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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

plumper als das Weibchen, rollt sich auch weniger leicht als dieses zusammen und hat an seinem Hintern ebenfalls abgerundeten Ende (b) zwei klappenartige Hervorragungen. In seinem Innern zeigt sich der Samenapparat. – Die neugebornen geschlechtslosen Trichinen sind nur bei starker Vergrößerung als äußerst feine, fadenartige Würmchen zu erkennen. Sie sind es, welche, nachdem sie die Darmwand durchbohrt und das Zellgewebe der Bauch- und Brusthöhle durchwandert haben, in die Muskeln eindringen, um sich einen Ort zu ihrer Einkapselung zu suchen. – Die wandernden Muskeltrichinen (s. Fig. I.) wachsen während ihrer Wanderschaft im Fleische, von dem sie tüchtig zehren, und nehmen erst dann ihre spiralförmige Haltung an, wenn sie sich einkapseln. Im Laufe weniger Wochen wachsen diese Muskeltrichinen sehr bedeutend, aber da sie keine Geschlechtsorgane haben, so vermehren sie sich natürlich nicht. – Die eingekapselte Trichine soll in ihrer Kapsel mehrere Jahrzehende leben können, während ihre Eltern im Darme schon nach Ablauf einiger (6–8) Wochen untergehen.

Daß die Trichinen dem Menschen Beschwerden und Gefahr bringen, ist nicht wegzuleugnen. Jedoch ist dies nur dann der Fall, wenn sie in sehr großer Anzahl den Darm und die Muskeln heimsuchen. Freilich können schon durch wenige Bissen sehr trichinenreichen Schweinefleisches so viele Trichinen-Väter und -Mütter sich im Darme entwickeln, daß diese bei ihrer großen Fruchtbarkeit schon nach wenigen Tagen Millionen junger Fleischfresser in unsere Muskeln zu schicken im Stande sind. Je mehr also von trichinigem Fleische genossen wird, je mehr Trichinen überhaupt in unsern Verdauungsapparat eingeführt werden, und je länger diese daselbst verweilen und sich vermehren können, um so mehr muß sich natürlich auch das Leiden und die Gefahr steigern. Die durch die Trichinen erzeugten Beschwerden betreffen den Magen, den Darm und die Muskeln und sollen dem Leser, – der gewöhnlich aus einer Krankheitsbeschreibung eine einzige Krankheitserscheinung herausnimmt und sich dann, wenn er diese an seinem Körper zu bemerken glaubt, die ganze Krankheit zu haben einbildet, – nicht ausführlicher mitgetheilt werden, weil’s ihm übrigens auch nichts nützt und Heilmittel gegen die Trichinenkrankheit nicht existiren. Sprechen wir also lieber von den Vorsichtsmaßregeln, durch die man sich vor der Gefahr schützen kann.

Schweinernes schmeckt denn doch zu gut, um als oberste Vorsichtsmaßregel die hinzustellen: man esse überhaupt keine Speise, die vom Schweine kommt. Nein, man esse dieses Fleisch, aber so zubereitet, daß, wenn selbst zahlreiche Trichinen darin verborgen wären, doch kein Nachtheil aus diesem Genusse hervorginge. Die richtige Zubereitung besteht nun darin, daß das Schweinefleisch (Cotelettes, Frankfurter, Röst- und Bratwürste, Wurstfleisch) gehörig durch und durch gekocht, gebraten oder geröstet wird. Denn die länger einwirkende Siedehitze macht die Trichinen ganz sicher todt. Rohes Schweinefleisch genieße man nie und halbrohes Schweinefleisch, wie es sich nicht selten in schnellgeräucherten Schinken, schlechtgeräucherten Knack- und Cervelatwürsten, in schwach gepökeltem und nur halb gahr gekochtem (gewelltem) Wurstfleische vorfindet, genieße man mit der Vorsicht, daß man dieselben mikroskopisch untersucht oder untersuchen läßt, wenn man nämlich den Schinken und das Pökelfleisch nicht tüchtig kochen oder braten will. Und warum soll nicht jeder Mensch, wenn er’s nur halbwegs kann, sich seinen Schinken und seine Wurst mikroskopisch selbst untersuchen? Ich würde es den Trichinen Dank wissen, wenn sie die Veranlassung dazu gegeben hätten, daß die gnädigen Frauen und Fräulein im Hause, wenn auch anfangs nur minutenlang, vor einem Wirthschaftsmikroskope und nicht mehr stundenlang vor der Toilette oder beim Romanlesen anzutreffen wären. Sicherlich würde sich dann sehr bald auch mehr Neigung für reelles, naturwissenschaftliches Wissen, vielleicht auch bei den Herren Hausvätern, einstellen und die Massen widriger Suchten und Aberglauben vertreiben, welche die Menschen an ihrer Veredlung hindern. – Ein sehr empfehlenswerthes, äußerst praktisches und billiges (nur wenige Thaler kostendes) Taschenmikroskop für das Haus mit den nöthigen Instrumenten, Anweisungen und sogar Trichinenpräparaten, verfertigt, nach der Idee des Dr. Pfeiffer in Jena, der Mechanikus Zeiß daselbst. Mit einem solchen Mikroskope brauchte die Hausfrau aber nicht blos auf die Trichinenjagd zu gehen, sie könnte sich auch noch über viele andere Wirthschaftsereignisse Aufklärung verschaffen, z. B. ob ein Stoff wirklich, aus reinem Leinen, Wolle, Baumwolle oder Seide besteht oder mit diesen oder jenen Stoffen untermischt ist u. s. f. Doch davon später ausführlicher (s. Gartenl. 1854 Nr. 33 u. 37).

