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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

den Körper mit einer Art vornehmer Nonchalance zurückgelehnt; während Meier, an der anderen Seite des zwischen Beiden befindlichen kleinen Tisches sitzend, sich oftmals eifrig zu dem Ohre seines Gesellschafters bog und in einer lebhaften Auseinandersetzung begriffen zu sein schien. Trotz Meier’s Rede aber war keine Aenderung in der Haltung oder in dem ruhigen Gesichtsausdrucke des jungen Mannes zu entdecken; langsam blies er den Rauch seiner Cigarre von sich und griff nach dem an seiner Seite stehenden Weinglase, bedächtig einen kleinen Schluck des Inhaltes hinabschlürfend, und nur ein zeitweises leichtes Kopfneigen bewies seine Theilnahme an den in sein Ohr fallenden Worten.

Gruber wußte, daß er Den, welchen er suchte, vor sich hatte, und war sich mit dem ersten Blicke auf ihn instinctmäßig klar geworden, daß sich in dieser Erscheinung Reichthum, Stellung und Aeußeres, kurz Alles vereinige, was einem jungen Manne Bedeutung verleihen konnte. Damit aber hatte sich auch plötzlich etwas wie das Bewußtsein des eigenen Werthes in ihm geregt, der kein ihm unthätig zugeflogener, sondern ein aus eigener Kraft erworbener war; indessen gingen alle seine weiteren Gedanken in der Verwunderung über Meier’s Anwesenheit unter, die alle seine bisherigen Voraussetzungen über den Abgang desselben aus dem Geschäfte umstießen. Er meinte einen Ausdruck von ausgeprägt hämischer Genugthuung um die sich bewegenden Lippen des Buchhalters spielen zu sehen, und damit trat auch Willmann’s Aeußerung, daß mit dem Fremden wohl kein guter Engel in’s Haus kommen werde, wieder in sein Gedächtniß. Einer unwiderstehlichen Regung, diese geheimen Mittheilungen zu unterbrechen, folgend, erhob er sich plötzlich und schritt auf das Paar los, ohne daß Einer desselben seine Annäherung zu beachten schien, bis er in unmittelbarer Nähe stand.

„Herr Meier, dies ist jedenfalls Herr Maçon; wollen Sie nicht die Güte haben, mich ihm vorzustellen?“ sagte er. Der Angeredete schrak von der plötzlichen Anrede zusammen und starrte den Sprecher mit ungewissem Blicke an.

„Darf ich nicht bitten, Herr Meier, mich dem Herrn Maçon vorzustellen?“ wiederholte Gruber. „Ich weiß, daß er morgen der Gast unseres Hauses sein wird, und ich möchte die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, schon vorher eine so interessante Bekanntschaft zu machen.“

Der Fremde schien seiner Miene nach kaum ein Wort des Gesprochenen vernommen zu haben. Als aber Meier jetzt mit einem halben Blicke nach seinem Gesellschafter und einem leichten höhnischen Zucken in seinen Mundwinkeln erwiderte: „Ich weiß kaum, ob es dem Herrn angenehm sein wird, sich in unserm augenblicklichen Gespräche unterbrochen zu sehen!“ sprang der Fremde rasch auf und fragte den vor ihm Stehenden musternd: „Mit wem habe ich die Ehre –?“

„Ich heiße Gruber und bin Prokurist des Hauses Hellmuth und Compagnie,“ erwiderte dieser mit einer leichten höflichen Kopfneigung, „indessen folgte ich nur einem augenblicklichen Wunsche und glaubte nicht zu stören –“

„Bitte, Herr Gruber, Sie sind mir höchst willkommen!“ erwiderte der Andere eifrig, als der junge Kaufmann eine Bewegung zum Zurücktreten machte. „Unser Gespräch war ein durchaus nur gelegentliches, und ich hoffe, Sie setzen sich zu uns! – Kellner, noch ein Glas!“ rief er, als der junge Geschäftsmann nach dem von Jenem rasch herbeigezogenen Stuhle griff. „Darf ich mir denn wohl aber die Frage erlauben, was Sie über meine Persönlichkeit so sicher gemacht hat, da wir doch schwerlich schon einander begegnet sind?“ setzte er sich niederlassend hinzu, während unter dem Lächeln sein Auge sich schärfte und Gruber’s Züge durchdringen zu wollen schien.

„Herr Hellmuth ist jedenfalls von Ihrer Persönlichkeit unterrichtet,“ erwiderte der Letztere, mit seinen großen, offenen Augen ruhig den Blick des Andern aushaltend, „wenigstens konnte ich nach den von ihm hingeworfenen wenigen Worten keinen Augenblick über Ihren Namen in Zweifel sein, als ich Sie hier im Gespräche mit Herrn Meier sitzen sah.“

„Ah, Herr Hellmuth hatte bereits Nachricht über mich erhalten!“ versetzte der Fremde, die Augenbrauen leicht in die Höhe ziehend.

