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keine Antwort. Endlich legten die Zwei das Mädchen nieder. Townley bat seinen Gefährten um irgend Etwas, das er um den Hals der Verwundeten legen könne, das Blut damit zu stillen, und sandte ihn fort, um Hülfe zu holen. Als der Arbeiter nach vier bis fünf Minuten zu der Gruppe zurückkam, hatte Townley seine Bessie verbunden. Er rief dem Ankömmling zu, sie lebe noch; sie aber wimmerte: „Bringt mich nach Hause.“ Wiederum ging der traurige Zug ein wenig weiter. Da kamen zwei Nachbarn und fragten: „Wer hat es gethan?“ Townley erwiderte: „Ich habe es gethan.“ Einem dritten Nachbar entgegnete er auf die gleiche Frage: „Ich habe es gethan und werde dafür gehängt werden.“ Immer kälter und starrer wurde der Körper der armen Elisabeth, die endlich mit den Worten: „Ich sterbe jetzt,“ – den letzten Athemzug thut. Jetzt hört man die Worte ihres Mörders: „Ich fürchte, sie ist todt,“ und George Townley beugt sich über die Leiche und küßt sie. Die Leiche wird in’s Haus getragen, der Zug stößt auf den greisen Großvater. Derselbe fragt, was es gegeben habe, worauf Townley ganz gleichgültig autwortet: „Es ist Eure Enkelin Bessie, ermordet, und ich bin der Thäter.“ Der Capitain fragt weiter: „Wer seid Ihr?“ Townley antwortet: „Ich heiße George Townley,“ – und auf die Frage des Alten, warum er den Mord verübt habe, erwiderte Jener: „Sie hat mich betrogen, und das Weib, das mich betrügt, muß sterben. Ich sagte ihr, daß ich sie tödten werde; sie kannte mein Temperament.“ Darauf ging George Townley mit dem Greis in’s Besuchzimmer und händigte ihm daselbst zwei Pakete Briefe der Ermordeten ein mit dem Bemerken: „der Capitain könne dieselben lesen, verbrennen, damit thun, was er wolle; er, Townley, wolle die Briefe nicht mitnehmen in den Gerichtshof.“ Der Capitain verbrannte dann die Briefe ungelesen.

Als ein Polizeibeamter kam, ging ihm Townley mit den Worten entgegen: „Ich wünsche mich als den Mörder der jungen Lady verhaften zu lassen,“ und erwiderte auf die ernste Frage des Beamten, ob er auch wisse, wessen er sich anklage, – : „Ja wohl, ganz gut, und ich werde ruhig mir Ihnen gehen; nur will ich Bessie zuvor noch einmal sehen.“ Townley nahm dann das blutige Messer, mit dem er die That verübt hatte, aus der Tasche – es war ein gewöhnliches Einschlagmesser – und übergab es dem Beamten, der ihn nun in die Küche führte, wo der Leichnam lag. Townley betrachtete denselben lange und starr, sprach aber kein Wort. Auf dem Weg zum Gefängniß äußerte er: „Ich bin jetzt viel glücklicher, seit ich es ausgeführt habe, und ich bin überzeugt, auch sie ist es.“ Othello selber, wenn er seinen verhängnisvollen Irrthum nicht entdeckt, hätte sich kaum charakteristischer ausdrücken können.

Bei der Obduction fand man drei Wunden an der rechten Seite des Halses der Ermordeten: einen Stich, wahrscheinlich von hinten, unter dem rechten Ohr, einen solchen vorn, unbedeutend, noch weiter vorn aber, drei Zoll lang und fast bis zum Kinn reichend, eine schreckliche Wunde, welche die äußere Carotis und die innere Drosselader durchschnitt. Sie war absolut tödtlich. Auf diesen Belastungsbeweis hin beantragte der Ankläger, der in den Fällen von absichtlicher Tödtung auch im englischen Verfahren immer ein öffentlicher ist, gegen Townley das Schuldig des Mordes, indem er beifügte, die Vertheidigung werde wahrscheinlich die Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten behaupten, der Nichtschuldig plaidirt hätte. Um aber mit dieser Behauptung auszukommen, müßte bewiesen werden entweder, daß der Angeklagte in einem Zustande des Wahnsinns gehandelt habe, in welchem er die Natur und Beschaffenheit seiner Handlungsweise nicht kannte, oder daß er, wenn er die Natur seiner That kannte, nicht gewußt habe, daß er rechtswidrig handle.

Die Vertheidigung brachte zwei Aerzte vor die Schranken. Dieselben deponirten, sie haben den Angeklagten zweimal im Gefängniß

Vorposten bei der Rübler Wassermühle auf der Sonderburger Chaussee.
Originalzeichnung unsers Specialartisten Otto Günther.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 217. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_217.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)