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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

des Zimmers. „Haben Sie über den Fremden etwas Bestimmtes in Erfahrung gebracht,“ sagte er halblaut zu dem ihm Folgenden, „so sprechen Sie es klar aus, ich verstehe Ihre Andeutungen nicht!“

Der Kleine schüttelte indessen rasch den Kopf. „Alles noch zu unreif; aber ich bin auf dem Posten, und Herr Hellmuth soll vielleicht noch merken, daß Willmann nicht so ganz umsonst im Geschäfte ist. Warten Sie nur ein paar Tage ab und halten Sie die Augen auf!“ Damit ließ er unter einem stillen Kopfnicken den jungen Mann stehen und wandte sich seinem Tische wieder zu. – Hellmuth hatte eine kurze Toilette für den Empfang des erwarteten Gastes beendet und schritt schon eine Weile langsam und gedankenvoll in dem leeren Besuchszimmer auf und ab, als Eugenie, strahlend wie der junge Morgen, eintrat und mit der lachenden Frage: „Bin ich Dir so recht, Papa?“ die reichen Falten ihres hellseidenen Kleides ausbreitend, sich vor ihn stellte.

Einen raschen, fast kritischen Blick ließ der Vater über die Erscheinung der Tochter laufen, dann klärte sich sein Gesicht zu einem ernsten, wohlgefälligen Lächeln auf. Es war eine glänzende Einfachheit, die alle Gediegenheit des Reichthums in sich schloß, über das Mädchen verbreitet und brachte den Eindruck der frischen Jugend desselben zur vollsten Wirkung; Hellmuth nickte und sagte: „Recht geschmackvoll, Eugenie!“

„Nun aber sagst Du mir auch zum Lohne, Papa, wer der Gast ist, der Dich so in Anspruch nimmt,“ rief sie, auf ihn zutretend; „es ist etwas Unangenehmes, für einen Menschen, von dem man noch gar nichts weiß, sich zu putzen und sich selbst in Spannung zu erhalten!“

Hellmuth setzte sich und sah mit einem Lächeln voll Laune zu dem Mädchen auf. „Wenn es nun ein junger Mann wäre, den ich mir gern zum Schwiegersohn wünschte,“ sagte er langsam, „was meinst Du?“

„Bah, da wäre das Interesse schon vom Anfange an fort,“ erwiderte sie mit gekräuselter Lippe, „aber an so etwas denkst Du ja gar nicht, Papa!“

Ein eigenthümlicher Ausdruck stahl sich in sein Gesicht. „Du magst nach Deiner Anschauungsweise schon Recht haben,“ sagte er, „allein das einfache Wünschen steht mir hoffentlich frei, und überdies darfst Du nicht annehmen, daß ein reicher, eleganter junger Mann aus einem andern Welttheil voll der schönsten Mädchen, die ihn nicht gefesselt, nur hierher kommt, um nach Dir zu sehen. Es sind ältere Beziehungen, die mich an ihn knüpfen, und bei ihm würde mein Wunsch gerade so viel erreichen, als bei Dir; ich beabsichtigte nur, ihn einen angenehmen Eindruck aus unserm Hause mit fortnehmen zu lassen.“

„Und weshalb ist er hier, Papa?“

„Geschäftssachen von Wichtigkeit, die Dich aber natürlich nicht interessiren, Kind. Er ist hier bereits in mehreren unserer ersten kaufmännischen Familien eingeführt, und jede derselben wünscht vielleicht dasselbe, was ich vorhin aussprach. – Aber wo ist Anna?“

„O, sie sieht nach dem Arrangement des Tisches, damit Du dort nichts auszusetzen habest!“ war die flüchtige Erwiderung. „Also, Papa, wenn ihn nirgends etwas hat fesseln können, so ist er eine Art Damenfeind, oder er hält sich selbst so hoch, daß ihm nichts zur Wahl gut genug dünkt,“ fuhr sie mit leicht aufgeworfener Lippe fort, „und deshalb sollten wir Toilette machen?“

„Das sind Deine Ideen, Kind, ich weiß nichts davon!“ erwiderte Hellmuth, „warte, bis Du an ihm selbst Deine Studien machen kannst, so wirst Du am schnellsten über ihn klar werden!“

„O, Papa, was kümmere ich mich denn weiter um ihn, als daß er Dein Gast ist?“

„Richtig, meine Tochter, indessen hast Du von mir doch nähere Auskunft über ihn verlangt!“

Sie zog den frischen Mund wieder wie in leichtem Unmuthe zusammen. „Ich werde doch einmal sehen, wie weit Anna gekommen ist!“ sagte sie und verließ leichten Trittes das Zimmer. Hellmuth sah ihr sinnend nach, rieb sich dann leicht die Stirn und begann seinen Gang über den parquetirten Fußboden wieder aufzunehmen.

