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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

eilte, um zunächst hier seinen gefährlichsten Feinden mit Macht zu begegnen. Die Verbündeten ahnten kaum sein Kommen, als Napoleon schon eintraf.

Wellington hatte gar keine, Blücher erst spät und dann nur geringe Anstalten getroffen, einem plötzlichen Angriffe zu begegnen. Ein militärischer Geschichtsschreiber sagt deshalb mit Recht, die beiden Feldherren hätten zuerst das Gewöhnlichste versäumt, um nachher Ungewöhnliches zu leisten. Ihre Heere lagerten weitläufig zerstreut.

Am Abend des 14. Juni zeigten aber zahlreiche Wachtfeuer die Nähe des Feindes. Blücher zog jetzt rasch das Corps Zieten’s zusammen und verfügte, alle vier Armeecorps hätten sich unverzüglich bei Sombreffe zu versammeln. Mit Anbruch des folgenden Tages begann der kurze denkwürdige Krieg durch ein rasches und entschlossenes Vordringen der Franzosen. Doch wehrten sich die Preußen tapfer, zogen sich fechtend zurück und verschafften dadurch beiden Armeen der Verbündeten die Möglichkeit, sich zu sammeln. Denn nicht nur Blücher, sondern auch Wellington benutzte diese Zeit, seine Truppen zusammenzuziehen.

Napoleon traf am 15. Juni die allgemeine Anordnung für diesen Feldzug, daß sein Heer in einen linken Flügel unter dem Marschall Ney, der sich soeben erst bei der Armee eingefunden, einen rechten unter dem Marschall Grouchy und eine zwischen beiden marschirende Reserve eingetheilt sein solle. Den Oberbefehl über den letztern Heerestheil behielt sich der Kaiser, nachdem der Marschall Mortier, der dafür bestimmt, erkrankt war, selbst vor. Nach den geringern Gefechten an diesem Tage rückte daher Ney am 16. Juni mit etwa 50,000 Mann gegen Wellington vor, während Napoleon und Grouchy den Feldmarschall Blücher mit seiner Armee über den Haufen zu werfen gedachten. Schon waren die Proklamationen gedruckt, mit denen Napoleon nach dem, wie er wähnte, unzweifelhaft glücklichen Erfolge die Welt von Brüssel aus, das er früh Morgens am 17. zu erreichen gedachte, beglücken wollte.

Blücher hatte die drei Armeecorps von Zieten, Pirch und Thielmann bei Ligny vereinigt und aufgestellt. Er war, obwohl Bülow noch weit zurückstand, entschlossen, hier eine Schlacht anzunehmen. Er ließ die Dörfer St. Amand und Ligny besetzen und dazwischen Truppen von Pirch und Zieten aufstellen. Links, etwas weiter zurück, hatte Thielmann ein Terrain eingenommen, das ihn ebensowohl schützte, aber auch an einem wirksamen Eingreifen in den Gang der Schlacht hinderte. Blücher hatte 83,000 Mann, Napoleon 78,000 zu verwenden. An Artillerie war dieser seinem Gegner überlegen. Gegen ein Uhr erschien, von seiner nahen Aufstellung, Wellington bei den preußischen Führern, sah sich die Lage der Dinge an und versprach, bald mit Verstärkung heranzukommen. „Um vier Uhr werde ich hier sein,“ sagte er, als er wieder von dannen ritt. Er ahnte nicht, daß er selbst zu gleicher Zeit bei Quatrebras angegriffen würde.

Aber auch Napoleon täuschte sich über die Stellung seiner Gegner. Er sandte dem Marschall Ney Befehl, Blücher’s rechte Seite zu umfassen, den Preußen so in den Rücken zu fallen und dadurch den Sieg bei Ligny zu einem entscheidenden zu machen. Der Kaiser dachte sich also, sein Marschall werde entweder bereits im siegreichen Besitz von Quatrebras sein, oder dort doch nur einen geringen Kampf zu bestehen haben. Dem war, Dank einer frühzeitigen Besetzung des wichtigen Kreuzweges durch den Herzog von Weimar, nicht so.

Erst gegen drei Uhr eröffnete Napoleon die Schlacht durch einen Angriff auf den rechten Flügel der Preußen, auf die Dörfer St. Amand, welche nach hartnäckigem Widerstande um vier Uhr von den Preußen geräumt wurden. Allein Blücher befahl, dieselben wieder zu nehmen, was auch unter der persönlichen Leitung des greisen Helden theilweise gelang. Jetzt wurde hier mit abwechselndem Erfolge bis neun Uhr Abends gekämpft.

