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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Seine Zweifel hatten freilich nicht die Methode der Schule und die Sprache der Wissenschaft; Benedictus hätte darüber gelächelt, aber für den schlichten Mann, der den Pflug besser zu handhaben wußte, als das zweischneidige Wort, waren sie furchtbar, unwiderstehlich, vernichtend. Erst blickt er von sicherer Höhe hinab; da erfaßt ihn Schwindel; der Boden rollt und schwindet unter seinen Füßen; da und dort klammert er sich an den Felsen, aber auch der, den er graniten wähnte, ist morsch und verwittert, Alles wankt und stürzt, pfeilschnell schießt er hinab und sieht sich im Abgrund, wo Finsterniß ihn umfängt, tosende Fluthen über ihm zusammenschlagen und hohnlachende Dämonen ihn von Tiefe zu Tiefe schleudern …

„Was ist Gut und Böse?“ schreit es in ihm. „Wenn die Welt nur ein toller Maskenzug und die Unsterblichkeit ein Märchen wäre? Wenn diese aufgedunsene, grinsende Masse die einzige und letzte Thatsache von Benedictus wäre, Freud’ und Leid, Haß und Liebe, das ganze Leben nur auf Verwesung hinausginge? Wenn ich, der Mörder, gleich den Hunderttausenden, die heilig lebten, nicht mehr vom Jenseits zu fürchten hätte, als das Nichts, und nichts zu erwarten, als den Wurm? … Herr Gott!“ betete er dann und rang die Hände, „verlaß mich nicht! Soll ich nun selber dem Zweifel verfallen, der ich den Zweifler ermordete?“ Er sprang empor und rief laut, halb wahnsinnig vor Aufregung: „Ambros! Ambros!“

Der Blinde erhob sein Haupt.

Der Prior stand jetzt neben dem Sarge und hatte die wildrollenden Augen auf den Alten gerichtet, die Rechte aber auf die Brust des Todten gelegt.

„Ambros,“ keuchte er, „es giebt Schicksale, die kein Gott, sondern die Hölle erdenkt und ausspinnt. Dieser Todte war mein Freund, ich wuchs mit ihm auf, theilte mit ihm die Träume der Jugend und die Sorgen der Armuth. Ich rettete einst sein Leben und that in einer Stunde mit ihm das Ordensgelübde. Sein Wohl und Weh’ waren mein, und er war mein Wohl und Wehe. Wenn er in meine Stube trat, war mir’s, als ginge der Tag auf, und war er krank, wich ich Tag und Nacht nicht von seinem Lager. Beim Allmächtigen, ich liebte ihn wie einen Bruder, und doch, diesen Mann, diesen Bruder hab’ ich – – Ah!“

Er fuhr jählings mit gellem Schrei zurück. Seine Hand hatte die eisige Hand des Todten berührt.

„Vater,“ sagte der Unglückliche, nachdem er wieder Fassung errungen hatte, „Du kannst das Fieber, das mich durchwühlt, nicht begreifen! Dein Blut kreist ruhig, und unsere Leidenschaften versuchen Dich nicht; das Unrecht und die Abgründe des Lebens siehst Du nicht. O, daß ich blind gewesen wäre, gleich Dir!“

Der Greis erhob seine zitternde Hand und sprach, langsam, feierlich: „Ich habe das ewige Licht!“

„Das ewige Licht,“ stammelte Gregor und brach bewußtlos zusammen.

