gott, dich loben wir!“ In wie vielen Seelen mag der Gedanke widergeklungen sein, ehe er von Eckernförde bis zu den Alpen ganz Deutschland durchzog. Der Sieg war errungen, aber der Tag noch nicht zu Ende. Die Dänen forderten einen Waffenstillstand zur Unterhandlung. Der wurde gewährt. Bei der dann beginnenden Unterhandlung wollten sie zusagen, daß sie sich, ohne weiter die Stadt zu beschießen, zurückziehen würden, wenn man sie unbelästigt abrücken lasse. Sonst würden sie die Stadt in Grund und Boden zerstören. Die Bürger der Stadt selbst aber erklärten sich bereit, lieber Haus und Gut zu opfern, als schuld zu sein, daß um ihretwillen der Däne aus der Lage entschlüpfe, in die ihn die tapfere Besatzung der Südbatterie hineingetrieben hatte. Ergeben auf Gnade und Ungnade – war die einzige Bedingung, die ihnen gestellt wurde.

„So wollen wir kämpfen,“ – antworteten die Dänen-, die so tapfer sind, wie es die Germanen aller Stämme zu sein pflegen. Und so begann der Kampf von Neuem und bald zu noch größerem Nachtheile der in der That bereits vollkommen Besiegten. Während des Zweikampfes zwischen den Kriegsschiffen und der Nordbatterie war, durch die Kanonenschüsse gerufen, der Herzog Ernst von Coburg-Gotha an der Spitze eines Theiles seiner Brigade, und insbesondere mit der sechsten nassauischen Fußbatterie, auf den Kampfplatz geeilt. Diese Batterie, vier Geschütze, wurde jetzt hinter einer Erdbedeckung gegen das Linienschiff, kaum 400 Schritte von diesem, aufgestellt. Auch die Nordbatterie war wieder mit Schießbedarf versehen worden, so daß, als mit dem Glockenschlage vier der Waffenstillstand verstrichen war, nicht nur die beiden Strandbatterien den Kampf wieder begannen, sondern die Nassauer mit ihren Sechspfündern namentlich das Verdeck der Gefion durch Kartätschen fegten, so daß der Kampf hier sehr bald ein Ende erreichte.

Nun rief der Christian VIII. durch Signale einen Dampfer herbei als letzte Rettung, um ihn aus der Bucht hinanszuschleppen. Aber kaum im Bereiche der Nordbatterie, erhielt der Dampfer mehrere Schüsse in Rad und Maschine, so daß dieser selbst nur im raschen Rückzuge Rettung fand. Von da an kämpften die Dänen nur noch den Verzweiflungskampf um ihre Ehre, und sie kämpften ihn in der Lage, in der sie sich befanden, so ehrenvoll, wie er selten gekämpft wurde. Sie beschossen die Stadt, die Kugeln zerrissen die Häuser, in „Christians Pfeghaus“ – ein Pathenkind des Königs Christian VIII., wie jenes Schiff, das dem Untergange geweiht war – drang eine Kugel durch zwei Mauern, und zerriß eine alte kranke Frau von achtzig Jahren. Sie brachte die Botschaft des Sieges in jene Welt, denn dieses Opfer war eines der letzten des Tages.

Es war dem Befehlshaber des Christian nicht zweifelhaft, daß sein Schiff, von einem Feuer, dem nicht beizukommen war,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_023.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)