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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Dann finden sie auch Dich, Du Held,

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Verwest auf Rußlands blut’gem Feld.

Dein treues Roß war Deiner werth,
Das liegt bei Dir, und auch Dein Schwert.

Zusammen hielten alle Drei,
Der Mann, das Roß, das Schwert dabei.

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So steht ein Held in letzter Noth

Mit Mannestrotz noch vor dem Tod.

Hoch thront des Winters Schreckensbild,
Wenn er durchras’t sein Eisgefild –
Doch höher ragt das Bild vom Mann,

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Der Trotz im Kampf ihm bieten kann.


Ihr deutschen Kämpfer, die ihr wacht
In Wintersturm und starrer Nacht
Jetzt für das meerumschlungne Land,
Sei Gott mit euch im harten Stand!

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Hoch thront der Winter im Gefild,

Doch höher ragt des Mannes Bild,
Der Trotz im Kampf ihm bieten kann!
Sei Gott mit jedem deutschen Mann!

Sei Gott mit euch! Und wenn die Hand

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Des Frühlings hebt den Flor vom Land,

Dann sei der Blumen erste Zier
Der Schmuck für euer Siegspanier!
 Friedrich Hofmann.




Khoja Nasr-il-din Effendi, der türkische Eulenspiegel.

Sammlungen von lehrreichen Fabeln oder unterhaltenden Späßen haben es sich bei vielen Völkern gefallen lassen müssen, eine von der Volksphantasie concret ausgearbeitete Person, einen Eulenspiegel, als Träger zu bekommen, der all das Wunderliche erlebt hat und dem all die Weisheit beinahe unwillkürlich entfahren ist. Im Anfang des Anfangs hat ja der menschliche Geist überhaupt, was er auffaßte, nur als ein Persönliches, wie er selbst ist, aufzufassen vermocht. Nicht blos die Thiere, sondern auch die Pflanzen, ebenso die Berge und Flüsse und Sonne, Mond und Sterne und Donner und Blitz waren ihm Personen. Vom Inhalt aller Mythologie, ja aller Religion zu schweigen, hat man nur an das Geschlecht des Hauptwortes – in allen Sprachen, mit alleiniger Ausnahme der englischen – zu denken, welches beweist, daß nicht die Vorstellung der Person, sondern die Vorstellung der Sache, die keine Person ist, dasjenige ist, welches dem Menschen schwer fiel, zu dem er erst durch Ableitung und Schlußfolgerung kam. Was Wunder also, wenn auch die ersten Bücher, welche vom Volke von vorn bis hinten auswendig gelernt wurden, in der Volksphantasie zu Personen sich umformten. Die ersten Bücher hat Niemand gemacht, es waren alles allmählich entstehende Sammlungen. In jedem Fach gab es nur ein Buch, das noch die ganze Literatur des Faches in sich enthielt. Für solche Sammlung, die wir heute Encyklopädie nennen würden, ist ein alter deutscher Ausdruck: Spiegel. Der Eulen-Spiegel, von dem wir nur die allerletzte Ausgabe, um mich so auszudrücken, besitzen, die Ausgabe, in welcher dem vom Volke hineingelegten persönlichen Elemente Rechnung getragen ist und die eben deswegen allen übrigen das Garaus gemacht hat, ist also die Sammlung aller drolligen Afterweisheit, welche sich im Laufe früherer Jahrhunderte in Deutschland aufgespeichert hatte und welche, unter der Hieroglyphe der Eule, neckisch den weisen Leuten dedicirt war.

