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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

No. 4.   1864.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. 0Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.




Das ewige Licht.
Von Carl August Heigel.
(Schluß.)

Durch Nebel und Sprühregen glitt am Abend des grünen Donnerstags ein Kahn die Donau hinab. Der Felsdorfer Fährmann saß mit seinem Schwiegersohn Hans am Steuer, zwei Mönche kauerten ihnen gegenüber, und am Boden des Nachens stand ein Sarg. Sie fuhren zum Begräbniß. Fern vom Kloster und in ungeweihte Erde sollte der Mönch versenkt werden, von dessen Tod nur die Wellen wußten.

„Ich kenne Dich kaum wieder,“ sagte Pater Hieronymus zu seinem schweigsamen Gefährten. „Das Unglück kann unserm Prior nicht tiefer zu Herzen gehen, als Dir.“

Memento mori,“ flüsterte der Bruder Kellermeister und sah trübsinnig in’s Spiel der Wellen.

„Seit gestern hab’ ich kein anderes Wort von Dir gehört. Willst Du dem Pater Ambros nacheifern?“

„Ich habe ein Gelübde gethan.“

Zu schweigen?“ fragte ungläubig der Pater. „Freund, Schweigen ist schwer.“

Der Klosterbruder neigte seufzend sein Haupt. „Memento mori,“ sagte er dann.

„Der Trübsal folgt die Freude nach,“ nahm Hieronymus wieder das Wort. „Nach dieser unseligen Charwoche sollen wir wenigstens festliche Ostern haben. Heute Vormittag kam ein Stadtbote zum Prior. Zufällig trat ich in die Pförtnerstube, als er nach seiner Abfertigung ein Frühstück daselbst verzehrte. Den Pflichten der Gastfreundschaft zu genügen, setzte ich mich zu ihm und so, inter pocula, erfuhr ich denn auch, was für eine Nachricht er gebracht hatte. Unser Bischof ist in der Stadt und wird am Ostersonntag das Hochamt in unserer Kirche halten.“

„Der Bischof kommt?“ fragte der Andere hastig.

„Ja, kommt in unser Kloster. Seit Jahr und Tag ist uns solche Ehre nicht widerfahren!“

„Und was sagt der Pater Prior dazu?“

„Was das für eine Frage ist! Aufathmen und jubeln wird er …. Ich gönn’ es ihm nach dem gestrigen Tag. – Habt Ihr auch den Pater Prior hinübergefahren?“ wandte er sich jetzt an die Schiffer.

„Ja, Hochwürden, ich und mein Schwiegersohn,“ antwortete der Alte. „Ich hätte weinen mögen, so traurig und elend sah der hochwürdige Herr aus! – Nicht zu scharf gegen den Wind, Hans! – Mein Schwiegersohn meint, es sei wegen der Freundschaft; ich aber sag’, es ist wegen des Klosters – Mehr links, Hans! – So hat Jeder seinen Kummer. Aber das Wetter wird gut zu den Feiertagen .… Mehr rechts, Hans!“

Nach einer Flußkrümmung zerklüftet sich auf beiden Seiten die pralle Steinwand in einzelne Porphyrrippen und Granitkuppen, Tannen drängen sich dazwischen und brechen aus den Rissen mächtig hervor; auch beginnen breite Erdstriche Wasser und Gestein zu vermitteln.

Einem jener feuergeborenen Recken hat man eine steile Treppe abgerungen, und in bedeutender Höhe, aber noch vom hangenden Felsgipfel überdacht, ward ein Kreuz aufgerichtet, als frommes Wahrzeichen für die vorüberziehenden Schiffe. Vom Fuß der Klippe bis zur Donau ist schwellender Rasen; Farren schießen empor, und Epheu, das Gestein bekleidend, umgrünt auch den geborstenen Eichenstumpf, der, einer Säule gleich, in der Halbrotunde dichtgedrängter Nadelhölzer steht.

An dieser Stelle landete der Kahn. Gemeinsam brachten die Männer den Sarg an’s Ufer und trugen ihn zum Eichenstrunk, wo Erde aufgeworfen und ein Grab bereits gegraben war. Spaten und Stricke lagen daneben.

Durch das abendliche Dunkel zuckte ein Flackerstrahl vom Felsen nieder. „Der Pater Prior und Joseph,“ sagte Hieronymus, und die Untenstehenden sahen zur Höhe empor, wo, vom Felsdach geschützt, eine Fackel entzündet wurde. Ihr unstäter Schein beleuchtete bald den Träger, bald das Kreuz, an dessen Stamm eine zweite Gestalt lehnte. Dann wandelte die rothe Flamme langsam an der aufblinkenden Wand hernieder …

Die Fackel in der Rechten, trat ein Klosterbruder zu den Harrenden, der Prior aber hielt sich, wie es bei derartigen Begräbnissen Ordensregel ist, von der Gruppe noch zurück. Er stellte sich an den Rand des Tannendickichts und verfolgte, die Hand auf’s stürmende Herz pressend, das hastige, unheimliche Thun.

Wie Schatten bewegen sich vor ihm die schwarzgekleideten Gestalten hin und her, bücken sich und arbeiten. Sie sind eilig in ihrem traurigen Werk, aber Gregor dehnen sich die Minuten zur Ewigkeit aus. Das Blut steigt ihm zu Kopf, seine Lippen sind trotz des feinen Regens trocken und brennen ihm, die Hände krampfen sich zusammen; er hat jetzt nur Einen Gedanken: daß irgend ein Ungeheures geschehen wird, wenn jene Männer so lang, so ewig lange zögern. Also eilt! eilt! Endlich ist der Sarg gerichtet; ein Commandowort, und er rollt dumpf hinab … Was sind künftig des Himmels Donner gegen diesen!

Hastig jetzt Erde drauf! Alle greifen zu, schaufeln, scharren und schütten; Gregor wünscht, daß sie den Felsen drüber wälzen könnten! Und nun erst tritt er hinzu, um das übliche Leichengebet zu beten.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_049.jpg&oldid=- (Version vom 22.8.2021)