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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Heinrich Heine uns in seinen Nordseeliedern weiß machen will, doch einen blitzblanken Dreizack. Eine solche „Theerjacke“ von der Tauchergilde aber lacht dem Bruder Jupiter’s in die Zähne.

Schon will sich der Matrose zur Rückkehr in die Oberwelt anschicken, einige gefräßige Grundfische mit Fußtritten abwehrend, als aus einem Schilfdickicht ein Bruder Seemann auftaucht, einer von denen, die da in der stillen See zu Grunde gegangen. Der alte Matrosenhumor scheint auch in dem Gespenste noch fortzuleben. Nicht nur schüttelt er dem Cameraden aus dem Reiche der menschlichen Rede die Hände und ertheilt ihm praktische Winke, wie derselbe sich der Schätze bemächtigen könne, sondern giebt ihm auch einen Kunstgenuß zum Besten, wie er nur je an Deck eines Linienschiffes das lustige alte England ergötzt hat. Er tanzt ihm den Horn-pipe vor, jenen Matrosentanz, der am besten mit den Hacken gestampft wird, wenn im Kopfe die Kobolde des Bacchus ihr Wesen treiben, und da kein Orchester zur Hand, spielt ein kleiner Meerteufel mit dem Geschick eines oberweltlichen „geschätzten“ Virtuosen eine Geistervioline in „stummen Tönen“ mit einem Geisterfiedelbogen. Dann – husch! – ist Alles verschwunden, schnell wie ein Gedanke! Wir sind wieder auf dem Trocknen, und ging es vorher in die Tiefe, so stehen wir jetzt auf der Spitze des Brockens, unter uns die Harzthäler, vor uns die öden Felsen, „wo Deutschlands isländischer Moosthee wächst“ und wohin Mephistopheles zur Walpurgisnacht die Hexlein aus allen Richtungen der Windrose zusammenpfeift auf Bock und Besenstiel. Hier ist es, wo das „Brockengespenst“ uns seine Visite macht und zwar in zwei Gestalten, die im Costüm wandernden Quäkern auf’s Haar ähnlich sehen.

Eine Londoner Gespenster-Vorstellung.
Originalzeichnung unseres Londoner Specialartisten.

Nachdem der Gastgeber aus dem Geisterreich, Prof. Pepper, der bis dahin in Fleisch und Blut und schwarzem Frack vor uns gestanden, als Erklärer und Reisegefährte durch alle vier Elemente, sich schließlich selbst zu einem sieben Zoll hohen Phantom verflüchtigt und nach dem Takte der Musik, nur zu einer Ahnung des eigenen Selbst zusammenschrumpfend, dem Publicum mit seinen Zwergenhändchen die freundlichsten Complimente zugewinkt, fällt der Schleier von den Lampen, und Alle sehen sich wieder im Lichte der Oberwelt. Auch der Policeman ist wieder da, der als höflicher Gentleman beim Plätzeanweisen fungirt und dessen blanker Hut allein in dem Dunkel während der Vorstellung einige verirrte Lichtfäden aufgefangen und wie ein kleines St. Elmsfeuer geschimmert hatte.

„Wie geht das zu?“ – „Sagen Sie mir, um Gottes willen, wie das zugeht!“ – „Spiegelung soll’s sein, sagen sie – das versteh ich nicht. Es war etwas und war doch auch wieder nichts.“ – „Das Gespenst ging ja ganz wesenlos durch alle Gegenstände hindurch, oder vielmehr alle Gegenstände gingen durch dasselbe hindurch.“ – „Wie kommt das?“ – „Was bedeutet das?“ und „Wie geschieht das?“

Die Leser werden ähnliche Fragen, ähnliche Vermuthungen und Einwürfe schon aufgestellt haben, wie wir auf dem Nachhausewege. Wir wollen deshalb die höchst einfachen Erscheinungen der Gesetze, welche bei dem Pepper’schen Gespenst zu so überaus täuschender Wirkung angewandt werden, in aller Kürze nebeneinander stellen und die Erklärung des optischen Apparates daraus ableiten.

Erstens: Wenn man sich in einem gewöhnlichen Spiegel besieht, so erblickt man sein Bild nicht in der Fläche des Glases, sondern es scheint unser Gesicht hinter dem Spiegel zurück zu stehen; und zwar genau so weit, als sich dasselbe in der That vor der Spiegelfläche befindet. Das ist bei allen Spiegelbildern der Fall. Können wir z. B. in einer Entfernung von acht Zoll eine Schrift deutlich lesen, so werden wir, wenn wir dieselbe neben unsere Augen halten, um sie scharf im Spiegel zu erkennen, uns demselben bis auf vier Zoll nähern müssen.

Zweitens brauchen wir, um Spiegelungserscheinungen zu beobachten, durchaus keine Metallplatten oder mit Hülfe von Amalgam undurchsichtig gemachte Glasscheiben, sondern wir können von unsern Spiegeln das Belege abkratzen und werden trotzdem,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_445.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)