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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

feierlichen Ausritt in die Berge und verkündete mit dieser schönen Amtshandlung den Anfang der Weinlese, die stets nach festgesetzter Laubordnung stattfand. Die übrigen Domcapitulare thaten als sogenannte „Herbstherren“ in den domstiftischen Zehntorten des Bisthums dasselbe. Nach Beendigung der Lese wurden Abends Strohschauben in den Weinbergen angezündet, so daß alle Höhen in magischem Feuerglanze prangten. Die letzte Beerenfuhre wurde geschmückt und unter dem Schalle von Pauken, Trompeten, Pfeifen und Schalmeien mit lodernden Fackeln vom Herbstherrn zu Roß, von einer großen Anzahl Reitern umgeben, in die Stadt geführt. Das nannte man „den Herbst einleuchten“. Heutzutage hat die Geistlichkeit, weniger fröhlich, nichts mehr mit der Weinlese zu thun.

Im 14. Jahrhundert gehörte der Pfülben (in alten Urkunden stets Pfühl genannt) theils dem Johanniterhause, theils dem Dominikanerkloster in Würzburg, der Spielberg und Lämmerberg dagegen größtentheils dem berühmten großen Cisterzienser-Mönchskloster Heilsbronn im heutigen Mittelfranken. Die Cisterzienser waren aber bekanntlich die rechten Weinbauern, und Kloster Heilsbronn brachte durch Ankäufe, besonders von Kloster Ebrach im Steigerwalde, seine Besitzungen zu Randersacker am Ende des 14. Jahrhunderts zu einem sehr ansehnlichen Weingute in besten Flor. Es lebte ein Klosterbruder als Verwalter desselben in Randersacker im eigenen stattlichen Hofe des Klosters, und die Mönche legten nun, wie anderwärts, neue Weinpflanzungen an diesen Bergen an. Durch die Reformation kam Heilsbronn mit allen seinen reichen Gütern in Besitz der Markgrafen von Brandenburg, die als frühere Burggrafen von Nürnberg schon das Vogteiamt desselben verwaltet und ihr Erbbegräbniß darin hatten. Diese brachten durch ihre zu Administratoren der Randersackrer Weinberge bestellten Amtsvögte den in der letzten Zeit des Convents gesunkenen Weinbau wieder empor, und nun lagen, zum Aerger der geistlichen Herren in Würzburg, neben den guten katholischen Weinbergen eben so gute lutherische.

Das in der Geschichte dieser Länder eine so große Rolle spielende Jahr 1803 brachte dieses ansehnliche Weingut mit den übrigen ehemaligen Klosterbesitzungen an das Kurfürstenthum Baiern, welches es 1800 an das umgebildete Großherzogthum Würzburg abtreten mußte. Im Jahre 1812 wurde der Hof und ein großer Theil der Güter in Randersacker veräußert. Die besten Weinberge blieben Staatseigenthum und sind später mit den Weinbergen, welche der ehemaligen Benedictinerabtei zu Kitzingen gehört hatten, zu dem jetzigen Complex der Staatsweinberge in Randersacker vereinigt worden, welche einen Flächenraum von 55½ Morgen einnehmen. Der Staat hat in dem vielbesuchten Weinorte seine eigene Kellerei, die jeden Herbst die Erträgnisse ihrer Berge aufnimmt und dann seiner Zeit abgegohren an den Hofkeller in Würzburg abliefert. Von diesem prächtigen Riesenkeller und seinem Inhalt soll in einem andern Artikel die Rede sein. Die Würzburger Weine werden voraussichtlich ebenso wie die Stadt, von der sie benannt werden, eine schöne deutsche Zukunft haben, und auch die echten Dichter die sie würdig besingen, werden ihnen ferner nicht fehlen.




Aus den Landen des verlassenen Bruderstammes.
4. Von Schleswig nach Missunde..

Wer kennt nicht, wenn er jemals in Schleswig-Holstein gewesen ist, Doris Esselbach, die Wirthin zur „Stadt Hamburg“ in Schleswig? Und wen kennt sie selbst nicht, wen hat sie nicht gesehen und nicht gesprochen? Alle Personen, welche während der letzten sechszehn Jahre auf dem militärischen oder politischen Theater in Schleswig-Holstein irgend eine Rolle von Bedeutung gespielt haben, sind bei ihr vorübergegangen. Der alte Wrangel, General v. Willisen, der tapfere Sieger von Eckernförde, Capitain Jungmann, der brave Theodor Preußer, General v. Baudissin, General von Bonin, Louise Aston, der Major v. der Tann, die preußischen und österreichischen Civilcommissare von damals und heute, General de Meza und General Schleppegrell, Prinz Friedrich Karl und der Kronprinz von Preußen, General v. Gablenz und der Herzog von Coburg, – Alle hat sie gekannt, mit Allen hat sie gesprochen, von Allen weiß sie charakteristische Aeußerungen und Züge zu erzählen. Dänen, Oesterreicher, Preußen, Hannoveraner und Sachsen, alle Streiter für und gegen Schleswig-Holstein sind auf Stunden oder Tage in ihrem gastlichen Hause eingekehrt. Die Deutschen sagen von ihr, sie sei dänisch, die Dänen, sie sei deutsch, Alle aber stimmen darin überein, daß sie eine so energische und intelligente Frau sei, wie nur eine in Schleswig-Holstein.

