Seite:Die Gartenlaube (1864) 107.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

lag daran, ob man auch in aller Welt erfuhr, was in Holstein jedes Kind wußte – hier blieb vorerst nur Eins zu thun: noch einmal feierlich zu erklären, daß Schleswig-Holstein Alles für sein gutes Recht daran zu setzen bereit sei, und dann die Dinge gehen zu lassen, wie sie wollten. Es war ein mit furchtbarer Eindringlichkeit geführter Appel an die Hülfe Deutschlands, als er uns erzählte, was für Schritte unmittelbar nach dem Einrücken der Bundestruppen in Holstein geschehen würden, und mich überlief es eiskalt, wenn ich mir die ganze Fürchterlichkeit einer Lage vorstellte, die sogar ein solches Preisgeben aller Pläne rechtfertigte. Hier sprach wirklich nicht mehr ein einzelner Mann: hier sprach die Sache selbst.

Ich bin zu Ende. Ein paar von unseren Besten habe ich zeichnen wollen; möge das, was ich ohne Gunst und Mißgunst über sie gesagt, im Gedächtniß unseres Volkes haften. Seit wir in Frankfurt versammelt waren, sind die Dinge zu einer weiteren Höhe gestiegen, daß es sich schon nicht mehr um Schleswig-Holstein, daß es sich bereits um Deutschland handelt. In solcher Zeit wird es um so nöthiger sein, daß das Volk in den Männern seine Führer kennen kann, durch deren Thätigkeit mit die Entscheidung so rasch gezeitigt worden ist. Ob auch wir selbst reif genug geworden für diese Entscheidung, davon gilt es vielleicht schon sehr bald die Probe abzulegen. Wir kennen jetzt die Folgen unserer früheren Fehler. Hüten wir uns davor, sie noch einmal zu wiederholen, es möchte sonst ein Bußtag über uns kommen, an dem unsere Kinder und Kindeskinder noch zu trauern hätten! Lange genug haben in Deutschland zwei schlimme Worte ihr Spiel getrieben, die Worte „Großdeutsch“ und „Kleindeutsch“, und selbst in Frankfurt haben sie sich noch einmal in widerwärtiger Weise hervorgedrängt. Vergessen wir diese unheilvolle Worte für alle Zeit und hören wir wenigstens in der letzten Stunde auf, in wahnwitziger Verblendung uns unter einander anzufeinden. Deutschland wird und kann nichts anderes als unser großes Vaterland werden, wenn wir selbst nur in voller Einmüthigkeit ihm jetzt hinweg helfen über die Gefahren, die noch mehr als seiner Ehre, die seinem politischen Fortbestand den Untergang drohen.




Die Schmarotzer des Menschen.
2. Die Trichine.

Krankheiten verhüten ist leichter, als Krankheiten curiren, und dahin muß es unsere Erziehung, zumal in der Schule, durchaus noch bringen, daß der Mensch seinen Körper und Alles, was diesem nützt und schadet, ordentlich kennen lernt. Er würde dadurch freilich weniger abergläubisch, aber noch lange nicht das werden, was sich Viele, weil sie auch nicht die geringste Kenntniß von den göttlichen Naturgesetzen haben, unter einem „Materialisten“ denken: einen Menschen nämlich, der seines Nichtglaubens wegen aller Moral bar und zu allen Schandthaten fähig ist. Im Gegentheil, die Kenntniß unseres Körpers kommt stets auch unserem Geiste (dem Verstande, Gemüthe und Willen) zu gute und lehrt diesen die Wege, auf welchen er in seinem, sowie in seiner Mitmenschen und Nachkommen Interesse, seiner Vollkommenheit immer mehr zugeführt werden kann. Die Naturwissenschaften sind es aber, durch welche wir vorzugsweise dieses Ziel zu erreichen im Stande sind. Also vor allen Dingen verschließe Deine Sinne diesen Wissenschaften nicht und wolle, so lange Du noch keine richtige Einsicht in Gottes schöne Natur hast, Deinen unverständigen Aberglauben nicht dem Wissen entgegensetzen.

