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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

worden, auf die Schneidemaschinen, wo er geschnitten wird, worauf er wieder auf den Cylinder einer Trockenmaschine herabfällt, die ihn, sobald er getrocknet, herauswirft. Jetzt wird der warme Tabak in einen etwas höheren Raum auf die Kühlmaschine gebracht. Mit dieser Kühlmaschine ist ein Ventilator verbunden, welcher in seinen blitzschnellen Umwälzungen einen starken Luftzug erzeugt, so die Abkühlung bewirkt und zugleich den Staub aus dem geschnittenen Tabak in einen hinter den Maschinen befindlichen Behälter weht.

Im Erdgeschoß des Maschinengebäudes arbeitet eine Dampfmaschine von sechszig Pferdekraft, welche die Aufziehmaschinen, den Ventilator, die Trocken- und Schneidemaschinen, wie überhaupt die ganze Mechanik der Fabrik in regelmäßige Bewegung setzt. Vier lustig klappernde Schnupftabaksmühlen und Stampfen ziehen hier vor Allem die Aufmerksamkeit auf sich. Sie zerreiben den Tabak zu Pulver, worauf er durch längere Fermentation und weitere Zubereitung, die ein Geheimniß der Fabrik, vollendet wird. Die Fermentation findet in acht kolossalen Kasten statt. Im zweiten Stock treffen wir fünf der im Hause arbeitenden Schneidemaschinen. Hier wird der Tabak durch Pressen in feste Formen gebracht und sodann in die Schneidemaschine gelegt, die ihn vermittelst einer durch Dampfkraft getriebenen Schraube den Messern zuführt, welche ihn blitzschnell schneiden, worauf er, wie schon erwähnt, auf die untere Trockenmaschine herabfällt. Zwei dieser Schneidemaschinen, von einem Deutschen, Carl Schiller, erfunden, sind die stärksten, die in Amerika gemacht werden, schneiden das größte Quantum und speisen sich selbst. Der Tabak wird in einen Kasten derselben gebracht, und eine endlose Kette treibt ihn den Messern entgegen. Eine einzige dieser deutschen Maschinen kann in zehn Stunden etwa 8000 bis 10.000 Pfund schneiden. Zwei Stufen höher finden sich zwei große, gleichfalls durch Dampf getriebene Schleifsteine, auf welchen die Messer der Schneidemaschinen geschärft werden. Merkwürdig sind hier auch die Stengelwalzen, auf welchen die früher kaum beachteten Stengel und Rippen der Tabaksblätter so glatt gerollt werden, daß sie wie Blätter aussehen. Während in diesem Raume Maschinen die Hauptrolle spielen und nur wenige Menschen sie beaufsichtigen, zeigt sich im dritten Stock ein anderes interessantes Bild. Hier liegt der 40 Fuß breite und 183 Fuß lange Packsaal mit seinen zahlreichen Packmaschinen. An jeder Maschine befindet sich eine Wage, auf welcher der Tabak gewogen wird, ein Trichter, durch den er sodann in größere oder kleinere Papierdüten gelangt, und eine Vorrichtung, durch welche er darin festgepreßt wird.

In der Mitte der Maschine ist ein großes Gefäß aufgestellt, in welchem der zur Verschließung der Pakete dienende Siegellack durch Gas erhitzt wird, was nächsten Sommer durch Dampfheizung bewirkt werden, soll. An jeder Packmaschine, von denen zwanzig vorhanden sind, stehen vier Knaben, welche den Tabak wiegen, durch den Trichter in die Pakete schütten, pressen und versiegeln, – Arbeitsteilungen, die mit überraschender Schnelligkeit und Präcision verrichtet werden. Nahebei, an einem großen Tische, sind Mädchen beschäftigt, Papierdüten zu verfertigen. Ein Mädchen kann deren in zehn Stunden 2500 bis 3000 liefern. An einem anderen Tische kleben kleinere Mädchen die Etiquetten auf die Pakete, welche meist mit Portraits in Farbendruck geziert sind. Diese Portraits stellen Washington oder hervorragende Generäle der gegenwärtigen Armee des Landes vor und sind ähnlicher und netter ausgeführt, als manche andere, die mit künstlerischen Ansprüchen in die Welt gehen.

Da nun jährlich Millionen solcher Pakete in alle Theile der loyalen Staaten, in alle im Süden befindliche Lager- und Garnisonsplätze der Armee versandt werden, andere wieder auf der Flotte ihre stetigen Abnehmer finden, so liegt es auf der Hand, daß die Herren Gail und Ax auch Xylographen und Farbendrucker in bedeutender Anzahl beschäftigen. Stellt man diese Pakete, wie zuweilen manche unserer Soldaten am Zahltage thun, nebeneinander, so hat man die Generäle Burnside, Meade, Franz Sigel, Grant, Sherman vor Augen und gewinnt in dieser billigen Gallerie einen gewissen Ueberblick der amerikanischen Kriegsgeschichte und die bedeutungsvolle Lehre, wie rasch Menschen steigen und fallen. Wie wir hören, beabsichtigen die Besitzer der Fabrik, diese Portraits durch die Bilder der Seehelden Farragut, Foote, Porter, Worden (vom ersten Monitor) zu vervollständigen.