In die Stadt Hamburg, das Haus dieser Doris Esselbach, ging ich, um mir Extrapostpferde nach Missunde zu bestellen. Frau Esselbach ist nämlich zugleich Posthalterin in der Stadt Schleswig, und man sagt von ihr, daß kein Mann der Stelle eines Posthalters jemals so gewachsen gewesen sei, wie Frau Esselbach in Schleswig, und daß sie, wenn es nöthig, selbst zuweilen Courierstiefeln anziehe und zu Pferde steige. Ein Kellner führte mich, wie er sagte, „zu seiner Madame“. Frau Esselbach saß in ihrer kleinen Schreibstube vor dem Schreibtisch. Ich sah sie heute zum ersten Male. Sie war eine stattliche Frau in den vierziger Jahren.

Sie empfing mich anfangs ziemlich kalt und machte mir große Schwierigkeiten wegen der Pferde; allein bald kamen wir in eine lebhafte Unterhaltung, die sich über eine Menge von Persönlichkeiten und Tagesfragen erstreckte. Von Minute zu Minute wurde sie wärmer, und ich erhielt, wenn auch nicht, was ich wünschte, so doch einen Platz im Postwagen, der nach Eckernförde fahren sollte. Vorerst ging aber sein Weg nicht weit. Er fuhr um die Ecke bis zur Eisenbahnstation und dann hielt er still, um die Ankunft des Zuges von Flensburg zu erwarten. „Eine Stunde dauert es gewiß noch bis dahin,“ sagte gleichmüthig der Postillon, knöpfte seinen rothen Mantel auf, zog eine Pfeife heraus und schlug nach alter Sitte mittelst Stahl und Stein sich Feuer an. Meine beiden Reisegefährten blieben mit schleswig-holsteinischer Ruhe, welche durch nichts erschüttert werden kann, sitzen. Das konnte ich nicht aushalten. Nach den Tagen des Schneesturmes und des tiefen Winters war heute ein heiterer Frühlingstag am blauen Himmel aufgestiegen. Ich verließ den Wagen und schaute mich um. Dort rechts breitete sich die Stadt Schleswig mit ihren rothen Dächern und weißen Wänden an den blauen Ufern der Schlei wie ein ungeheures Hufeisen aus, dort erhob sich der Dom mit seinem gewaltigen Dache und seinem Glockenthürmchen darauf, der ehrwürdige, alte Dom, von dessen Kanzel der „Swine-Martens“, der einst in Tönning als Pastor zugleich dem Schnapsladen seines Schwiegervaters vorstand, zwölf Jahre vor leeren Bänken gepredigt hatte. Jetzt war der Wirksamkeit des Biedermanns ein Ende gemacht worden.

Ich wandte mich zunächst nach Schloß Gottorf, welches sich links vor mir aufbaute. Das Schloß ist durch Demolirungen und Neubauten vollständig modernisirt worden, obschon Schleswig selbst eine der ältesten Städte des Landes ist. Die Dänen hatten vor, das Schloß vor ihrem Abzuge aus Schleswig in die Luft zu sprengen. Glücklicherweise wurden sie durch ihren eiligen Rückzug an der Ausführung dieses vandalischen Gedankens gehindert. In den letzten Jahren hatten sie das Schloß, welches einst die Wohnung von Herzogen und Königen war und später als Reliquie sorgsam in der alten, burgartigen Gestalt erhalten wurde, in einen Dragonerstall verwandelt. Man wollte auf diese Weise die Erinnerung an eine Zeit austilgen, wo Schleswig eigene Herzöge hatte. Es war das Ministerium Oersted, welches diese vandalische Maßregel beschloß, dasselbe Ministerium, dem die preußische Kreuzzeitung so oft Zeugnisse ihres Wohlgefallens ertheilte. In der zum Schlosse führenden schönen Buchenallee hatten die Dänen aber in den letzten Tagen ihrer Herrschaft wieder in barbarischster Weise gehaust. Fast die Hälfte der stattlichen Bäume war mit der Axt umgeschlagen. Im Innern des unschönen und winkeligen Schloßhofes brannte ein hellloderndes Feuer; Bettstellen, Matratzen und alle mögliche Lazarethgegenstände standen und lagen umher. In den untern Räumen stöhnten die Verwundeten aus den Gefechten bei Oberselk, bei Wedelspang, bei Bustorf und bei Oeversee unter ihren Schmerzen und unter den Händen der Aerzte. Es war zu traurig da drinnen. Ich ging darum wieder hinaus in den heitern milden Tag und in den goldnen Sonnenschein und betrachtete mir die im Schlosse aufgefahrenen Kanonen jeden Kalibers, welche die Oesterreicher den Dänen abgenommen hatten. Endlich kam der Zug von Klosterkrug angebraust; unser Postwagen fuhr ab.

Der Weg von Schleswig nach Eckernförde ist recht hübsch. Die Landschaft bietet keine großartigen Contraste, aber sie ist das Bild einer Idylle, in welche zuweilen ein leiser schwermüthiger Hauch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_187.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)