Seite:Die Gartenlaube (1864) 074.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

dürften, damit sie dem Könige von Frankreich und Anderen bezeugen könnten, daß sie im katholischen Glauben gestorben sei. Die Herren erwiderten hierauf, daß dieses nicht zugelassen werden könne, damit ihr Gemüth durch die Unruhe und den Jammer der Diener nicht beunruhigt oder durch ihren Aberglauben gestört werde. Endlich wurde ihr doch gestattet, daß fünf ihrer Diener und zwei Kammerfrauen bei der Hinrichtung zugegen sein dürften. Die Königin wünschte ein größeres, ihrem Stande angemessenes Gefolge von Kammerfrauen zu erhalten und versprach, für deren Folgsamkeit einzustehen und sich weder durch ihre Thränen, noch Mitleidsbezeigungen stören zu lassen. Sie bat hierauf noch darum, daß allen ihren Dienern und ihrem Hausgesinde beiderlei Geschlechts die Erlaubniß ertheilt werden möge, in ihr Vaterland zurückzukehren, und daß ihnen dasjenige gelassen würde, was sie ihnen geschenkt habe. Die Königin schloß diese Bitte mit den Worten: „Sie, meine Herren, verpflichte ich, dafür zu sorgen, daß dieser mein Wille vollzogen werde.“

Hierauf wurde die Königin durch zwei Diener des Befehlshabers des Castells auf das Blutgerüst geführt, woselbst sie sich, weil sie nicht bequem stehen konnte, niedersetzte. Die beiden Grafen stellten sich zur Seite der Königin, worauf der Secretair Beale mit lauter Stimme den zur Hinrichtung ertheilten Befehl vorlas. Die Königin trug dasselbe Kleid, worin sie auch vor dem Gerichte erschienen war, nämlich von sehr kostbarer schwarzer Seide; in der Hand hielt sie ein Crucifix von Holz oder Knochen, ein goldenes hing an ihrem Halse, und um den Gürtel hatte sie einen Rosenkranz.

Zunächst bei der Königin stand der Dechant von Peterborough, welcher auf Befehl der Grafen sie ermahnte, an Christum zu glauben und christlich zu sterben. Die Königin unterbrach seine Ermahnung, indem sie mit lauter Stimme betete, und befahl, daß er schweigen möge, indem sie hinzufügte, sie sei ganz zum Tode vorbereitet. Als der Dechant ihr erwiderte, er werde Nichts sagen, außer was ihm anbefohlen worden und Wahrheit enthalte, rief die Königin: „Schweige, Dechant, ich will Dich nicht anhören, ich habe Nichts mit Dir zu thun, Du störst mich,“ worauf derselbe fortan schwieg.

Der Graf Kent sagte hierauf zur Königin: „Herrin, ich beklage Deinen Tod deshalb am meisten, weil ich diesen unnützen und abergläubigen Gegenstand in Deinen Händen sehe,“ worauf die Königin ihm entgegnete: „das Bildniß des gekreuzigten Christus geziemt sich für mich, und erinnert mich an den Herrn.“ – Kent erwiderte, man müsse Christum im Herzen tragen, und fügte hinzu (obschon die Königin sich sträubte ihn anzuhören), er wolle, wenngleich sie diese Gnade Gottes verschmähe, für sie beten, daß der Herr ihr ihre Sünden verzeihe, und sie in sein Reich aufnehmen möge. Die Königin sagte hierauf, daß auch sie darum bitte. Der Dechant kniete während dessen an dem Blutgerüste, und hielt mit heller und vernehmbarer Stimme ein eindringliches und den Umständen angemessenes Gebet, indem er für die Wohlfahrt Ihrer Majestät und des Reichs betete, welches Gebet von allen Anwesenden nachgebetet wurde.

Während dieses geschah, sagte die Königin mit sehr lauter Stimme ihr eigenes lateinisches Gebet, wobei sie das Bild des Gekreuzigten in den Händen hielt. Nach Beendigung des Gebets bat der Henker knieend die Königin um ihre Verzeihung, die sie ihm und Allen, welche bisheran nach ihrem Blute getrachtet, liebevoll und mit Freuden ertheilte, gleichwie auch sie wünschte, daß ihr der Herr ihre Sünden verzeihen möge.

Hierauf verrichtete die Königin knieend und sehr bewegt nochmals ein eifriges Gebet um Verzeihung ihrer Sünden und drückte die Hoffnung aus, daß sie durch den Tod Christi und dessen vergossenes Blut die Seligkeit erlangen würde, wie auch sie ihr Blut freiwillig und mit Freuden für den Gekreuzigten zu vergießen bereit sei. Sodann betete sie für das Heil der Königin von England und wünschte ihr eine lange und ruhige Regierung, und daß sie Gott treu dienen möge; sie betete für die ganze Insel und für die sehr bedrängte Lage der Kirche Christi; sie betete ferner für ihren Sohn, den König von Schottland, damit er in Friede und Gerechtigkeit sein Reich verwalte und durch Bekehrung zur römisch-katholischen Kirche zum wahren Glauben gelangen möge. Endlich flehte sie um die Vermittlung aller Heiligen dieses Tages, wünschend, daß Gott durch seine unendliche Gnade seinen Zorn von dieser unglücklichen Insel abwenden, ihr selbst alle Sünden erlassen, und ihre vom Körper getrennte Seele durch die Hände der Engel in den Himmel aufnehmen möge. Nach Beendigung dieses Gebetes stand die Königin auf und bereitete sich zur Hinrichtung, indem sie ihren Schmuck ablegte, und ihre Tunika mit Hülfe ihrer zwei Kammerfrauen auszog. Als einer der Henker hierbei behülflich sein wollte, sagte sie, sie sei bisheran weder gewöhnt gewesen vor einer solchen Menge ihre Kleidung abzulegen, noch die Hülfe solcher Edelleute dabei in Anspruch zu nehmen.