Von allen mir bekannten ähnlichen Sammlungen bei andern Nationen ist nun die türkische diejenige, welche am meisten Analogie mit unserem Eulenspiegel bietet. Auch sie hat, und zwar in noch höherem Maße als die unsere, eine bestimmte Person zum Träger bekommen, und genau wie das Eulenspiegelgrab in Mölln in Lauenburg, wird das Grab des Khoja Nasr-il-din Effendi in Skutari gezeigt. Das Grab ist selber eine Eulenspiegelei, denn es hat kein Gitter umher und doch steht eine Thür davor. Wahrscheinlich war das Grab eher da als die Sage von Khoja und ist, durch die Drolligkeit der überflüssigen Thür, selbst die Ursache gewesen, daß die Sage entstanden ist oder sich wenigstens doch an den Namen des unglücklichen Khoja geknüpft hat, dessen Erben vielleicht nur das Geld ausging, um auch das Gitter machen zu lassen, nachdem die Thür mit der Inschrift fertig war. Ich weiß nicht, ob die Sage auch darin dem Grabe folgte, daß sie den Khoja bis in die Zeit des Sultan Bajazet zurückverlegt. Sie giebt seinem Lebenslauf eine bestimmtere Gestalt, als dem unseres Eulenspiegel zu Theil geworden. Er hat studirt, tritt dann als verbummelter Gelehrter auf – wann er seinen Titel Effendi bekommen, bleibt im Unklaren – heirathet, wirtschaftet im kleinen Häuschen mit Garten in Skutari, wird plötzlich fromm und durch Gunst als Koran-Erklärer bei einer Moschee untergebracht. In der Moschee selbst treibt er es aber, wie wir sehen werden, nicht im Geringsten besser, ohne daß dies den Hof verhindert, wohlwollende Notiz von ihm zu nehmen und sich an seinen Späßen zu ergötzen.

Doch nun zu diesen Späßen selbst. Man müßte vor National-Eitelkeit übergeschnappt sein, wollte man behaupten, die Späße unseres Eulenspiegel seien gut. Nur von wenigen Ausnahmen läßt sich das sagen. Die meisten sind einfach kindisch, andere roh, noch andere bis zur Unverständlichkeit verwirrt; es ist klar, daß die Hand des ungebildeten Büchermachers, der viel für’s Geld geben wollte, über der Sammlung gewesen ist, die ursprünglich sehr beschränkter Ausdehnung gewesen sein mag, nur die wenigen eigentlichen Sprüche der Lebensweisheit im lustigen Gewande umfassend, welche unzweifelhaft der älteste und, womit Jeder übereinstimmen wird, auch der beste Theil sind.

Vor allem im wirklichen Witze müssen wir den türkischen Eulenspiegel weitaus über den unseren setzen. Es spielt ein Witz zweifacher Natur in seinen Späßen, bei dem es mich bedünken will, als ob hier ein semitischer, dort wirklich ein tatarischer Urquell der Schnurre sich verrathe, je nachdem der Lachmuskel durch geschicktes Spiel mit der Logik, oder durch überraschende Zusammenstellung des Bildes gereizt wird. Einigemal wird der Witz – nicht zotig – aber doch gemein im Stoffe; eigentliche Lebensweisheit zu predigen, kommt dem Khoja noch viel seltener in den Sinn, als dem Eulenspiegel. Die Form ist stets außerordentlich knapp; auch nicht ein Wort mehr als durchaus nöthig. Es wirkt eben nur der Inhalt, nicht die Form. Daher ist auch genauere Uebertragung, zu der sich außerdem die Verschiedenheit des deutschen und türkischen Sprachgeistes nicht herbeiläßt, nicht nöthig. Es reicht aus, die Schnurren – natürlich nur eine kleine Auswahl aus den siebzig, die vorhanden sind – wiederzuerzählen, wie sie eben aus dem Gedächtniß in die Feder fallen.

Kurz nachdem sich der Khoja verheirathet hat, – natürlich mit einer Xanthippe – begegnet er einem Haufen Sophthi’s, Studenten, seinen ehemaligen Commilitonen; es gelüstet ihn, im neuen Haushalt den Wirth zu spielen, und er schleppt sie mit sich, zur Pillaf-Mahlzeit, in sein Haus. Es läuft aber übel ab. „Wo

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_038.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)