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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

eine Menge guter Lehren gegeben; wenn ich aber ehrlich sein will, so weiß ich wirklich nicht mehr recht über was, denn das Lieschen guckte mich dabei mit den großen dunklen Augen an, und da – da hab’ ich an ganz andere Dinge dabei gedacht, als an das, was die zukünftige Frau Schwiegermutter sagte.“

Während der Sohn sprach, saß die Mutter dabei und nickte und schmunzelte vergnügt vor sich hin.

„Also gute Lehren haben sie Euch gegeben – ja lieber Gott, junges Volk, junges Volk leichtsinnig und obenhinaus, was kümmert sich das um gute Lehren in der Brautzeit! Das weiß Alles besser, und – muß nachher doch Alles aus eigener Erfahrung und oft mit vieler Trübsal kennen lernen. Hören will keins.“

„Papperlapapp, Alte,“ brummte der Vater, indem er sein Käppchen rückte und sich in den grauen Haaren kratzte, ohne aber die Augen von dem Papier zu nehmen – „wir haben’s eben auch nicht besser gemacht in unserer Jugend; so laß das junge Volk sich nun ebenfalls die Hörner ablaufen. Wer nicht hören will, muß fühlen.“

„Ich dachte, Vater,“ sagte der Sohn, als der Alte noch immer in dem Zettel studirte, „wenn ich nun selber vielleicht heut Nachmittag in die Stadt ritte, um das von den Papieren zu besorgen, was vielleicht noch fehlt. Die drei Knechte werden auch ohne mich heute mit Pflügen drüben auf der Rainerspitze fertig, wenn ich ihnen noch bis Mittag helfe, und nachher ist’s doch immer besser, das ist abgemacht. Meint Ihr nicht?“

„Hm, hm, hm,“ überlegte der Alte aber noch immer, indem er das kleine Papier wieder und wieder überlas – „ich fürchte beinah, daß Du in der Stadt verwünscht wenig ausrichten wirst, und ich muß am Ende noch selber hinein. Wäre mir gar nicht so besonders lieb, denn in der linken Schulter zwickt’s mich wieder ganz heidenmäßig, und bei dem linken Beine hat’s mich auch. Aber was kann’s helfen, man muß doch jedenfalls sehen, was zu machen ist, denn die Papiere müssen geschafft werden.“

„Was muß er denn nur für Papiere haben?“ frug die Mutter. „Sie kennen uns doch hier und wissen, daß wir ordentliche und rechtschaffene Leute sind, und unser Auskommen haben wir doch auch.“

„Ja, ja, Mutterchen,“ lachte der Vater, „das hilft Nichts bei den Gerichten, die wollen Alles Schwarz auf Weiß haben, und womöglich auch auf einem Stempelbogen, mit einem großen Siegel drunter, und daß Einer ein ehrlicher und rechtschaffener Mensch ist, glauben sie ihm erst recht nicht, wenn er nicht im Stande ist, es ihnen schriftlich zu beweisen. Komm Du denen!“

„Wir brauchen ja aber doch Niemanden, da sollen sie uns wenigstens in Frieden lassen.“

„Aber sie brauchen uns,“ lachte der Vater wieder, „und damit sie sicher sind, daß die neuen Staatsbürger auch ihre Steuern und Abgaben richtig bezahlen können und nicht etwa gar einmal dem Staate zur Last fallen, müssen sie sich legitimiren oder ausweisen.“

„Staatsbürger,“ brummte die Frau kopfschüttelnd – „wir sind keine Staatsbürger, wir sind Bauern, und es wird doch wahrhaftigen Gott es kein Mensch glauben, daß unser Hans einmal Jemandem zur Last fallen könnte? Was wollen sie denn nur?“

„Nun, erstlich einmal seinen Geburts- oder Taufschein.“

„Nun, den hast Du ja – der liegt in der gelben Lade, bei den andern Papieren.“

„Dann seinen Impfschein.“

„Impfschein? Den haben wir nie bekommen.“

„Das macht weiter nichts,“ sagte der Vater, „die Narben sind noch deutlich zu sehen, und den kann man sich hier vom ersten besten Arzt ausstellen lassen. Nachher einen Heimathschein.“

„Was ist das?“

„Nun, eine Bescheinigung der Behörde, wo er geboren ist, daß er dort seine Heimath hat,“ sagte der Alte.

„Aber wenn wir deshalb einen Brief nach Schlesien schicken sollen,“ rief der Sohn, „so kann das vierzehn Tage dauern, bis der Schein hierher kommt. So lange mag ich doch nicht warten.“

„Nun, vierzehn Tage wohl nicht,“ sagte der Vater, „aber ich will selber heute nach Schlesien schreiben. Unser Gerichtsverwalter in Kreuzberg wird mir schon die Freundschaft thun und das besorgen; ein Brief geht leicht in zwei Tagen hin, und wenn nichts dazwischen kommt, kann der Wisch in acht Tagen hier sein,“

„Aber noch volle acht Tage, Vater –“

„Mach’ mir den Kopf nicht warm,“ rief aber der Alte, seine Mütze rückend, „hast Du so lange warten können, wird’s auf die acht Tage auch nicht ankommen – also dabei bleibt’s.“

„Dabei bleibt’s,“ wenn der Alte das einmal sagte, so wußte der Hans recht gut, daß dann weiter kein Einwenden half. Die Sache war abgemacht, und ein Widerspruch hätte den wohl herzensguten, aber auch starrköpfigen Mann nur böse machen können, erreicht wäre aber nichts weiter worden.

