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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

finden, ja es muß das Volkslied naturgemäß aus solchem Boden hervortreiben. Hätte man in unsern gelehrten Kreisen das Fuhrmannsleben auch nur einigermaßen gekannt, so würden unsere Literatur-Historiker nicht nur Bergmanns-, Schiffer-, Hirten- und Jägerlieder aus dem Volksmunde geschöpft, sondern auch dem Fuhrmannsliede nachgespürt und – ich darf es versichern – eine schöne Ernte gehalten haben. Die Fuhrleute haben viele Ballen Maculatur von Leipzig nach Stuttgart und von Stuttgart nach Leipzig geschleppt; – schon daraus hätten die gelehrten Herren Veranlassung nehmen sollen, die literarische und ästhetische Seite des Fuhrmannslebens nicht stiefmütterlich zu behandeln oder vielmehr vornehm gänzlich zu ignoriren. Als eine kleine Probe des Fuhrmannsliedes mögen die nachstehenden Verse dienen:

Ich stand auf hohem Berge,
Schaute hin und schaute her;
Und da kam ein lustiger Fuhrmann
Im Thale gefahren daher.

Seine Peitsche thuet schnalzen,[1]
Sein Wagen rauscht wie Papier.
Und ein Fuhrmann ist mir lieber,
Als von Andern drei und vier.

Ach Tochter, liebe Tochter,
Was hast Du in Deinem Sinn,
Daß Du Dein junges Leben
Dem Fuhrmann giebst dahin?

Abends gehen sie spät schlafen,
Sind des Morgens frühe auf;
Und dann haben sie der Plage
Den ganzen Tag vollauf.

Ach Mutter, liebe Mutter,
Ich bin ja dazu bereit;
Denn die Landkutscher und die Fuhrleut’
Sein brave, kreuzbrave Leut’.

Denn sie haben ein reines Herze,
Und dabei ein ruhigs Blut;
Darum bin ich ihm auf immer
Und auf ewig, auf ewig so gut!

Die einzeln gelegenen großen Fuhrmannsgasthöfe an den ehemaligen Haupt-Handelsstraßen haben sich in Einsiedeleien verwandelt und stehen verödet; gar mancher von ihnen ist nahe daran, zur Ruine zu werden, und auf den einst so belebten Straßen wächst jetzt Gras. Wohl hat sich manche Faust geballt, als die ersten Eisenbahnzüge vorüberbrausten, und unwillkürlich schwang sich unter Verwünschungen manche Peitsche, wenn das Dampfroß an Solchen pfeilschnell vorübereilte, welche, der neueren Zeit trotzend, noch einige Jahre mühsam neben dem Schienenwege mit schweren Verlusten in ihrem alten Fuhrmannsberufe beharrten.

Wie es aber den Schiffer auch im schon vorgerückten Alter immer von Neuem lockt, noch eine letzte Seereise zu unternehmen, so steigt auch in der Seele des ehemaligen Fuhrmannes gar oft der Wunsch auf, noch einmal die alten Straßen zu ziehen, die vielen alten Bekannten zu grüßen und auf kurze Zeit im Geiste das entschwundene Glück des ehemaligen großen Frachtfuhrwesens an sich vorüberziehen zu lassen. An warmen hellen Sommerabenden sitzen wir Jüngeren dann am Weiher des Dorfes und lauschen den Erzählungen der Alten vom entschwundenen Fuhrmannsglück, und in manches Greisen Auge erglänzt dabei im Mondenscheine eine stille Thräne. –

August Topf. 
  1. In Süddeutschland gleich „klatschen“.




Die Maikäfernoth des nächsten Monats.

Der schöne Monat Mai bringt uns nicht blos den lieblichen Schnee der Baumblüthe, er bringt auch, und oft in schreckenerregenden Heereszügen, einen andern Gast, dem wir zwar als Knaben unser Willkommen entgegengejauchzt, der aber im Allgemeinen ein recht schlimmer Gesell ist – den Maikäfer.