Fünf Minuten darauf trat Gruber in völlig salonmäßigem Anzüge ein. „Wenn ich noch etwas zu früh komme, Herr Hellmuth,“ sagte er mit einem raschen Blicke durch das leere Zimmer, „so wollen Sie das mit der kaufmännischen Pünktlichkeit entschuldigen.“

„Bitte, Herr Gruber, es ist mir ganz lieb, Sie zeitig hier zu sehen, nehmen Sie Platz!“ antwortete der Principal, seinen Schritt anhaltend. „Sie wissen, daß wir einen fremden Gast haben werden?“ fuhr er leicht fort, sich auf das reiche Sopha niederlassend.

„Ich habe ein Wort darüber gehört und bin sogar gestern Abend eine halbe Stunde in Gesellschaft des Fremden gewesen, welchen Sie erwarten!“ versetzte der junge Mann.

Hellmuth sah rasch auf. „Sie kennen ihn bereits?“ fragte er.

„Nur obenhin und äußerlich,“ erwiderte Gruber eifrig, „ich war gestern Abend im Hôtel français und traf dort Meier, mit einem jungen Manne zusammensitzend, welcher mir als Ihr heutiger Gast vorgestellt ward –“

„Ah, Meier war mit ihm zusammen,“ neigte Hellmuth den Kopf, als finde er die Erklärung völlig genügend; auf seiner Stirn aber bildete sich eine Wolke. Noch einmal nickte er langsam vor sich hin, und als jetzt Eugenie wieder eintrat, hob er mit wieder völlig klaren, wenn auch ernsten Zügen das Gesicht. „Und wie haben Sie seine Persönlichkeit, ich meine seine ganze Weise sich zu geben, gefunden?“ fragte er.

„So viel ich von dem ersten Eindrucke sagen darf,“ erwiderte Gruber, welcher beim Eintritt des Mädchens aufgesprungen war und mit einem leichten Erröthen ihre ganze Erscheinung überflogen hatte, „ist mir selten etwas Gewinnenderes und Ansprechenderes vorgekommen; wie weit dies in seinem eigentlichen Wesen begründet ist, weiß ich allerdings nicht, denn mit so wirklicher Liebenswürdigkeit er mir auch als einem Hausgenossen der Familie Hellmuth entgegentrat, so schien er doch den Herrn Meier ziemlich von oben herunter zu behandeln!“

„Könnte auch sonst kaum der wirkliche Sohn seines Vaters sein!“ brummte der Geschäftsherr, der aufmerksam jedem Worte gefolgt war und sich jetzt erhob. „Es ist mir lieb, Herr Gruber, daß Sie mir die Mittheilung gemacht haben!“ Dann nahm er seinen frühern Gang wieder auf, und der junge Mann wandte sich nach dem Mädchen, welches in der Fenstervertiefung ihren Sitz genommen und mit sichtlichem Interesse den letzten Worten gefolgt war.

(Fortsetzung folgt.)




Nicht Waterloo, sondern Belle Alliance.

„Der Ochs will gesattelt sein!“ So lautete jüngst ein Hohn über die Sehnsucht der Deutschen nach einer Kriegsflotte. Woher kam dieser Hohn? Von dem Volke, dessen öffentliche Stimmen seit dem Tode des Dänenkönigs und der deutschen Anfechtung des sogenannten Londoner Protokolls für Deutschland keinen andern Ausdruck mehr hatten, als den der unerhörtesten Beschimpfungen, von den Engländern.

Wir sehen uns vergeblich in Europa nach noch einem Volke um, das im Uebermaß der Gehässigkeit gegen die Deutschen dem englischen nahe käme. Nicht die russische, nicht die schwedische und norwegische Presse, von denen wir eine gerechte Würdigung so wenig gewohnt sind, wie von der französischen, vergessen so weit die Ehre der Wahrheit und den nationalen Anstand, wie die englische; ja selbst nicht einmal der dänischen, der wir in diesem Augenblick die äußerste Gereiztheit nachsehen würden, ist es möglich, die Wuthausbrüche John Bull’s, die lügenselige Rohheit der Organe des freien Albion zu erreichen.

Welch Entsetzliches ist geschehen, was haben wir Gräßliches verbrochen, um von einer Nation, welche die oberste Stufe der Cultur und Macht in Europa beansprucht, in solcher Weise behandelt zu werden?

Wir sehen uns vergeblich nach dem schauderhaften Verbrechen um. Nicht in der Gegenwart, und noch weniger in der Vergangenheit finden wir die Ursachen für eine so tief aufgewühlte Empörung gegen uns.

Wir behaupten ganz einfach unser gutes Recht auf die Selbstständigkeit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_116.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)