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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Publicum lauscht als weiland seinem Collegen vor der rauhen Soldateska des fatalistischen Friedländers.

Unterdessen hat sich der Klosterbruder, welcher den Pater als dienstthuender Famulus für die materiellen Zwecke der Geschäftsreise begleitet, mit der Hausfrau auf die Seite begeben, und diese bringt nun das Beste von Butter, Schmalz, Eiern, gedörrtem Obst, Mehl und Wein herbei; der Frater legt die neue Last auf den Rücken des schon reich bepackten Klosteresels, der sich die Zwischenzeit an der wohlbesetzten Pferdekrippe recht angenehm vertrieben hat und es sich nicht im Geringsten anfechten ließ, daß die edeln Thiere auf den grauen Eindringling mit stolzer Verachtung herabblickten. Nun spendet der Pater den Hausbewohnern für die reichen Gaben noch seinen Segen, und dann geht es weiter nach dem nächsten Hofe, wo der eben geschilderte Vorgang in gleicher Weise und mit gleichem Erfolge sich wiederholt.

Für zarter angelegte Naturen mag das Nehmen auf dem Wege des Bettels zuerst wohl seine äußerst bedenkliche Seite bieten. Aber die Gewohnheit stumpft auch feinere Gemüther allmählich ab, und wenn der Bettel nicht nur ein Privilegium besitzt, sondern noch dazu als eine demüthige Herablassung erscheint, so kann man sich im Laufe der Zeit ganz gemüthlich mit ihm befreunden. Deshalb dürfen auch für den Franciskaner die Tage, wo er zum Terminiren hinauszieht, nicht als eine Zeit der Qual und der Buße, sondern vielmehr der Erholung und des Vergnügens betrachtet werden. Das freie Umherschweifen in den lieblichen Gebirgsthälern, die in dem lenzigen Schmucke der Blüthen, in der sommerlichen Pracht der Aehren, in der herbstlichen Fülle des Obstes und der Trauben und selbst unter der winterlichen Krystalldecke ein prachtvolles Landschaftsbild bieten, gewährt eine wohlthuende Abwechslung gegen die schmucklosen Wände der Zelle und gegen die trübe Einförmigkeit des Klosterhofes.

Nicht immer jedoch braucht das Kloster seine Abgesandten ausziehen zu lassen, um die Nothdurft des Leibes auf Freund Langohrs geduldigem Rücken heimzuschleppen. Es giebt Zeiten, wo das Volk seine Gaben selbst herbeibringt. Dies ist namentlich am Ostermorgen der Fall, wo in den katholischen Kirchen eine segnende Weihe über die Ostereier ausgesprochen wird, denen man in der Regel auch noch ein hübsches Stück Schinken, Milchkuchen, Meerrettig und Salz beilegt. Diese Gegenstände nennt man dann „das Geweihte“, und dasselbe wird entweder ganz oder, wo die Ladung gar zu ergiebig wäre, wenigstens theilweise als Frühstück verzehrt. Es erhält da, wie einst im Lager bei Ampfing, jedes Mitglied des Hausstandes ein Ei, während sich nicht selten der Hausvater oder auch sonst ein Mitglied des engeren Familienbundes den Antheil des braven Schweppermann zumißt.

Diese Sitte wird namentlich in Tyrol sorgfältig beobachtet. Jeder gute Tyroler ißt am Ostersonntag-Morgen sein „G’weichtes“, und er würde es für eine Entheiligung des festlichen Tages halten, wenn er etwas Anderes in den Mund brächte, ehe er dasselbe genossen hat.

Es ist nun ganz natürlich und selbstverständlich, daß auch die Herren Patres und Fratres ihr Geweihtes erhalten müssen, und da spenden denn die besonders eifrigen Anhänger und Wohlthäter des Klosters die oben erwähnten Gaben in solcher Fülle, daß die Herren wochenlang tüchtig davon frühstücken können. Wie unser Bild einen kleinen Begriff davon giebt, ist an diesem Morgen die geräumige Sacristei der Klosterkirche dicht mit reichbeladenen Körben angefüllt, und in dem weiten Raume verbreitet sich ein eigenthümlicher Wohlgeruch, der den Klosterbewohnern würzig und verlockend in die Nase steigt, die sich denn auch den saftigen Schinken nach der vierzigtägigen Fastenzeit, in welcher ihnen der Genuß von Fleischspeisen untersagt ist, ganz vortrefflich schmecken lassen.

