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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

sie meist nur Viertelguldenstücke, die eine doppelt so theure Fracht verursachen, als die Guldenstücke, oft aber auch alte Zwanzigkreuzer, welche einen Verlust von 2 Procent ergeben, gegen Nationalanleihe-Coupons auszahlt, wird das eben beschriebene Geschäft nur wenig mehr betrieben.

Fragt man nun, wie jene kolossalen Summen so rasch Abnehmer fanden, so ist dies dadurch zu erklären, daß hauptsächlich die Besitzer von Fabriken oder anderer viele Arbeiter beschäftigender Unternehmungen die österreichischen Silbergulden von den Bankiers kauften und zur Bezahlung der Arbeitslöhne benutzten. Hierdurch drang nun auch diese Münzsorte so überaus rasch in das größere Publicum, und besonders in Sachsen ist noch jetzt die Menge der coursirenden Silbergulden eine ganz außerordentliche. In Preußen konnten sie jedoch nur eine verhältnißmäßig weit geringere Verbreitung finden; das politische Mißtrauen schien sich in jener Zeit auch bis auf diese glänzenden Silberstücke zu erstrecken.

Nicht immer sind dagegen die hauptsächlich auf Zeitverhältnisse basirten Speculationen der Bankiers von dem gehofften Erfolge gekrönt, denn oft genug zerstört ein kleines politisches Ereigniß mit einem Schlage die großen Hoffnungen, welche den Speculirenden schon die Hand nach den winkenden goldenen Früchten ausstrecken ließen, und der gehoffte Gewinn verwandelt sich in bittern Verlust.

Aus diesem Grunde wollen wir uns auch nicht weiter über die Geheimnisse der Speculationen verbreiten, da dieselben doch für manche unserer Leser vielleicht etwas zu Verführerisches haben möchten. Für Leichtgläubige hat man übrigens durch ähnliche Schriften, wie „Der Speculant in der Westentasche“, oder „Die Kunst, durch Börsenspekulationen in vier Wochen ein Millionär zu werden“ und andere dergleichen hinreichend gesorgt. Wir wollen vielmehr jetzt nur noch versuchen, das äußere Leben und Treiben in einem Bankiergeschäfte zu beschreiben und besonders jene Leute betrachten, welche zur Vermittelung so bedeutender Geschäfte berufen sind. Zwar können wir heute unsern freundlichen Lesern nicht den Zutritt zu den berühmten Häusern jener im Anfange dieses Artikels angedeuteten Geldfürsten verschaffen, allein auch ein bescheideneres Bankiergeschäft, d. h. ein solches, dessen jährlicher Umsatz fünfzig und mehr Millionen Thaler beträgt, bietet immerhin für den Wißbegierigen noch Reiz genug.

Welch ein Unterschied zeigt sich schon auf den ersten Blick zwischen den Geschäftslocalitäten der Waarenhändler und denen der Bankiers! Während dort Vorräthe aller Art in Massen aufgestapelt liegen und überdies noch außerhalb geräumige Niederlagen Waaren bergen, erstaunt der Uneingeweihte über die ausfallende Leerheit, welche im Vergleiche zu jenen die Geschäftsräume der Wechsler darbieten. Eine große Anzahl von Pulten für die Angestellten des Comptoirs, dicke Bücher, hohe Stöße von Briefen, einige lange Zähltische und dahinter verschiedene feuerfeste Cassenschränke, in denen die Wertpapiere aufgespeichert sind – das ist der ganze Schmuck, wenn man nicht sagen will das Handwerkszeug der Bankiers. Aber die beim Zählen mit wunderbarer Schnelligkeit von einer Hand in die andere gleitenden Gold- und Silbermünzen verursachen eine so verführerische Musik, daß wir diesem Sirenenklange nachgehen und den Geldwirbel der Agio-Charybdis in größerer Nähe betrachten wollen.

Wir treten in die geheimnißvollen Räume, in denen uns sogleich die Menge der einzelnen Abtheilungen auffällt. Der Chef des Hauses thront in einem abgesonderten Cabinet und empfängt hier die Meldungen seiner Untergebenen, prüft die ihm gemachten Vorschläge, bewilligt oder verweigert mit gleicher Ruhe Credit, oder ordnet neue, großartige Geschäfte an. Er empfängt gewöhnlich nur Personen, welche besonders wichtige Angelegenheiten mit ihm zu besprechen haben; für Geschäfte geringerer Bedeutung hat er Bevollmächtigte genug unter seinem Personale.

Es würde unrecht sein, wenn wir den ernsten Herrn in seinen fünf-, sechs- oder siebenstelligen Zahlencombinationen stören wollten, und da unser Geschäft für heute hier überhaupt doch blos Neugierde betrifft, so ist der Empfang, der uns zu Theil werden könnte, auch noch zweifelhaft genug.