Fast gleichzeitig mit dem gegen St. Amand wurde auch der Angriff gegen die Mitte der preußischen Stellung, gegen das Dorf Ligny, begonnen. Die Preußen wehrten sich aber hier nicht allein standhaft, sondern verfolgten den zurückgeschlagenen Feind sogar noch eine Strecke. Aber dieser griff sie abermals mit Nachdruck an, warf sie auf das Dorf zurück und machte sich dann schließlich nach Ueberwindung der wackersten Gegenwehr zum Herrn desselben. Mit unwiderstehlicher Gewalt drangen dann aber die jungen preußischen Krieger von Neuem vor; sie nahmen den größten Theil des Dorfes, den festen Kirchhof, selbst das Schloß von Ligny wieder ein und behaupteten sich hier lange, trotz furchtbaren Handgemenges. Auch Blücher hatte sich jetzt hier eingefunden. Der aber sah plötzlich von St. Amand feindliche Truppen fortziehen und hielt dieses für ein Zeichen des errungenen Sieges. Das entflammte seine alte Heldenseele zum kräftigsten Thatendrang. „Vorwärts, vorwärts, dem Feinde nach!“ rief er und warf alle verfügbaren Truppen nach St. Amand. Aber bald zeigte sich, daß jene Truppen eine andere Bestimmung gehabt. Bitter rächte sich die Täuschung, denn jetzt war, besonders auch durch den unbefugten Abmarsch einer Brigade, die günstige Lage in Ligny unwiederbringlich verloren.

Napoleon bereitete einen letzten furchtbaren Schlag gegen Ligny vor. Um acht Uhr ließ er durch seine Garden, von anderen Kerntruppen gefolgt, stürmend das Dorf nehmen, und dadurch, und durch eine gleiche Bewegung weiter rechts die preußische Schlachtlinie durchbrechen. Sofort entfaltete er große Cavalleriemassen. Als Blücher dieses bemerkte, stellte er sich unverzagt an die Spitze eines Uhlanenregimentes, den Feind wieder zu werfen. Aber das muthige Unternehmen mißlang. Der Führer der Uhlanen, der bekannte Oberst von Lützow, wurde gefangen genommen. Und kaum entging der Heldengreis demselben Schicksal. Sein Pferd sank tödtlich getroffen mit ihm nieder, und nur der Geistesgegenwart seines wackern Adjutanten, des Major Grafen Nostitz, ist es zu danken, daß Blücher nicht in die Gewalt der Franzosen fiel, welche der geworfenen preußischen Cavallerie mit Windeseile nachjagten. Ein Uhlanenpferd trug dann den verletzten Feldherrn wieder zu den besorgten Seinen.

Die Schlacht aber war verloren. Thielmann’s Corps war freilich noch unverbraucht, allein es hatte nicht zur rechten Zeit in den Gang des Gefechtes eingegriffen. Jetzt mußte es sich zurückziehen, wie die beiden andern.

Die einbrechende Nacht machte dem Kampfe ein Ende. Schwere Regengüsse strömten nieder. Die preußische Armee entzog sich dadurch den Blicken der Feinde. Gneisenau, dem nach Blücher’s Unfall die ganze Leitung allein oblag, bestimmte jetzt, der Rückzug solle über Tilly nach Wawre gehen. Es war ein kühner Entschluß! Die Verbindung mit Deutschland, möglicherweise selbst mit Bülow, der noch ungeschlagen war, wurde dadurch preisgegeben; aber die Vereinigung mit Wellington festgehalten. Auch Thielmann sollte sich, jedoch über Gembloux, nach Wawre zurückziehen, und Bülow, so wurde ihm vorgeschrieben, gleichfalls dort eintreffen.

Das preußische Heer trat dann geschlagen, jedoch nicht entmuthigt, unter dem Schleier der Nacht und dem dunkeln Wetter seinen Rückzug an. Etwas in Unordnung gerathen, formirte es sich gleich hinter dem Schlachtfelde von neuem, so daß es bereits am folgenden Tage wieder kampfbereit war.

Während Blücher und Napoleon sich bei Ligny schlugen, wurde gleichzeitig bei Quatrebras gekämpft, wo Marschall Ney um Mittag mit überlegenen Kräften die Engländer anfiel und sie anfangs zurückdrängte. Wellington aber, von seiner Unterredung mit Blücher zurückgekehrt, zog neue Truppen heran und brachte das Gefecht auf diese Weise zum Stehen. Der rechte Flügel der Franzosen wurde dann von den ungestümen Briten geworfen. Dem glücklicheren linken stürmte unerschrocken der Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig-Oels entgegen. Aber der in seinem Leben so vielfach schwergeprüfte Fürst hatte auch hier kein Glück; er wurde geworfen und fand dabei selbst seinen Tod. Den Sterbenden entrissen mit Mühe die Freunde den Händen der Feinde. Nun schwankte der Kampf wieder lange hin und her. Endlich aber, gegen Abend, waren die Engländer durch starken Zuzug den Franzosen überlegen. Sie eroberten jetzt allmählich die Stellungen wieder, die sie früher verloren. Ney zog sich zurück. Er hatte Napoleon’s Befehl, Blücher in die rechte Flanke zu fallen, ebenso wenig erfüllen können, wie Wellington sein Versprechen, den Preußen baldigst Hülfe zu bringen.

Darin lag die größte Bedeutung des Treffens bei Quatrebras.

Blücher vollzog mit den Corps von Zieten und Pirch ungehindert seinen Nachtmarsch nach Wawre. Der alte Herr selbst hatte sehr stark durch den Fall gelitten. Nur mit den größten Schmerzen konnte er sich auf dem Pferde halten, und verlangte oft, was aber, der Nähe der Feinde wegen, nicht anging, nur auf kurze Zeit heruntergehoben zu werden, um sich einigermaßen auszuruhen. Spät Abends fand ihn jedoch Gneisenau bereits in einem kleinen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_119.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)