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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Hier ist die Stellung am leichtesten angreifbar, weil das vorliegende Terrain aus Moorgrund und Wiesen besteht und das gegenüberliegende Terrain hügelig ist. Jetzt ist das ganze Terrain gefroren. Hier ist die Stellung also bei dem gefrorenen Terrain, und weil die Schanzen nicht armirt sind, leicht zu nehmen. Bei Friedrichsberge ist eine Schanze mit vier Geschützen, zwei 18pfündern und zwei 6pfündern. Hier beginnt nun die Schley. Jetzt ist sie gefroren und haltlos. Die nächsten Schanzen sind bei Missunde. Es sind ihrer drei, jede mit acht Geschützen armirt. Bei Missunde ist die leichteste Übergangsstelle über die Schley. Die ganze Schanzenreihe hat bis Schleswig eine Länge von sieben Meilen, von Schleswig bis Missunde dritthalb Meilen. Zu ihrer Besetzung sind wenigstens 2400 Artilleristen nöthig. Es ist gar nicht zu verantworten, daß die Stellung nicht jetzt augenblicklich angegriffen wird. Wie ich Ihnen sage, sie wäre fast ohne Blutverlust zu nehmen.“

„Aber warum armiren die Dänen die Schanzen nicht jetzt vollständig?“ mußte ich doch meinen Begleiter fragen, der sich nach und nach in eine Entrüstung hineingeredet hatte, wie sie mir bei einem Schleswig-Holsteiner noch nicht vorgekommen war.

„Das wäre ein Kunststück,“ rief er, „was selbst die Energie der dänischen Regierung nicht fertig bringen würde. Materiell ist die ganze Vertheidigungslinie noch höchst unvollständig; vor acht Tagen waren die Pulvermagazine noch nicht fertig. Die Dänen werden auch nie im Stande sein, die Linie zu besetzen. Bei der Anlage ist auf Mitwirkung einer schwedischen Armee von 40–50,000 Mann gerechnet. Leider bleibt die Armee nur aus.“

Wir waren wieder bei „Südjütlands-Brückenkopf“ am Jungfernstieg angekommen.

Am Abend wäre ich durch einen Zufall fast den Dänen in die Hände gerathen. Ich war im Begriff, vor Pahl’s Hotel am Paradeplatze in eine Droschke zu steigen, um nach dem Bahnhof zu fahren. Da sprang der Hauptmann von Kolb, der jetzige Besitzer des Gasthofes, der während der Feldzüge eine Compagnie der schleswig-holsteinschen Armee führte, hinzu und rief: „Was Teufel, wo wollen Sie denn hin?“

„Nun, ich will nach Kiel und fahre nach dem Bahnhof,“ entgegnete ich, ganz verwundert über die an dem sonst so ruhigen Hauptmann ungewohnte Hitze.

„Haben Sie denn vergessen, daß die dänische Regierung seit zwei Jahren schon befohlen hat, Sie, sowie Sie sich in den Herzogthümern betreten lassen, zu verhaften und gefangen nach Kopenhagen zu führen? Den Bahnhof haben die Dänen ja noch besetzt. Steigen Sie aus. Ich will Sie nach der Haltestelle in der Stadt fahren.“

Ich ging mit dem braven Hauptmann nach der Haltestelle.

Dort brachten wir noch eine halbe Stunde im Wartezimmer zu, bis der Zug ankam, um mich nach Kiel zu fahren. Das Wartezimmer war voll von Reisenden, mehrere Damen und Bürger aus Rendsburg, hannoversche Officiere und Fremde, welche ebenfalls nach Kiel und Altona wollten. Das „Unglück im Lande“ und „der verlassene Bruderstamm“ in Schleswig gab zu einer Menge leidenschaftlicher Ausbrüche Veranlassung. Am heftigsten traten die Damen auf, welche von den Officieren die Zurückforderung der in der dänischen Armee dienenden Schleswig-Holsteiner und die sofortige Vertreibung der Dänen aus Schleswig verlangten. Alle waren vollkommen miteinander einverstanden. Hätte es an den im Wartezimmer der Eisenbahnstation zu Rendsburg befindlichen Personen gelegen, die Dänen wären noch heute Abend aus den sechs holsteinischen Dörfern zwischen Eider und Sorge geworfen worden.

G. Rasch. 




Ein Maler des rheinischen Dorflebens.
Mit Abbildung.

Zu den talentvollsten der jüngeren Zöglinge der Düsseldorfer Schule gehört unbedingt Friedrich Hiddemann, der Maler des allerliebsten Idylls, das wir unsern Lesern in einem sehr gelungenen Holzschnitte vorführen. Wie Becker, Knaus, Vautier und manche andere hochbegabte Düsseldorfer hat er seinen farbenreichen Pinsel vorzugsweise dem volksthümlichen Genre gewidmet und namentlich das gemüthliche heitere Element desselben vertreten.