Daß die ganze unheimliche Trichinerei über kurz oder lang ihr Ende finden wird, ist sehr wahrscheinlich, wenn man nur erst dahintergekommen sein wird, wie die Trichine in das Schwein gelangt, denn hinein muß sie geschafft werden. Zur Zeit ist das aber noch nicht aufgeklärt. Jedenfalls muß sich vorläufig das Schwein weniger schweinisch benehmen dürfen und bei reiner Stallfütterung recht rein gehalten werden. Im Ganzen kommt es übrigens zum Glück nur selten vor, daß man ein trichiniges Schwein ertappt. Doch darf das die Menschen nicht so sicher machen, daß sie die Vorsicht gegen Schweinefleisch und besonders gegen Geräuchertes ganz aus den Augen setzten, zumal da auch bei großer Vorsicht von Seiten der Viehzüchter und Fleischer die Trichinenkrankheit, welche beim Menschen sehr charakteristisch erscheint, beim lebenden Schweine nicht sicher zu erkennen und also die Uebertragung von einem Schweine auf das andere nicht zu verhindern ist. Man müßte denn, wie dies bei trichinenkranken Menschen vorgenommen wurde, dem verdächtigen Schweine ein Stückchen Fleisch ausschneiden und mikroskopisch untersuchen. Das todte Schwein sollte aber einer sorgfältigen Fleischschau niemals entzogen werden. Dabei ist aber stets zu bedenken, daß die nicht eingekapselten Trichinen nur mit Hülfe des Mikroskopen zu entdecken sind und daß nur die Kalkkapseln als weißliche Pünktchen mit bloßem Auge wahrgenommen werden können. Dieses Wahrnehmen ist aber auch nur im frischen Fleische möglich, nicht aber im geräucherten, gepökelten und gekochten. Es ist ferner zu berücksichtigen, daß beim Fleischer in der Regel auf einem und demselben Klotze und mit einem und demselben Beile oder Messer die verschiedenen Fleischarten hintereinander zerlegt werden und daß hierbei sehr leicht auch anderes Fleisch durch Beimischung trichinigen Schweinefleisches schädlich werden könnte. Darum ist’s räthlich, das Schweinefleisch abgesondert von den andern Fleischarten auf eigenen Klötzen mit besonderen Messern und Beilen zu behandeln und diese Utensilien stets sehr rein zu halten.

Neuere Versuche haben noch dargethan, daß durch längeres Einsalzen des Fleisches und durch 24 stündige heiße Räucherung (nicht aber durch dreitägige kalte Räucherung) die Trichinen getödtet werden und daß auch ein längeres Aufbewahren kalt geräucherter Wurst das Leben derselben zu zerstören scheint. – Trotz der beruhigenden Aufklärungen nun, welche uns bis jetzt (durch Leuckart, Virchow, Herbst, Küchenmeister, Zenker, Fiedler u. A.) über die Trichinen geworden sind, ziehe man gegen diese Schmarotzer doch immerfort mit ordentlichem Kochen, Braten und Räuchern des Schweinernen zu Felde und bedenke, daß Krankheiten zu verhüten leichter ist, als sie zu heilen.

Schließlich lasse man sich aber auch noch sagen, daß schon Newton prophezeit hat: das Mikroskop werde einst auf dem Tische jedes gebildeten Menschen stehen; denn Wissen ist Macht. Das Mikroskop ist das gewaltigste Civilisations-Instrument, welches ebenso dem menschlichen Geiste, wie dem praktischen Leben große Vortheile und Genüsse zu schaffen im Stande ist (s. Gartenl. 1854 Nr. 1).

Bock. 




Die unbarmherzigen Barmherzigen.
Von dem ehemaligen Hospital- und Invalidenhaus-Pfarrer Biron in Mainz.

Seit einigen Jahren hat das Mainzer Invalidenhaus durch außergewöhnliche Ereignisse eine fast allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Vieles ist über diese Anstalt und über ihre Geheimnisse in’s Publicum gedrungen, mit besonderer Mühe hat Warburg, ein früherer Insasse dieser Anstalt, sie beschrieben. Allein auch andererseits hat man nicht geschwiegen. Auf jede öffentliche Anklage folgte sofort eine kecke Vertheidigung von Seiten der ultramontanen Partei, und der „Nürnberger Anzeiger“, der sich des Invalidenhauses mit besonderer Vorliebe angenommen hatte, wurde in mehreren Preßprocessen verurtheilt und schließlich im Großherzogthum Hessen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_109.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)