Und still ward es im Gemach, das drei große Räthsel umschloß: die Blindheit, den Tod und die Schuld. Als es Mitternacht schlug, fanden die eintretenden Mönche ihren Prior ohnmächtig über den Leichnam hingestreckt. Sie trugen ihn nach seiner Zelle.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Der Erste überm Rhein. Ein rechter ritterlicher Held war der Kämpe, der noch lange vor den verbündeten Heeren, die in der Neujahrsnacht von 1814 über den Rhein zogen, den Fuß auf den jenseitigen Boden setzte. Aber nicht etwa an der Spitze seines gefürchteten Streifcorps, nein, echt husarenhaft, allein. Er benutzte die erste Nacht nach seiner Ankunft am Rhein zur Ausführung seines Entschlusses. Der bestellte Kahn ist am Ort, das kurze Pfeifchen ist gestopft, es wird Feuer geschlagen, der Schwamm ausgelegt, dann der Deckel zugeklappt und sich im Kahn festgesetzt, die festen Fäuste ergreifen die Ruder, die starken Arme regieren sie gewandt und durch geht es durch die nächtliche Fluth, im rüstigen Kampf mit der Strömung quer hinüber zum andern Ufer. Was suchte, was bezweckte er dort? Welche militärische Vorsorge oder Nothwendigkeit trieb ihn zu dieser nächtlichen Fahrt? Von alledem gar nichts. Und wozu auch das Alles? Ein Husarenstreich ist’s, und das ist genug. Mochten sich dem kecken Waghals aus der nächtlichen Ferne auch allerlei verdächtige Gruppen zeigen, er rauchte beharrlich sein Pfeiflein zu Ende, klopfte den Kopf aus, stopfte von Neuem, schlug wiederum Feuer und legte den Schwamm auf, klappte den Deckel zu, ergriff die Ruder und zwang den Kahn zu dem befreundeten Ufer zurück. Daß jetzt drüben französische Soldaten heraneilten und ihm nachschossen, thut nichts mehr zur Sache, weil unser Mann nicht getroffen worden ist, denn der kecke Husar war kein Andrer als Emanuel Graf v. Mensdorff-Pouilly, der Schwager vom Vater des jetzigen Herzogs Ernst von Coburg, und starb hochgeehrt als Feldmarschalllieutenant und Hofkriegsrathspräsident, 75 Jahre alt, im Jahre 1852 zu Wien.




Für die braven Schleswig-Holsteiner.