Manchmal noch früher, schon im April, findet man den summenden Braunrock vorzüglich auf Eichen, Buchen, Weiden, Roßkastanien, Nuß- und Obstbäumen, sowie auf Weinstöcken und zwar dann und wann in so großer Menge, daß sich die Zweige unter der Last beugen. Den Tag über hängt der Bursch wie leblos an den Blüthen und der Unterseite der Blätter, nur etwa bei sonnigem, trockenem Wetter einmal auffliegend. Erst der kühle Abend weckt ihn aus seiner Trägheit, und dann schwärmt er mit starkem Gesurr bis gegen Mitternacht umher. Seine Nahrung sind die Blüthen und Blätter der Bäume, und wenn auch wohl so manche Sünde der Raupen und Blattläuse auf seine Rechnung gesetzt wird, so ist der Schaden, den er selbst anrichtet, doch immer noch groß genug: Blätter und Früchte gehen durch ihn gänzlich zu Grunde, und die in vollem Safte stehenden Stämme beginnen zu kränkeln und erholen sich nur langsam wieder oder verdorren ganz. Das Männchen stirbt sehr bald nach der Begattung, das Weibchen aber gräbt sich etwa 6–8 Zoll tief in die Erde, legt hier häufchenweise gegen neunzig hirsengroße, länglichrunde, gelbliche Eier, kommt dann wieder hervor, um seiner Nahrung nachzugehen und kurz darauf, da es nun auch den Zweck seines Daseins erfüllt hat, ebenfalls zu sterben.

Die Erfahrung hat bestätigt, daß der Maikäfer in unsern Klimaten in der Regel vier Jahre zu seiner Ausbildung braucht. Da er uns nun 1860 in so erstaunlichen Schaaren heimgesucht hat, so dürfen wir wohl mit Grund annehmen, daß das heurige Jahr abermals ein besonders maikäfergesegnetes sein werde.

Die Larven des Maikäfers schonen weder Wiesen noch Getreidefelder, weder Erdäpfel noch Rüben, weder Klee noch Küchengewächse, weder junge Baumpflanzen noch Weinstöcke, indem sie Wurzeln und Knollen benagen. Besonders richten sie vielen Schaden in den Saat- und Pflanzenschulen an; dies Letztere gilt von Laub- wie von Nadelhölzern. Die jungen Pflänzchen der Saatschulen welken schon wenige Stunden darauf, sobald ihre zarten Würzelchen von der Larve benagt worden, und bereits nach einigen Tagen werden sie roth. Die jungen zwei- bis dreijährigen Pflanzen der Pflanzschulen verlassen die Engerlinge sehr bald wieder, weil sie mit den zarteren Wurzeln derselben bald aufgeräumt haben, und daher rührt es, daß die jüngeren Pflanzungen oft ganz vernichtet werden. Unter vier- bis sechsjährigen Pflanzen hält sich dagegen die Larve viel länger auf, da sie die Wurzel nicht so leicht ganz zerstören kann, weshalb Pflanzungen solcher Stämme auch gewöhnlich nur theilweise gelichtet erscheinen. Felder verheert sie zuweilen total, während der voll entwickelte Käfer selbst nicht selten die ganze Obsternte vernichtet. Dazu kommt übrigens, daß da, wo die Engerlinge sich in so großer Menge eingefunden, sich gar bald auch andere Wühler einstellen, so z. B. der Maulwurf, der zwar ein Feind und Vernichter der Engerlinge ist, aber leider auf Kosten der Ackercultur und des Gedeihens der Pflanzen, indem er die ihn beim Wühlen hindernden Wurzeln abnagt.

Die Mittel, sich der Maikäfer, dieser ungebetenen Gäste, so viel als möglich zu entledigen, sind theils gegen die Engerlinge, theils gegen die Käfer selbst gerichtet, und als die wirksamsten haben sich immer die wider die letzteren bewiesen. Sie sind doppelter Art, indem sie theils darin bestehen, daß man die Käfer einfängt und tödtet, theils darin, daß man diese von den zu schützenden Orten abhält, die Eier daselbst abzusetzen.

Das Einfangen der Käfer ist, wenn man nur die rechte Zeit dazu wählt, keineswegs schwer; diese ist aber besonders der Morgen, weil dann, wie schon oben bemerkt, so lange die Zweige ruhig stehen, das Thier gleichsam wie betäubt an ihnen hängt und man es dann leicht abschütteln kann. Denn steigt die Sonne höher und wird es wärmer, so sind die Maikäfer beweglicher und fliegen, wenn geschüttelt wird, leicht davon. Nur an trüben, feuchtkalten Tagen kann das Geschäft auch in der Mittagszeit vorgenommen werden. Freilich wird die Sache dadurch erschwert, daß es meist dickstämmige Laubbäume sind, welche die Käfer heimsuchen. Um das Auflesen der herabgefallenen Maikäfer zu erleichtern, besonders wenn der Boden mit Gras oder Moos bedeckt ist, unter dem sie sich leicht verkriechen können, breitet man am besten Leintücher unter den Bäumen aus. Getödtet

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_282.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)