Der Hans setzte sich wieder zu seinem Frühstück, denn seine Zeit war bald verflossen und er durfte nicht der Letzte draußen bei der Arbeit sein, schon der Knechte wegen. Er war aber auch gleich fertig, denn die Sache ging ihm im Kopf herum, daß er noch eine ganze Woche warten solle, bis das erste Aufgebot erfolgen könne, und nahm ihm den Appetit. Gerade war er aufgestanden und wollte eben wieder hinausgehen, als die Thür sich aufthat und seine Pflegeschwester Kathrine hereintrat. Sie hatte drüben in der Milchkammer die frisch gemolkene Milch eingegossen und nach Butter und Käse gesehen.

„Guten Morgen, Kathrin’,“ sagte Hans und streckte ihr die Hand entgegen, „haben uns ja seit gestern Morgen nicht einmal gesehen.“

„Guten Morgen, Hans,“ sagte das junge Mädchen freundlich, auch ihm die Hand reichend, „ja, wenn man freilich so wichtige Geschäfte hat. Nun, ist Alles gut abgelaufen?“

„Alles, Kathrin’, schön Dank für die Nachfrage.“ sagte der Hans. „Die Eltern haben eingewilligt, und das Lieschen ist meine Braut. Hoffentlich haben wir in vier Wochen Hochzeit. Da müssen wir auch zusammen tanzen.“

Die Katharine stand vor dem Pflegebruder, dessen Hand sie noch gefaßt hielt, und sah ihn mit ihren großen blauen Augen recht voll und treuherzig an. Wie er aber endete, drückte sie ihm die Hand herzlich und sprach mit leiser, aber bewegter Stimme: „Da wünsch’ ich Dir recht von Herzen Glück dazu, und möge Gottes Segen auf Euch ruhen immerdar – auf Dir und auf Deiner jungen Frau.“ Damit zog sie die Hand aus der seinen, wandte sich ab und verließ das Zimmer wieder. Hans sah ihr nach.

„Was hat nur die Kathrin’?“ sagte er, „sie war ordentlich gerührt.“

„Sie hat ein weich’ Gemüth,“ sagte die Mutter, mit dem Kopf nickend, „und hängt an uns Allen mit großer Liebe. Da ist’s denn wohl natürlich, daß ihr bei einem so wichtigen Ereigniß etwas weich um’s Herz wird. Ja, Ihr Mannsleute nehmt das Alles nur so leicht hin und denkt nicht weiter darüber nach. Laß mir die Kathrin’ zufrieden, das ist ein wacker Ding, und ich hab’ sie gerade so lieb, als wenn sie meine eigene Tochter wäre.“

Der Hans nahm seinen Hut vom Nagel und ging hinaus an seine Arbeit. Er hatte doch richtig so lange da drinnen gesessen, daß die Knechte im Felde draußen schon wieder an der Arbeit waren, als er hinauskam. Das ärgerte ihn und er hieb jetzt wacker auf die Pferde ein, um das Versäumte nachzuholen. Es war aber auch kein Wunder, denn was gingen ihm nicht für eine Menge von Dingen im Kopf herum!




3. Eine Staatsvisite.

Der Vater hielt Wort, und das that er immer. Er schrieb noch an dem nämlichen Morgen an seinen Freund in Kreuzberg, schickte außerdem noch eine Abschrift von seines Sohnes Taufschein ein, den er sich von ihrem Pfarrer in Dreiberg und von dem Schulzen beglaubigen ließ, und theilte dem Gerichtshalter dort in aller Kürze mit, um was es sich hier handele. Dann bat er ihn, er möchte doch, wenn irgend möglich, den Heimathschein mit der nächsten Post einschicken und ihm auch dazuschreiben, was er ausgelegt hätte, damit er’s ihm gleich zurückzahlen könne. Der alte Barthold blieb nicht gern Jemandem etwas schuldig.

Der Brief war ihm ein wenig sauer geworden, denn das Schreiben gehörte gerade nicht zu den Dingen, die er sehr gern that, oder zu denen er sich drängte, aber es hatte eben sein müssen, und jetzt war’s, Gott sei Dank, fertig und abgemacht. Wenn die Postkutsche heut’ Abend durch Dreiberg kam, nahm der Conducteur den Brief schon mit hinein in die Stadt und gab ihn dort auf. Nachher ging er direct nach Kreuzberg ab.

Aber heute gab’s noch mehr zu thun, denn wie die Sachen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_291.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2021)