„Darf ich mir noch ein letztes nöthiges Wort erlauben, Herr Maçon?“ unterbrach ihn Meier mit einer Art von Hast, „ich werde dann die Herren allein lassen müssen!“ Der Angeredete aber schien jetzt seine ganze Aufmerksamkeit dem von dem Kellner gebrachten Weinglase und dessen Füllen zuzuwenden. „Bitte, Herr Meier, was wir zu reden haben, eilt ja nicht so,“ sagte er gleichmüthig; „ich freue mich augenblicklich, daß mir der Zufall eine so angenehme Bekanntschaft aus dem Hellmuth’schen Hause zugeführt hat! – Lassen Sie uns auf eine gedeihliche Fortsetzung derselben anstoßen, Herr Gruber!“

Das leichte, sichere Wesen des Fremden sprach Gruber wunderbar an, und wäre nicht die drückende Unklarheit über die Zwecke, welche den Fremden hierher geführt, in ihm gewesen, so hätte er ihm mit voller Herzlichkeit entgegenkommen können. „Auf eine gedeihliche weitere Bekanntschaft!“ wiederholte er, mit dem gebotenen Glase zusammenklingend.

Meier hatte währenddem wie unsicher über sein eigenes Verhalten dagestanden. „So will ich auch nicht weiter stören, da mich andere Geschäfte rufen,“ sagte er jetzt mit steifem Gesichte. „Sollten Sie mich weiter zu sprechen wünschen, Herr Maçon, so wissen Sie, wo ich zu finden bin!“

Der Fremde verneigte sich nur mit einem leichten: „Bis auf Weiteres denn, Herr Meier! Ich gestehe Ihnen, Herr Gruber,“ fuhr er fort, nachdem der Alte aus dem Zimmer war, „daß Sie mir bereits eine einigermaßen bekannte Persönlichkeit sind – woher, thut vorläufig nichts zur Sache – aber der ganze Eindruck, den Sie auf mich machen, entspricht dem Bilde, das ich mir von Ihnen geschaffen. Sie haben das Gedeihliche unserer Bekanntschaft betont; nun gut, so sagen Sie mir einmal frei und offen, ob Sie wirklich nur der Zufall hierher geführt, oder ob Sie, wenigstens halb und halb, einem Auftrage des Herrn Hellmuth gefolgt sind.“

Unter dem sonderbar forschenden Blick des Sprechers war ein leichtes Roth in Gruber’s Gesicht getreten. „Die Frage ist für eine klare Antwort wenigsten direct genug, Herr Maçon,“ erwiderte er mit einem leichten Lachen; „indessen will ich Ihnen gern gestehen, daß mich das Interesse für Ihre Persönlichkeit, die, wie es scheint, in einer bestimmten Beziehung zu dem Hellmuth’schen Familienkreise steht, hergeführt hat – was aber Herr Hellmuth, der sich doch bereits mit Ihnen in Verbindung gesetzt hat, mit diesem vielleicht unzeitigen Schritte meinerseits zu thun haben soll, verstehe ich nicht!“

„Und so hatten Sie auch keine Ahnung, den Mann, der so eben von uns gegangen, hier zu finden?“ fragte Maçon mit einem kurzen Zucken der Ungläubigkeit um seinen Mund.

„Im Gegentheil,“ versetzte der Procurist ernster werdend. „Herr Meier ist vor kaum zwei Stunden in einer Weise, die ich mich nicht zu beurtheilen unterstehe, aus dem Geschäfte geschieden, und ihn hätte ich am wenigsten bei einem neuen Freunde des Principals zu treffen erwartet!“

„Und was veranlaßt Sie, eine Beziehung zwischen mir und dem Hause Ihres Principals anzunehmen, wie Sie diese andeuten?“ fragte der Andere, während seine Züge ebenfalls ernst wurden.

„Die Freundlichkeit, mit welcher Herr Hellmuth Ihren Empfang im engen Familienkreise vorbereitet hat,“ versetzte Gruber einfach. „Darf ich nun aber ebenfalls ohne Umschweif fragen, wie meine geringfügige Person bei Ihnen bereits hat erwähnt werden können?“

Der Andere griff nach der Flasche und schenkte rasch beide Gläser voll. „Wenn ich wahr sein soll, so dürfte Ihre Frage nicht so einfach zu beantworten sein, als die meine,“ erwiderte er „lassen wir das also bis zu gelegenerer Zeit, Herr Gruber, wo sich vielleicht noch manche andere Frage und Antwort zwischen uns daranschließen kann – glauben Sie mir nur, daß es mich glücklich macht, Sie schon heute Abend kennen gelernt zu haben, und lassen Sie uns auf jede Art von Zukunft, wenn sie nur freundlich zwischen uns bleibt, anstoßen!“ Er ließ sein Glas mit dem des Prokuristen zusammenklingen, ehe der Letztere nur die Hand gehoben hatte, und leerte es in kleinen, langsamen Schlucken, als prüfe er sorgsam die Güte des Weins. Gruber war fast nur mechanisch dem gegebenen Beispiele gefolgt. Er sah seine einfache Frage in einer Weise und mit so dunklen Aeußerungen zurückgewiesen, die ihm plötzlich alles Geheimnißvolle, womit Willmann die Person dieses Fremden umgeben, wieder drückend auf das eigene Herz legten und trotz des gewinnenden und ansprechenden Wesens seines Gesellschafters ihn mit einer Unruhe erfüllten, für welche er doch kaum einen einigermaßen haltbaren Grund hätte finden können. Eins nur schien ihm aus

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_114.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)