Die Königin legte das äußere Kleid bis zur Mitte der inneren Tunika ab; der so heruntergelassene obere Theil war am Halse tief ausgeschnitten, so daß derselbe rundum entblößt wurde; das Kleid wurde auf dem Rücken mit Schnüren zusammengehalten, welche sie mit großer Eile auflöste, ihre Kammerfrauen küßte und ihnen Lebewohl sagte. Als die Eine derselben laut weinte, sagte die Königin zu ihr: „Schweige, jammere nicht, habe ich nicht für Euch dafür eingestanden, daß Ihr Euren Schmerz nicht laut werden lassen würdet? Ihr müßt heiter sein.“ Sie segnete Beide und befahl jener, das Blutgerüst zu verlassen.

So zum Tode bereitet, wandte sich die Königin zu ihren in der Nähe knieenden Dienern, machte mit ihrer schönen Hand das Zeichen des Kreuzes über dieselben, befahl ihnen Zeuge zu sein, daß sie als Katholikin sterbe, und bat sie zu Gott um Vergebung ihrer Sünden zu beten. Nach dieser Anrede ließ sich die Königin plötzlich auf die Kniee fallen; sie zeigte fortwährend einen großen und unerschütterlichen Muth, gab nicht das geringste Zeichen von Furcht zu erkennen, und wechselte selbst nicht einmal die Farbe. Die zweite Kammerfrau trat hinzu und verband ihr mit einem Schnupftuche die Augen, während die Königin auf den Knieen mit heller Stimme den 27. Psalm betete: „Auf dich, o Gott, habe ich meine Hoffnung gesetzt“ etc. Hierauf beugte sie mit großer Standhaftigkeit ihren Körper vorwärts, legte den Hals auf den Block und rief mit lauter Stimme: „Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ Während der eine Henker nun ihre Hand hielt, führte der andere mit beiden Händen den Streich mit dem Beile, worauf das Haupt fiel und so das Leben entfloh. Als der Henker hierauf den Kopf in die Höhe hob und den Zuschauern zeigte, riefen Alle: „Gott erhalte unsere Königin, so sollen alle Feinde des Wortes Gottes und Ihrer Majestät sterben!“ – Während aber der Henker so den Kopf der Königin in die Höhe hielt, fiel der Kopfputz herab, und man sah, daß das Haupt schon stark greis, und die Haare unlängst bis auf die Haut abgeschnitten waren. Der Henker erhielt Nichts von den Kleidern und dem Schmucke, wohl aber deren Werth an Geld; Alles, was mit dem Blute der Königin besprengt war, wurde sowohl den Henkern, wie allen Anderen abgenommen und sogleich abgewaschen; selbst die Breter des Blutgerüstes, das mit Blut getränkte Tuch und andere damit benetzte Sachen wurden sogleich verbrannt, damit sie nicht dem Aberglauben dienen sollten. Der Körper der Königin wurde in die Burg zurückgetragen, einbalsamirt und zur Beerdigung bereitet, an welchem Orte derselbe aber begraben werden wird, dies ist bis jetzt noch ungewiß. Dem Hausgesinde und den Dienern der Königin wurde befohlen, in der Burg zu bleiben, damit sie, wenn eine feierliche Beerdigung stattfinden sollte, derselben beiwohnen könnten. Die Königin war ungefähr 44 Jahre alt, eine Fürstin von ausgezeichneter Schönheit, sodaß sie alle Frauen ihres Vaterlandes an Schönheit übertraf. Zuerst war sie verheirathet mit Franz II., König von Frankreich; nach dessen Tod mit Lord Darnley, dem Sohne des Grafen Lennox, einem sehr schönen Jüngling, welchen sie tödten ließ. In dieser Ehe wurde der jetzige König von Schottland geboren. Endlich heirathete sie den Grafen Bothwell, welcher in Dänemark gefangen wurde und geisteskrank starb.

Während der Hinrichtung der Königin war die Burg verschlossen und Niemandem der Austritt gestattet, außer dem Heinrich Talbot, dem Sohne des Grafen Shrewsbury, welcher an den Hof gesandt wurde, und am folgenden Tage die Nachricht von dem Tode der Königin von Schottland nach London brachte. Als die Bürger Londons diese Kunde erhielten, freueten sie sich sehr und läuteten mit allen Glocken; sie freueten sich, daß sie von der großen Gefahr, welcher sie so lange ausgesetzt gewesen, endlich befreit waren. Nur allein die Königin von England legte einen großen Seelenschmerz an den Tag, weil die Hinrichtung gegen ihre Erwartung übereilt worden war und sie beschlossen hatte, dieselbe nochmals in reifliche Ueberlegung zu ziehen.

Seit dem Tage der Hinrichtung bis zum 28. Februar 1587,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_074.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)