Der Ostertag ist überhaupt im Franciskanerkloster eines der willkommensten Feste. Der lange Winter, der in großen Städten die Gesellschaft zusammenführt und durch eine bunte Reihe von Zerstreuungen und Vergnügungen zusammenhält, bringt schon für kleinere Orte ein dumpfes und trübseliges Einerlei; um so mehr für ein von aller Welt abgeschiedenes Franciskaner-Hospiz, wo in der Regel die Vorbedingungen für eine tiefere geistige Anregung fehlen, wo zwischen den einzelnen Conventualen bei dem häufigen Ortswechsel, dem sie unterworfen sind, selten eine herzliche Vertraulichkeit, oft aber eine gegenseitige argwöhnische Beobachtung herrscht, und wo die Hauptbeschäftigung in mechanischen liturgischen Formeln, ascetischen Gebräuchen und contemplativem Hindämmern besteht. Der Frühling bringt wenigstens wieder längere Tage; er erschließt die Pforten zu Spaziergängen in der verjüngten Natur; er bringt Besuche und mit ihnen zerstreuende Kunde aus Nähe und Ferne; er öffnet in Bälde den Klostergarten mit der obligaten Kegelbahn.

Die Ostertage bilden für die Söhne des seraphischen Vaters auch Tage der Erholung, da die beiden vorhergehenden Wochen für sie so ziemlich die angestrengtesten des ganzen Jahres sind.

Nämlich die Osterbeichte, der sich in Tyrol nicht leicht Jemand entziehen kann oder auch nur entziehen will, führt nicht nur große Schaaren des Landvolkes in die Beichtstühle der Klosterkirche, auch die Honoratioren des nahen Städtchens oder Marktes tragen ihre Sündenpäcklein alljährlich regelmäßig zu den Franciskanern.

Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, tiefer in die Geheimnisse des Klosterlebens einzudringen oder die Gründe, welche für den Fortbestand, für die Umgestaltung oder etwa auch für die Aufhebung der Klöster sprechen, genauer zu untersuchen.

Wir wollen schließlich nur nochmals auf den im Anfange dieser Zeilen angeregten Gesichtspunkt zurückkommen. „Wo weilt das Glück?“ ruft alle Welt, und wenn wir mit dieser schmerzlichen Frage an die Klosterpforten klopfen, so wird uns auch hier eine verneinende oder doch wenigstens eine abweisende Antwort entgegentönen. Gewiß nur Wenigen hat ein wahrer innerer Drang und wirklicher unabweisbarer Beruf diese Pforten erschlossen. Unklare, gefühlsschwelgende Schwärmerei, bittere Erfahrungen und herbe Täuschungen eines Herzens, das sich nicht stark genug fühlt, weiteren Schlägen des Schicksals zu trotzen; Mangel an Kraft und Muth, sich nach fehlgeschlagenen und zertrümmerten Hoffnungen einen neuen Boden für eine freundliche Zukunft zu erkämpfen – das mögen wohl in den meisten Fällen die Motive sein, welche den Weg hinter diese Mauern gebahnt haben. Und dann bleibt immer noch zu bedenken, daß der Mensch nicht dazu geboren ist, um in stiller Abgeschlossenheit an den kleinen Freuden und Leiden des eigenen Herzens zu zehren, sondern daß er, und sei es auch nur in geringem Maße und in bescheidener Stellung, sich an der Aufgabe der Menschheit zu betheiligen hat, und daß er nur als werkthätiges Glied der menschlichen Gesellschaft dasjenige Maß des Glückes beanspruchen und erreichen kann, das dem Sterblichen hienieden überhaupt zugemessen ist.

W. 




Bilder aus der kaufmännischen Welt.
Nr. 2. Im Bankiergeschäft.

Der Handel mit Geld! Das erscheint vielleicht Manchem lächerlich, denn für die meisten Menschen ist Geld eben nur das was es heißt – Geld. In der Geschäftswelt jedoch kommt dieser hochgeschätzte Artikel in so unendlich vielfachen Formen vor, daß sich eine ganz besondere Classe der Jünger Mercurs lediglich dem Geldhandel gewidmet hat. Es sind dies die Wechsler oder die Bankiers.

Das Geld ist anerkannt die bedeutendste Großmacht der Erde, und man kann deshalb eine wenn auch nur kleine Anzahl außerordentlich reicher Bankiers, deren Namen wir nicht erst zu nennen brauchen, immerhin als Steuergehülfen im Schiff der Weltgeschichte betrachten. Allein diese bevorzugten Würdenträger hüten sich wohl, ihre klingende Großmacht auf eigenes Risico gegen die Gewalt in das Feld zu führen, denn jene glänzenden, vollwichtigen, geränderten Truppen fürchten den unmittelbaren Kampf mit der bewaffneten Macht, in welchem sie leichter verloren gehen würden, als sie verdient worden sind.

Kein anderer Zweig der kaufmännischen Geschäfte beansprucht eine so unausgesetzte Beobachtung der Verhältnisse, als das Bankierfach. Die Waarenhändler und Fabrikanten werden zwar einwenden, daß auch sie ihre ganze Aufmerksamkeit den Wechselfällen des Augenblickes und den eintretenden Conjuncturen widmen müssen,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_408.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)