Friedrich Hiddemann wurde als der Sohn eines Musikers im Jahre 1829 in Düsseldorf selbst geboren und, trotz seines energischen Widerstrebens, von seinem Vater gezwungen, sich für dessen Lebensberuf vorzubilden. Indeß, wie überall und immer, wo entschiedenes Talent nach einer andern Lebensgestaltung hinweist, so brach sich dieses auch bei Hiddemann durch alle äußeren Hemmnisse und Schwierigkeiten endlich siegreiche Bahn. Nach dem vorbereitenden Zeichnungsunterrichte durch den verstorbenen Maler und Bildhauer Götting sah er sich zu seiner unsäglichen Freude 1848 in die Malclasse der Düsseldorfer Akademie unter Professor Hildebrandt aufgenommen. Zwei Jahre später schloß er sich den Schülern Schadow’s an, um als solcher vier Jahre lang der Akademie anzugehören.

Allein das war nicht die Kunstrichtung, die seinem Naturell und der Art seiner Begabung entsprach, und so fielen seine ersten malerischen Versuche nach historischen Motiven keineswegs hoffnungweckend aus. Endlich aber fand er das Feld, das ihm zusagte, und nun errang er sich Erfolg auf Erfolg, so daß er schon heute unter den Ersten seines Kunstgebietes genannt wird.

Seine Bilder, die sich immer rasch verkauften und durch ganz Deutschland und bis nach Frankreich hinüber verbreiteten, sind bereits ziemlich zahlreich, so daß wir hier nur einiger der bedeutendsten gedenken wollen. Es sind dies vor Allem: der Sonntagmorgen, – Schwarzwälder Bauern stehen, liegen und sitzen vor der überfüllten Kirche und hören in den mannigfaltigsten pittoresken Gruppen und Stellungen die Predigt mit an; die Dorfschule der guten alten Zeit, – ein Blatt voll köstlichen Humors. Der Lehrer, der zugleich ehrsamer Korbmacher ist, sitzt eingeschlafen bei seinem Flechtwerk, während die liebe Jugend den glücklichen Moment zu allerhand ergötzlichem Unfuge nach besten Kräften ausbeutet; und der Confirmationsrock, – einem ungeschickten und mit drolliger Verblüffung dreinschauenden Bauernjungen wird vom Schneider der Confirmationsrock angepaßt, in dem sich der arme Bube ganz verliert. Die Frau Mama ist über das schlechte Augenmaß des unglücklichen dörflichen Kleiderkünstlers außer sich vor Aerger, der Großpapa aber sieht der wichtigen Procedur in tiefster Seelenruhe zu, und die kleineren Geschwister machen Mienen der komischsten Spannung.

Die Kegelbahn gehört zu den neuesten Arbeiten des fleißigen Künstlers, sie ist erst 1860 vollendet worden, und der Leser kann sich mit eigenen Augen überzeugen, wie reizend der gemüthliche Vorwurf behandelt ist. Wir nannten das Bild ein Idyll, und dies ist’s in der That, eine anheimelnde Sonntagsnachmittagsidylle mit dem ganzen Frieden und genügsamen Behagen, das unsere Phantasie mit ihr verbindet. Wir befinden uns im Baumgarten eines alterthümlichen rheinischen Wirthshauses; im Hintergründe ragt der Spitzthurm der Kirche herein. Wie verschieden und ausdrucksvoll sind nun die einzelnen Gruppen und Gestalten, die uns in diesem einfachen Rahmen entgegentreten! Der Sohn des reichsten Bauern, mit stattlichem Pelzpardel geschmückt, ist eben auf die Bahn getreten, kunstgemäß und bedächtig hat er die Kugel in die richtige Lage gedreht und mißt nun mit prüfendem Blicke das Ziel, ehe er seinen Wurf thut. Ihm zur Seite steht ein alter Bauer mit listigem Gesichte, der, auch bereits die Kugel in der Hand, dem jungen Kegler seine Rathschläge zu geben scheint. Alle Augen aber sind auf diesen letztern geheftet. Selbst der Herr Pfarrer, so recht ein Bild innerer Heiterkeit, jedenfalls noch einer aus der alten freisinnigen Schule, wendet den Blick nicht von der Scene, während neben ihm der Schulze oder ein anderer der Dorfmagnaten ihm die Wichtigkeit des Momentes mit bedeutsamen Mienen kunstgerecht auseinandersetzt. Und wie trefflich ist das Gemisch von Spannung und Neid ausgedrückt, das sich auf dem Antlitz des bei seinem Schoppen auf der Bank sitzenden Bauern ausprägt! Die Verlegenheit endlich des Anschreibers, der mit seinen Zahlen nicht in’s Reine zu kommen scheint, hat etwas Urkomisches! Mit einem Worte, das Ganze giebt trefflich die Stimmung der Scene wieder: Bewegung in der Ruhe. Das Bild fand denn auch allgemeine Bewunderung, ist aber leider ebenfalls nicht im deutschen Vaterlande geblieben, sondern nach Paris verkauft worden.

Im Leben ist unser junger Künstler die Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit selbst und erfreut sich in den Künstlerkreisen seiner Vaterstadt, und wo er sonst gekannt wird, der allgemeinsten Achtung.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_078.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)