Unter den Schädlichkeiten, welche den Menschen von außen bedrohen, haben unter den Laien bis jetzt die pflanzlichen und thierischen Schmarotzer (Parasiten; s. Gartenlaube 1857. Nr. 1) nur wenig Aufmerksamkeit und Angst erregt. Erst neuerlich ist es einem (der Wissenschaft schon seit dem Jahre 1832 bekannten) kleinen Würmchen gelungen, die Aerzte wie die Laien in Aufregung zu versetzen. Der berühmte Zoolog Owen nannte (im Jahre 1835) dieses durchsichtige, 1/2 bis 11/2 Linien große Würmchen, weil es haarfein und spiralförmig aufgerollt zu sein pflegt, Trichina spiralis (spiralförmiger Haarwurm), und von da an bis in die neuere Zeit (1860) betrachtete man dasselbe bei Leicheneröffnungen, – wo man die Trichine von einer weißlichen Kalkkapsel umhüllt, in Gestalt äußerst kleiner, weißer Pünktchen im Muskelgewebe (s. Fig. III) sehr häufig und zwar mit bloßem Auge beobachtete, – als ein unschädliches Thierchen und deshalb mit großer Gleichgültigkeit. Daß dasselbe schon öfter die Ursache von schweren, ja sogar von tödtlichen Krankheitszuständen abgegeben hatte, welche dem Arzte, besonders wenn gleichzeitig mehrere Personen davon befallen wurden, wie Vergiftungen vorgekommen und übrigens ganz unerklärlich geblieben waren, davon hatte man keine Ahnung. Erst als im Jahre 1860 im Dresdener Stadtkrankenhause die Magd eines Fleischers unter sehr auffälligen heftigen Muskelschmerzen starb und in der Leiche das Muskelgewebe unter dem Mikroskope mit Trichinen durchsäet gefunden wurde, die aber von keiner weißlichen Kalkkapsel umgeben und also auch nicht mit unbewaffnetem Auge zu erkennen waren, da erst wurde von verschiedenen Seiten nach dem Lebenslaufe der Trichine geforscht.

Und diese Forschungen ergaben denn zunächst, daß die Trichinen im Schweinefleische (aber nur im wirklichen Fleische oder sogen. Magern, nicht im Specke und in der Leber) in unsern Verdauungsapparat eingeführt werden und zwar entweder eingekapselt oder ohne jene Kalkkapsel, und daß diese Kapsel im Magen oder Darme sehr bald zerstört und so das eingeschlossene Würmchen frei wird. Die im Schweinefleische nun in den Verdauungsapparat des Menschen eingeführten Trichinen wachsen hier zunächst (in etwa 3 Tagen) um das Doppelte ihrer ursprünglichen Länge und ändern auch sehr bald ihr Ansehen, denn während man an ihnen vorher von Geschlechtsorganen keine (oder nur wenig) Spur entdecken konnte, werden sie jetzt (am 4. oder 5. Tage) zu ganz deutlich erkennbaren Weibchen und Männchen (s. Fig. IV. und V.), welche sehr fruchtbare Ehen eingehen, denn ein Weibchen bringt in kurzer Zeit Hunderte von lebendigen Jungen zur Welt. Diese neugeborenen jungen Trichinen gleichen aber nicht etwa ihren Erzeugern, denn abgesehen von ihrer Kleinheit besitzen sie auch keine Geschlechtsorgane, wohl aber sind sie den mit dem Schweinefleische genossenen, noch geschlechtslosen Trichinen ähnlich. Auch bleiben diese jungen, geschlechtslosen Trichinen nicht wie ihre Eltern im häuslichen Darme, sondern begeben sich sofort auf die Reise, indem sie die Darmwand durchbohren und im Fleische, aber nur derjenigen Muskeln, welche wir nach unserer Willkür bewegen können, so lange fortwandern, bis sie in den feinsten Fäserchen des Muskelgewebes eine passende Stelle zu ihrer Einkapselung gefunden haben. Auf der Wanderschaft nach dieser Stelle hin sind diese jungen geschlechtslosen Würmchen nicht mit bloßem Auge, sondern nur durch das Mikroskop zu entdecken; auch wandern sie in Gestalt gestreckter oder nur wenig gekrümmter Fädchen. Erst wenn sie an der Einkapselungsstelle angekommen sind, fangen sie an sich mannigfach zu krümmen, die Fleischfäserchen auseinander zu drängen und sich nun in ihrem spindelförmigen Neste (Wurmröhre) wie eine Uhrfeder spiralförmig aufzurollen. Nach und nach wird die Wand des Nestes, welche anfangs noch weich und durchsichtig ist, durch Ablagerung kleiner Kalkkörnchen zu einer harten, undurchsichtigen, weißlichen, festen Schale, und diese ist nun (wenigstens im frischen Fleische) mit bloßem Auge zu sehen; sie bildet jene feinen weißen Pünktchen im Fleische (s. Fig. III.). Auf diese Weise lebt jetzt die Trichine in einer vollständig geschlossenen, nicht selten mit Fett umgebenen, citronenförmigen Kapsel und ist dem Muskel ganz unschädlich geworden. Sie scheint in diesem festen Kerker viele Jahre fortleben zu können, und will es das Schicksal, daß ein Stück dieses trichinenhaltigen Menschenfleisches zufällig in den Darm eines Thieres gelangt, so lösen sich hier die Kalkkapseln auf, und die freigewordenen, jetzt noch geschlechtslosen Trichinen werden nun zu Männchen und Weibchen, und zeugen Junge, die es gerade wieder so machen, wie ihre Vorfahren. Wie im Menschen, so geht natürlich auch im Schweine, welches trichinenhaltige Nahrung fraß, die Verwandelung, Zeugung, Wanderung und Einkapselung der Trichinen ganz auf dieselbe Weise vor sich.

Hiernach kann man also im menschliches und thierischen (vorzugsweise Schweine-) Körper von der Trichinengesellschaft antreffen:

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_107.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)