Für die braven Schleswig-Holsteiner gingen im Laufe der letzten acht Tage wieder bei mir ein: 61 Thlr. 10 Ngr. C. L. in P–a – 1 Thlr. am Sylvesterabend in Nordhausen bei einer Bowle – 3 Thlr. 15 Ngr. von den Lehrlingen der Firma S. u. C. in D. – 10 fl. aus Weißkirchen in Ungarn und zwar: G. Knöpfler 1 fl., F. Knöpfler 1 fl., A. Klimits 1 fl., C. A. Bandl 1 fl., F. Lang 50 kr., Wastl v. Spritzer 20 kr., A. v. Ulmann 1 fl., Arnsburg 1 fl., C. Böhm 1 fl., F. Feigl 1 fl., Karl Oberläuter 1 fl. 30 kr. – 4 Thlr. 10 Ngr. am Neujahrstage von einer kleinen heitern Gesellschaft bei Otto Behrendt in Strelitz – 12 Thlr. Sylvesterversammlung im Leseverein zu Großenstein im Altenburgischen – 10 Thlr. 10 Sgr., ges. in der Sylvesterfeier der Gesellschaft: „Zur neuen Vereinigung“ in Magdeburg – 3 Thlr. 20 Ngr., ges. in der „Erholung“ in Auerbach – 3 Thlr. 201/2 Ngr., ges. im Gasthof zum braunen Roß in Auerbach – 4 Thlr. 6 Ngr., ges. in einer heitern Gesellschaft aus dem Rathskeller zu Schafstedt, einges. v. Schlegel – 5 Thlr. 15 Ngr. beim Stiftungsfest des Gesangvereins „Eintracht“ in Pillnitz – 2 Thlr. 10 Ngr., ges. im „Vulcan“ in Mittweida – 1 Thlr. Ein Ungenannter – 1 Thlr. „Duldet alles Leid, hofft auf bessere Zeit“ (gut gemeint, aber jedenfalls nicht ermuthigend) – 3 Thlr. 13 Ngr., ges. bei der Weihnachtsbescheerung der Ulbricht’schen Riege in Leipzig – 6 Thlr. 16 Ngr., ges. in der Grun’schen Restauration in Hartha – 5 fl. österr. Gymnasiasten in W. – 1 Thlr. K. in Lichtenfels – 8 Thlr. Ertrag eines vom Männergesangverein „Liederkranz“ in Leipzig veranstalteten Concerts – 4 Thlr. Turnverein in Ernstthal – 4 Thlr. 2 Ngr. bei einem Schlittenfahrts-Concert im Logenhaus Hohenstein-Ernstthal – 2 Thlr. 16 Ngr. von einigen Turnern am Sylvesterabeud in der Lehmann’schen Bierstube (ohne Ortangabe) – 2 Thlr. von einigen jungen Männern in Spremberg – 1 Thlr. M. Tranits in Weimar – 1 Thlr. 1 Ngr., ges. von Hartstein in der Restauration von Holzweißig in Leipzig – 2 Thlr. 17 Ngr. vom Kegelclub „Fröhliche Eintracht“ in Volkmarsdorf – 1 Thlr., Sylvesterabend-Gesellschaft im Schützenhaus zu Frankenstein – 3 Thlr. 15 Ngr., bei einem hundertsten Meßjubiläum, ges. vom Gesangverein H. – 1 Thlr. 20 Ngr. am Sylvester in Zeitz – 2 fl. rh., von einer Neujahrsgesellschaft im Café Krug – 6 Thlr., von Turnern in Rochlitz bei der Sylvesterfeier – 10 Thlr. 15 Ngr. 3 Pf., am Sylvesterabend in der Restauration der Thieme’schen Brauerei in Leipzig, ges. durch Fräulein Jenny Schubert – 8 Thlr. beim Abendessen des Boul-Clubs in Limbach – 1 Thlr. 101/2 Ngr. in einer launigen Sylvestergesellschaft in Meißen – 2 Thlr. 15 Ngr. in einem Concert am 1. Feiertag in Wurzen – 1 Thlr. von D. und B. in Wurzen – 5 Thlr., ges. am Sylvesterabend in Markranstädt – 1 Thlr. H. Brust in Wongrowitz – 5 Thlr. 201/2 Ngr., ges. in Schladitz beim Sylvesterball – 7 Thlr., ges. in der ersten Stunde des Jahres 1864 in der kleinen Funkenburg in Leipzig – 7 Thlr. 25 Ngr. beim Sylvesterkränzchen des Turnvereins in Lommatzsch – 2 Thlr. 131/2 Ngr. bei der Christbescheerung des Gesangvereins Neunzehner in Leipzig – 1 Thlr. 3 Ngr. in einem Schnapsstübchen in Weida – 5 fl. öster. als erste Selbststeuer für Schleswig-Holstein von einem Mecklenburger in Pesth – 1 Thlr. 1 Ngr. von einigen Webern in Meerane – 1 Thlr. von einigen deutschen Jünglingen in Chemnitz – 23 Thlr. 13 Ngr. 3 Pf., Ertrag einer Weihnachts-Verloosung der Casino-Gesellschaft in Schwarzenfels, Kurhessen – 21 Ngr. 5 Pf., ges. in einem kleinen Sängerkreis – 4 Thlr. von einem jungen Patrioten in Altenburg – 1 Thlr. 10 Ngr. 5 Pf. am Sylvesterabend der Gesellschaft Erholung in Neuspitzkunnersdorf – 4 Thlr., Sammlung einiger Turner in Grimma – 2 Thlr. von einem Ungenannten in C. – 6 Thlr. Gesellschaft Thalia in Bautzen – 2 fl. Florentine Jäger in Mühringen – 21 Thlr. 11 Ngr., ges. bei einem Concert auf dem Waldschlößchen in Buchholz, durch Ed. Schick – 34 Thlr. 20 Ngr. von Mitgliedern der Gesellschaft Erholung in Sebnitz – 56 Thlr., Erlös einer im Turnverein zu Wesel veranstalteten Weihnachtsbescheerung – 100 Thlr., Ertrag der Christbescheerung im Turnverein „Vater Jahn“ und einer Selbstbesteuerung in Zeitz. – 170 fl. österr., erster Beitrag des Schleswig-Holsteinschen Comité’s in Hermannstadt mit folgender Zuschrift: „Indem das gefertigte Comité Ihnen, Herr Redacteur, den ersten Betrag der eingeleiteten Sammlungen für Schleswig-Holstein überschickt, geschieht dieses zur Constatirung dessen, daß wir Sachsen – wenn auch ferne jeder Gefühlspolitik – doch ein deutsches Herz und deutschen Sinn besitzen – und trotz der bureaukratischen Experimente der Bach’schen und Uebergangsperiode nicht verknöchert genug geworden sind, um für unsere stammverwandten Brüder nichts anderes, als das Achselzucken des Bedauerns zu haben.

Der mitgesendete Betrag von 170 fl. österr. W. ist gering an sich – als Zeichen unserer Gesinnung aber – wiegt er viel. Sie mögen es erfahren dort im Reich – daß wir trotz allem österreichischen Bewußtsein noch nicht verlernten – daß unsere Väter aus den deutschen Gauen kamen. – Das Unterstützungs-Comité für Schleswig-Holstein in Hermannstadt.“

Ernst Keil. 
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