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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

wenn sie Geschäftsleute im wahren Sinne des Wortes sein wollen. Der Bankier ist jedoch gezwungen, die oft erst in ungewisser Ferne eintretenden Wirkungen der Zeitverhältnisse zu benutzen, um sein Capital gewinnbringend zu verwenden.

Der Gewinn, der dem Bankier erwächst, ist im Einzelnen betrachtet ein anscheinend sehr geringer, und es handelt sich dabei gewöhnlich nur um Bruchtheile von Procenten; dagegen ist aber auch der Umsatz im Vergleich zu den Waarengeschäften ein sehr bedeutender und beläuft sich bei nur irgend renommirten Häusern leicht auf 50 bis 100 Millionen Thaler des Jahres. Der Bruttogewinn bei diesen Umsätzen erreicht im Durchschnitt kaum ein Viertel-Procent; von diesem Bruttoertrage sind jedoch wieder die Geschäftsspesen abzuziehen, welche ungefähr den dritten Theil des Bruttogewinnes ausmachen. Wenn also ein Bankierhaus einen jährlichen Umsatz von 50 Millionen Thalern erzielt, so ist der Bruttoertrag auf etwa 120.000 Thaler anzuschlagen, was nach Abzug der erwähnten Spesen einen Reingewinn von ungefähr 80.000 Thalern ergeben würde. Mag nun dies auch recht erklecklich erscheinen, so muß man andrerseits bedenken, daß neben dem Risico auch ein sehr bedeutendes Capital erforderlich ist, um einen solchen Umsatz zu bewirken.

Für einen großen Theil der Fabrikanten und Waarenhändler ist der Bankier der hauptsächlichste Vermittler von Geld und Credit. Ein neues kaufmännisches Etablissement, welches beispielsweise mit einem Capitale von 10.000 Thalern begründet ist, würde diese Summe in den meisten Fällen jährlich nur einige Mal umsetzen können, wenn nicht die Hülfe des fremden Capitals in Anspruch genommen werden könnte, wodurch sich dann auch der Umsatz bedeutend vermehrt. Ein Fabrikant würde ohne diese Einrichtung meistentheils warten müssen, bis die Zahlungen für die gewöhnlich auch auf Credit verkauften Waaren eingegangen wären, ehe er auf’s Neue arbeiten lassen könnte, und müßte er dann für die eingegangenen Gelder erst wieder die erforderlichen Rohstoffe beziehen, so ginge dadurch eine Menge Zeit verloren, die doch gerade in allen kaufmännischen Verhältnissen für ebenso werthvoll wie das Geld selbst angesehen wird.

Da tritt nun der Bankier vermittelnd ein; den sogenannten Blanco-Credit, welchen er seinen Kunden gewährt, benutzt er, indem er bis zu einem gewissen Betrage Wechsel auf das Bankhaus zieht, die er ohne Schwierigkeit für seine Zahlungen verwenden kann, und hierdurch gelingt es ihm, sich die Mittel zum ungestörten Betriebe seines Geschäftes zu verschaffen. Für solche Creditbewilligungen berechnet der Bankier außer den gewöhnlichen Zinsen durchschnittlich 1/3 Procent Provision, und nehmen wir an, daß ein Bankhaus, welches, wie oben bemerkt, 60 Millionen Thaler Umsatz macht, den sechsten Theil jener Summe im Contocorrentverkehr umschlägt, so würde schon hieran ein Gewinn von etwa 30.000 Thalern bleiben. Allein dieser Nutzen wird selbst bei der größten Vorsicht auch durch Verluste geschmälert, wenn in den Verhältnissen seiner Kunden rasch unvorhergesehene, nachtheilige Veränderungen eintreten; auch dann muß der Bankier die von ihm acceptirten Wechsel seines Kunden stets bezahlen, während letzterer bei ihm nur als einfacher Buchschuldner gilt.

Den bei weitem größten Theil des Bankier-Geschäftes umfaßt der Cassa-Umsatz und der Verkehr in Wechseln und Actien oder Staatspapieren, welche dem Bankier von seinen Committenten entweder zum Verkauf übergeben, oder die von ihm bezogen werden. Bei diesen Operationen bleibt dem Bankier außer seiner Commission, die man durchschnittlich auf 1/6 Procent annehmen kann, mindestens noch ein weiteres 1/6 Procent dadurch, daß er, namentlich wenn er ein ausgedehntes Contocorrentgeschäft betreibt, an den ihm eingesandten Wechseln und Wertpapieren bei dem Wiederkauf (der Begebung) derselben verdient, wobei wir natürlich annehmen, daß der Bankier nicht speculiren will, sondern daß er die ihm eingesandten Papiere sofort verwerthet (realisirt).

Der Nutzen wird noch ansehnlicher, wenn der Bankier die bei ihm eingehenden Wechsel und Actien nach dem gebräuchlichen Ausdrucke „in sich verwendet“; das heißt: wenn er die von einem seiner Kunden zum Verkaufe eingesandten Wertsachen gleich wieder an einen andern seiner Kunden giebt, der ebensolche bestellt hat, was täglich in einem größern Bankgeschäft vorkommt, da sich Begehr und Angebot stets begegnen. Um ein Beispiel anzuführen, wollen wir annehmen, daß A. dem Bankier 20.000 Mark Banko in Wechseln auf Hamburg zum Verkauf übergiebt, während zu gleicher Zeit B. 8000 und C. 12.000 Mark in denselben Wechseln bestellen. Der Bankier berechnet die Wechsel zum notirten Cours abzüglich 1 pro mille Courtage (Mäklergebühren) und übersendet nun die Wechsel an B. und C., denen er entweder jene Papiere 1/8 über den notirten Cours, oder doch mindestens zum notirten Cours zuzüglich 1 pro mille Courtage anrechnet. Er hat also auf diesen Posten zweimal Commission, zweimal Courtage und eventuell auch noch einen kleinen Coursgewinn. Dasselbe Verhältniß findet bei dem Ein- und Verkauf von Actien statt, wobei der Bankier noch die Coursschwankungen an der Börse für sich hat.

