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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Böhrer in Nürnberg auf- und ausgeführt, imponirt es durch Bauart und Lage, welche letztere in der That kaum mit feinerem Geschmack und glücklicherem Verständniß des Terrains hätte gewählt werden können.

Wie dem Leser die obere Mittelrandskizze unseres Bildes zeigt, ist das Hotel in jenem graziösen Style errichtet, zu welchem das schweizerische Alpenhaus und die italienische Villa vereint die Motive geliefert haben. Aus der inneren Einrichtung des Gebäudes spricht überall der gebildete Sinn seines Gründers, und manche kleine Bequemlichkeit der Zimmer, mancher Comfort des Geräthes verräth, daß jener nicht umsonst durch die Schule der praktischen Amerikaner gelaufen ist. Am besten von allen behagte mir ein Gemach im Thurme, das mit den bunten Glasmalereien der Fenster, den Wappenschildern und den schweren Eichenmöbeln an die Lichtseite des „romantischen“ Mittelalters erinnerte. Und es war ein gar ergötzlich Spiel, durch die verschieden gefärbten Scheiben sich das Thal und die Höhen drüben zu beschauen, bald unter die Flammengluth eines afrikanischen Samumhimmels, bald in die „mondbeglänzte Zauberwelt“ der Sommernacht versetzt; – aber „die Glocke, die Glocke!“ rief mein forellenbegieriger Gefährte, und richtig, es läutete zum Essen, auch mir kein unwillkommenes Signal, trotz Naturbegeisterung und Kunstgenuß. Wie hurtig war mein Magistratsrath die Stiege hinunter, so daß wir andern Beide Noth hatten, dem Dicken zu folgen; wie stürmte er in den Speisesaal hinein, in dem es schon von lustigen Sonntagsstimmen und Sonntagslaunen schwirrte! Alt und Jung schien nur von dem einem Streben erfüllt zu sein, den Ausflug recht ausgiebig auszukosten; von Neuem ward ich inne, daß ich die vielgenannte Mainlinie passirt hatte, hinter der unsere norddeutsche Zurückhaltung und Steifheit zurückzubleiben pflegen. Plötzlich stieß mein Freund mich an: die Forellen waren aufgetragen, und in der That, sie bewährten ihren und des Pegnitzthales Ruf: klein, zart, von rosaröthlichem Fleische. „Bekenne, das ist die Forelle aller Forellen!“ sprach mein Nachbar in Begeisterung. „Hast Du irgendwo oder -wie schon eine andere geschmaust, welche die unserer Pegnitz überbietet?“

„Gewiß, sie ist untadelhaft, eine Perle ihres Geschlechts. Darf ich noch einmal um die Schüssel bitten?“ gab ich zur Antwort. Die Gesellschaft wurde immer sonntäglicher gelaunt; von dem jungen Volke hatte sich Eines nach dem Andern in den angrenzenden Salon geschlichen, und bald tönten muntere Klänge in drei und zwei Viertel-Takte verlockend zu uns herüber. Ein anderer Theil etablirte sich um den Kaffeetisch auf der Veranda, und einige ältere Herren blieben, enger zusammengerückt, bei der Flasche sitzen und ergingen sich, trotz Schweiz und Sonntagslust, in der unerschöpflichen Frage der Zeit und des Landes, den Aussichten und Conjuncturen des heurigen Hopfengewächses. Ich wanderte im Saale umher und betrachtete seine Decoration, die in sinnig gruppirten waidmännischen Emblemen andeutet, daß Herr Jegel zu den vielen anderen Annehmlichkeiten seines Musterhotels den Ruprechtstegener Luftcurgästen auch das kräftigende Vergnügen der Jagd in den umliegenden Gehölzen, in Thalgründen und Schluchten zur Verfügung stellen kann.

Es ist in der That ein auserlesener Winkel, dies heimelige Ruprechtstegen, um seine Sommerfrische dort abzuhalten, und gern möchte ich recht viel davon erzählen und von dem schönen Stück des lieben Frankenlandes, zu dem es gehört, damit dem Leser der Mund wässerig werde danach und er es zum Ziele seiner nächsten Sommerreise wähle, – allein die Gartenlaube sagt „quod non“. Denn der Raum, den sie mir überlassen, ist schon über und über erschöpft. Ich will daher nur noch erwähnen, daß das Jegel’sche Gasthaus den natürlichen wie den bequemsten Ausgangs- und Stationspunkt für die anziehendsten Punkte des obern Pegnitzthales bietet.

Da schiebt zuerst wenige Minuten nur vom Hotel das enge Ankathal seine bizarren Felscoulissen auseinander, mit den abenteuerlichen Gestalten der rechts und links sich aufgipfelnden und oftmals überhangenden Kalkblöcken ein wahrhaftes Cabinetsstückchcn von pittoresker Landschaftsscenerie. Durch diese wildschöne Schlucht führt der Weg nach dem höchsten Punkt Mittelfrankens, dem Hohenstein, einem zertrümmerten alten Bergschlosse, das man nunmehr zu einer viel benützten Warte für friedliche Besucher und harmlose Naturbewunderer umgewandelt hat, von der man weit in’s Land hinaus schaut, gen Nordosten bis zu den bewaldeten Kuppen des Fichtelgebirges.