Am geeignetsten dürfte es deshalb wohl sein, wenn wir lieber gleich dem süßen Klange der unweit davon gezählt werdenden Thaler folgen, welcher unausgesetzt an unser Ohr schlägt. Dieser herrlich klingende Wegweiser führt uns zu dem Hauptcassirer des Geschäfts, einem stillen, ernsten Mann, der so zu sagen wirklich bis über die Ohren im Gelde sitzt. Oft genug hält er auf einmal hunderttausend Thaler oder mehr in Wechseln und Cassenanweisungen in seiner Hand, ohne dabei nur auf den Gedanken zu kommen, wie bedauerlich es ist, daß er das hübsche runde Sümmchen nicht sein nennen kann. So ist es aber im Leben auch überall: man gewöhnt sich bei täglicher Wiederholung ebensowohl an das Beneidenswerthe wie an das Abscheuerregende, und Niemand kennt die Resignation gründlicher, als ein solcher Hauptcassirer.

Der Hauptcassirer ist ein Mann von wahrhaft stoischer Ruhe, was Geldangelegenheiten betrifft, und keine Summe ist im Stande, ihn außer Fassung zu bringen. Weder der Klang des Goldes, noch der Anblick der so sauber gestochenen, auf große Summen lautenden Cassenanweisungen kann ihn reizen; die mit 500 oder 1000 Thalern Silbergeld angefüllten Säcke, welche hinter ihm stehen, rückt er gelegentlich blos mit einem leichten, verächtlichen Fußtritte bei Seite. Der Blick, welchen der Hauptcassirer seiner sehr oft in Thätigkeit gesetzten Schnupftabaksdose zuwirft, ist ungleich zärtlicher als jener, den er über die seiner Obhut anvertrauten wohlgefüllten Cassenschränke gleiten läßt. So groß nun auch die Ruhe ist, welche der Oberausseher der Geldvorräthe äußerlich sich angeeignet hat, so ist doch unverkennbar sein Amt ein im hohen Grade angreifendes.

Die durch lange Praxis erworbene Sicherheit schließt trotzdem eine gewisse innere Unruhe nie ganz aus, und es ist auffallend, daß gerade bei den mit so bedeutenden Cassengeschäften betrauten Männern mehr als bei anderen scheinbar noch mehr anstrengenden Funktionen geistige Abspannungen vorkommen, die zuweilen einen bedenklichen Charakter annehmen. Nur wenige Menschen, die nicht jahrelang mit Geldgeschäften vertraut waren, möchten aber auch von einer fieberhaften Aufregung befreit bleiben, wenn sie das Amt eines solchen Hauptcassirers zu verwalten hätten, der beispielsweise in jedem Jahre eine Summe von vielleicht vierzig Millionen Thalern durch seine Hände gehen sieht. Niemand aber wird wohl verlangen, daß unter solchen Verhältnissen die Zeiten der monatlichen oder halbmonatlichen Cassenabschlüsse auch den ruhigsten Cassirer nicht in eine gewisse Aufregung versetzen sollen.

Als Gehülfen sind dem Hauptcassirer einige Cassendiener (an einigen Orten auch sonderbarer Weise Markthelfer genannt) beigegeben, welche hauptsächlich die verschiedenen Münzsorten zu sondern, zu zählen und einzupacken haben. Dies sind erprobte, grundehrliche Männer, und obgleich auch sie innerhalb eines Jahres so manche Million nachzuzählen haben, so sind sie doch mit einem kräftigeren Nervensystem begabt, als der Hauptcassirer, da ihr Leben durch das Austragen und Einfordern der Gelder an sich schon mehr Abwechselung bietet.

Eine kaum weniger anstrengende Stelle als der Hauptcassirer bekleidet der zweite Cassenbeamte, welcher das Wechselgeschäft der verschiedenen Geldsorten, den sogenannten Handwechsel, im unmittelbaren Verkehr mit dem Publicum zu leiten hat. Die kleineren Summen, welche er einnimmt und ausgiebt, und die Schnelligkeit, womit dies geschieht, verlangt einen geübten Mann; aber Niemand würde zur Besetzung einer solchen Stelle sich weniger eignen als ein Numismatiker, der so oft unter der Masse der einlaufenden fremden Münzsorten Seltenheiten suchen und entdecken, dabei aber auch unausbleiblich manches Versehen machen würde.

Unter den oben angedeuteten kleinen Summen darf man sich jedoch nicht etwa Bagatellbeträge vorstellen; der zweite Cassirer rechnet oft genug nach Tausenden, und der Umsatz an seiner Casse erreicht fast die Hälfte des Hauptcassenumschlages in demjenigen Bankiergeschäft, von welchem wir hier sprechen.

Einen sonderbaren Gegensatz zu dem ruhigen Wesen der beiden Cassirer bildet der lebhafte Nachbar des letzterwähnten, ein Mann, der den Ein- und Verkauf der Actien, Staatspapiere etc. unter sich hat. Bedenkt man nun, daß allein in den verschiedenen Eisenbahnen und industriellen Actienunternehmungen Deutschlands etwa 14 bis 1500 Millionen Thaler angelegt sind, so ergiebt sich allerdings für jenen Herrn ein reiches Feld der Thätigkeit. Es giebt aber wohl keine Eisenbahn der alten und nur wenige der neuen Welt, über welche er nicht auf der Stelle die umfassendste Auskunft zu geben wüßte. Die Abfahrts- und Ankunftsstunden der verschiedenen Eisenbahnzüge darf man freilich unter dieser Auskunft nicht verstehen, wohl aber weiß er über Zahl und Stand der Actien, über die betreffenden Dividenden und Prioritätsanleihen den genauesten Bericht zu erstatten. Seine Gewandtheit und sein

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_410.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)