Ein wesentlicher Nutzen entsteht dem Bankier noch durch die Discontoverhältnisse, indem der Börsendisconto fast stets niedriger als der Bankdiskonto ist. Wäre nun zum Beispiel der Disconto der preußischen Bank 41/2 %, so wird der Bankier die bei ihm eingehenden Wechsel auf Berlin abzüglich 41/2 % Disconto annehmen, während er solche ohne Schwierigkeit zum Börsendisconto, der unter diesen Verhältnissen nur 4 % oder noch weniger betragen würde, begeben kann.

Verschiedene Bankierhäuser betreiben das Contocorrentgeschäft nur wenig und widmen sich dafür dem Arbitrageverkehr, d. h. sie beziehen Wechsel, Geldsorten etc. von andern Plätzen oder senden solche dahin, wenn sich durch Hervorsuchung und Benutzung aller möglichen Vortheile dabei ein Gewinn erzielen läßt. Der Nutzen ist bei diesen Operationen meistens ein geringer und beträgt nur selten über 1/8 Proc. Dagegen setzt der Arbitrageur das Capital weit öfter um und verdient dadurch in Summa ebensoviel, als der Contocorrentbankier; auch hat er, da er nur mit den feinsten Häusern arbeitet, nicht das Risico, welches jener durch seine Acceptverbindlichkeiten eingeht. Das Arbitragegeschäft ist allerdings auch weit mühsamer, verlangt ungemeine Aufmerksamkeit und viel Raffinement; ebenso erfordert es die genaueste Kenntniß der verschiedenen großen Wechselplätze, sorgfältiges Studium der Geldverhältnisse und eine fortgesetzte Beobachtung der Tendenz für die verschiedenen Gattungen von Wechselvaluten.

Eine Arbitrage, welche vor nicht langer Zeit im großartigsten Maßstabe und mit vielem Erfolg betrieben wurde, war der Bezug von Silbergulden aus Oesterreich. Diese Geldsorte verschwand damals fast ganz aus dem Verkehr in Oesterreich und selbst heute noch dürfte sie zum größeren Theile im Auslande gefunden werden, wohin sie in jener Zeit massenhaft ausgeführt wurde. Diese für die Arbitrageure so gewinnreiche Operation wurde folgendermaßen bewerkstelligt. Die Zinscoupons der österreichischen Nationalanleihe werden in Wien in Silbergeld (meist Gulden) eingelöst; da nun aber von jenem Staatspapiere sich ein großer Theil auf auswärtigen Plätzen, besonders in Amsterdam, Frankfurt a. M., Berlin und einigen baierischen Städten befand, so kauften die Arbitrageure an genannten Orten die fälligen Zinscoupons zu einem Preise, der ungefähr 971/2 bis 98 Thaler für 150 Gulden gleichkam. Diese Coupons wurden nun nach Wien gesandt, an den Staatscassen gegen Silbergulden zum vollen Werthe umgetauscht und diese dann per Bahn an die betreffenden Arbitrageure in das Ausland befördert. Das Porto für die Coupons, die Verwechselungs- und Verpackungsspesen in Wien betrugen ungefähr 1/4 Thaler für 150 Gulden, die Assecuranz auf das mit der Eisenbahn zu befördernde Silber etwa 2 bis 3 Silbergroschen für 150 Gulden und die Fracht von Wien bis zum Wohnort des Arbitrageurs ungefähr 10 Silbergroschen für dieselbe Summe, so daß bei einem Einkaufspreise von 973/4 Thaler für 150 Gulden Coupons, zuzüglich des Zinsverlustes, welchen die zu der Operation erforderlichen sechs bis acht Tage veranlaßten, die 150 Silbergulden auf etwa 981/2 Thaler zu stehen kamen, während man dafür in Frankfurt a. M., Leipzig und andern Orten ohne Schwierigkeit 991/2 bis 993/4 Thaler dafür erzielte. Bedenkt man nun, daß ein einziger größerer Arbitrageur jährlich mindestens 5 bis 6 Millionen Gulden derartigen Silbers aus Oesterreich exportirte, so wird man ermessen können, wie vortheilhaft diese Manipulation war. Bei 6 Millionen Gulden und nur 1 Procent Nettogewinn betrug letzterer 60.000 Gulden oder 40.000 Thaler!

Allerdings blieb diese Operation nicht lange so rentabel, da zu viele Arbitrageurs sich derselben bemächtigten und der Preis der betreffenden Zinscoupons sich dadurch wesentlich steigerte. Seitdem in Oesterreich die Einkommensteuer mit 7 Procent bei den Coupons in Abzug gebracht wird und die österreichische Regierung der Ausfuhr des Silbers auch noch dadurch zu steuern sucht, daß

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_409.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)