Eine andere ähnliche unkriegerische, aussichtreiche Warte ist der Veldenstein, der, obschon nur anderthalb Stunden thalauf, unweit einer der malerischsten Verengungen des Pegnitzthales gelegen, in die sich mancherlei Mühlen und Eisenhämmer zwängen, bereits zur Oberpfalz gezählt wird. Eine halbe Stunde tiefer im Grunde endlich befindet sich die Hauptmerkwürdigkeit, die „first sight“ der Gegend, wie die Engländer sprechen, welche mit ihren langlockigen Misses schon ab und zu die Nürnberger Schweiz zu kosmopolitisiren beginnen. Es ist die große Tropfsteinhöhle von Krottensee, eine der größten Höhlen in Deutschland, wie Höhlenkundige behaupten.

Im dolce far niente, bei trefflicher Verpflegung und unter lustigen Streifen nach den genannten Wanderzielen verstrichen Sonntag und Montag nur zu geschwind. Am andern Morgen trug uns der Omnibus durch die liebliche Uferlandschaft nach Hersbruck zurück. Wie gern hätte ich im behaglichen Jegel’schen Luftcurhause noch länger Rast gehalten, doch das war leider nicht möglich! Heut’ Abend gab’s ja den angekündigten „Niederfall“ bei meinem Freunde, und das Fest durfte ich nicht versäumen, um meinen Studien im Hopfenparadiese den rechten und würdigen Abschluß zu verleihen und um – das schöne Bäbeli vom „letzten Hüttchen“ draußen noch einmal zu sehen.

Schon rüstete sich das ganze Haus zu dieser Feier; denn hier galt es einen förmlichen wohlarrangirten Ball, nicht blos ein improvisirtes Tänzchen nach den bald erschöpften Klängen der Harmonika, und die gesammte Sippschaft und alle die Honoratioren des Ortes wurden erwartet. Man durfte mithin auf Stattliches aufsehen und mußte ebenfalls seine Vorbereitungen treffen, der Gelegenheit Ehre zu machen.

Wirklich es war ein Fest, dieser magistratsräthliche Niederfall, und Bäbeli hatte alle Schwermuth und alle traurigen Lieder daheim gelassen. Obschon auch heute ohne Crinoline und in der Pegnitzgauer Tracht, war sie der Schönsten Eine und ging, eine vielbegehrte Tänzerin, von einer Hand in die andere. Ich aber schlich mich zeitig aus dem lustigen Getümmel; denn der erste Frühzug sollte mich der anmuthigen Gegend und den lieben biederen Leuten wieder entführen.

„Auf Wiedersehen beim nächsten Blatten,“ sprach mein Freund, der sich’s nicht hatte nehmen lassen, mich trotz seiner schlaflosen Nacht zum Bahnhofe zu geleiten, indem er mir noch in’s Coupé hinein zum letzten Male die Hand schüttelte.

Die Stationsglocke läutete, und fort sausten wir erst gen Nürnberg und bald unaufhaltsam nordwärts. Doch die Erinnerung an die Tage im Hopfenlande und im Pegnitzthale fuhr mit mir heim, und wenn ich Abends, nach gutem deutschem Brauche, in der Kneipe saß, – bei jedem Kruge Biers, an dem ich mich labte – und es sind leiblich viele seitdem gewesen! – zog eine oder die andere Phase des Hopfenlebens, wie ich’s in Hersbruck kennen lernte, an mir vorüber. Und weil ich nun weiß, wie König Gambrin hochgehalten wird von den meisten Lesern und auch gar vielen Leserinnen der Gartenlaube, so habe ich gemeint, das kleine deutsche Culturbild, welches ich hiermit zu zeichnen versuchte, werde sich ihres Interesses wohl erfreuen dürfen. Wer von ihnen aber noch nicht die Wahl getroffen hat, wo er demnächst ein paar Ferienwochen oder nur einige freie Sommertage in gemüthlicher Beschaulichkeit verbringen soll, der wandere hinein in die Nürnberger Schweiz und schlage sein Zelt auf im Ruprechtstegener Gasthause, – er wird’s nimmer bereuen und im andern Jahre wiederkehren. Will’s Gott, so begegnen wir uns dort.




Die grüne Insel in Wien.
Eine Zufluchtsstätte deutschen Humors.
Von Franz Wallner.

Unter der Metternich’schen Polizeiregierung nannte der Volkswitz die zahllosen geheimen Spione, mit welchen alle Classen der Gesellschaft in Wien gespickt waren, „Naderer“, und der Warnungsruf: „Naderer da!“ ertönte sofort, wenn Jemand, der im Verdacht stand, ein solcher Söldling zu sein, in einem öffentlichen Local erschien. Auch „Spitzl“ (Spitz) hießen diese gefährlichen Handlanger

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_346.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)