Im vierten Stock, welcher Trockensäle enthält, geht es stiller her. Hier trocknet der von dem Kessel der großen Dampfmaschine abgelassene Dampf den Tabak, der theils auf großen, auf hölzernen Gestellen ruhenden Eisenplatten, theils auf Rahmen ausgebreitet liegt. Letztere befinden sich in eigenen Abtheilungen, in welche der Dampf durch eiserne Röhren, die auch in den fünften Stock, reichen, geleitet wird. Im linken Flügel wird der Tabak in großen Sälen gesiebt und der sogenannte lose Rauchtabak in große und kleine Fässer verpackt, deren hier mehr als in irgend einem der größten Tabakslager des Lagers aufgestapelt sind. Eine Abtheilung des vierten Stocks wird dem sogenannten Ballentabak gewidmet. Hier condensiren hydraulische Pressen den Tabak in Kuchen oder Ballen von einem bis zu zehn Pfund, die dann von Mädchen in groben Baumwollstoff eingenäht, mit Etiquetten versehen und verpackt werden. Im fünften Stock arbeiten wieder drei Schneidemaschinen, wovon zwei den in Amerika so beliebten Talisman-Kautabak schneiden. Ebenda ist eine Schaar von Knaben beschäftigt, die Rippen aus den Tabaksblättern zu nehmen, die dann auf den bereits genannten Stengelwalzen glattgerollt werden. In einer Abtheilung dieses Saales wird der Kautabak theils in Fässer, theils in zinnerne Kannen, größtentheils aber in Staniolblätter verpackt. Nun steigen wir durch die weiten Mansarden-Räume, in welchen sich die Getriebe der Aufziehmaschinen befinden, über mehrere Treppen in den Thurm des Hauses. Die Uhr in demselben ist von Carl Wieser aus München und zeigt auf ihren vier Zifferblättern nach allen Weltgegenden die Zeit. Von hier genießt man eine Aussicht auf die Stadt, den Patapsco, die in demselben vor Anker liegenden Handels- und Kriegsschiffe, auf die Forts, die Baltimore vertheidigen, die Depots seiner Eisenbahnen, wie nicht minder auf die fabrikreiche Vorstadt oder richtiger selbstständige Stadt Canton – ein Panorama, dem es weder an Abwechselung, noch an Reiz fehlt. Mit dem Schlage sieben Uhr Morgens kommen 200 Arbeiter und Arbeiterinnen in die Fabrik und verlassen dieselbe Abends um sieben Uhr, abgelöst von andern 200, welche den Abend und die Nacht hindurch die von uns geschilderten verschiedenen Arbeiten verrichten. Auf diese Weise sind Menschen und Maschinen, zwei Raststunden ausgenommen, Tag und Nacht am Werke. Mit Vergnügen nimmt man in dieser Fabrik wahr, wie hier jugendliche und alte Arbeiter mit heiterem Muthe arbeiten, was einerseits ihrer guten Behandlung, andrerseits dem Umstande zuzuschreiben, daß die für das physische Wohl der Arbeiter getroffenen Vorkehrungen in der That nichts zu wünschen übrig lassen.

Die Säle sind licht, im Winter behaglich erwärmt, im heißen Sommer durch treffliche Ventilation abgekühlt, so rein wie möglich gehalten und am Abend und Nachts durch Gas beleuchtet. Gutes Trinkwasser ist übrigens in allen Theilen des Gebäudes zur Hand. Musterhaft sind die Vorkehrungen gegen Feuersgefahr. Durch das ganze Haus bis hinauf in die Mansarden-Räume läuft eine Wasserleitung, an die sich viele hundert Klafter von Gutta-Percha-Schläuchen schließen, durch welche bei Ausbruch eines Feuers der Wasserstrahl auf alle Punkte des Hauses geleitet werden kann. Ueberdies sind die beiden Flügel vom Hauptgebäude durch Feuermauern und in jedem Stockwerk durch massive eiserne Pforten getrennt, um, wenn ein Feuer ausbricht, das Umsichgreifen desselben zu verhindern. Stunde um Stunde müssen außerdem zwei Wächter durch alle Räume patrouilliren, um nachzusehen, ob nicht von den Maschinen oder Gasleitungen gefährliche Funken stieben, oder Feuersgefahr durch irgend ein Versehen der Arbeiter droht. Zwei Controlluhren von amerikanischer Erfindung, in entgegengesetzten Theilen der Fabrik aufgestellt, haben die wichtige Aufgabe, diese Wächter selbst zu überwachen. Jeder der letzteren muß nämlich bei seinem stündlichen Umgang an einem Draht der Uhren ziehen, worauf sie seine Dienstleistung anzeigen und, wenn diese unterlassen wurde, das Versehen verrathen. Kann man sich schon nach dieser flüchtigen Schilderung einen Begriff von der Großartigkeit der Produktion in dieser Fabrik machen, so wird sich der Leser doch nicht wenig verwundern, wenn wir ihm nach authentischen Quellen mittheilen, daß die Herren Gail und Ax letzthin für ihre Fabrikate in blos zwei Monaten nicht weniger als 44.000 Dollars Steuer bezahlten.

Ehe wir das interessante Gebäude verlassen, besuchen wir noch einige andere Räume desselben, an welchen wir, um eine ununterbrochene Schilderung der hier sich entwickelnden Industrie zu geben, vorläufig vorüber gegangen sind. So treten wir denn in den Pfeifensaal, der einen immensen Vorrath von Pfeifen enthält. Hier findet man die schlichte deutsche Holzpfeife neben der amerikanischen; glänzende

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_390.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)