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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

„Was meinen Sie, Excellenz?“

„Wenn wir auch einsehen, daß auf diesem Wege, d. h. durch die Marchesa, nichts zu gewinnen ist, ließen sich unsere Gegner nicht verleiten, auf diesem Wege etwas zu suchen, um dadurch Alles zu verlieren?“

„Der Baron von Breteuil “ entgegnete Kaunitz lächelnd, „ist nicht mehr Adonis oder Antinous als wir Beiden auch! Aber als Franzose ist er freilich eitler als wir … wenn es möglich wäre, ihm vorzuspiegeln, die Marquise sei ihm entgegengekommen …“

„Denken Sie darüber nach, Kaunitz, es muß Mittel und Wege geben, in dieser Richtung etwas zu thun! Wenn Carl Emanuel auf den Verdacht geräth, der Baron von Breteuil mache seiner Marchesa den Hof, um dadurch ihn zu gewinnen, so ist Breteuil verloren!“

„Ich will darüber nachdenken, Excellenz,“ versetzte Kaunitz, „noch in dieser Nacht, wenn man mir Ruhe dazu läßt –“

„Und was stört denn die Ruhe Ihrer Nächte?“

„Was sie stört? … geheimnißvolle dunkle Stimmen, die sich um die Mitternachtstunde hören lassen und mir allerlei dunkle Dinge zuraunen …“

„Ah bah – doch nicht die Stimme Ihres Gewissens?“ sagte Traun auflachend.

„Nein, die nicht, die habe ich gewöhnt, mich nicht zu stören und mir nicht boshafter Weise meine diplomatische Carrière zu verderben …“

„Nun, es wird doch auch nicht spuken in diesem funkelnagelneuen Schloß Stupinigi, das noch nach dem Tüncher riecht wie das sardinische Königthum nach dem frischen Firniß!“

„Ich weiß es nicht, was es ist, aber ich hoffe, ich werde ihm noch diese Nacht auf die Spur kommen und Ihnen morgen mehr davon erzählen können … aber wer stört uns da?“

Beide wandten die Köpfe, weil sie eilende Schritte hörten – ein hochgewachsener junger Mann vom echtesten piemontesischen Typus, der sich so scharf vom italienischen unterscheidet und so viel mehr von nordischem Naturell und nordischem Wesen verräth, kam hinter ihnen aus dem Gebüsch daher und schritt an ihnen vorüber. Er trug die sehr reiche, rothe, auf allen Nähten galonnirte Uniform der adligen Hausgarden des Königs.

„Ah, Cavaliere,“ sagte Kaunitz, während der junge Mann eine grüßende Verbeugung machte, „ich mache Ihnen mein Compliment. So eben noch bemerkte Graf Traun von Ihnen, daß Sie als Damöt im Schäferspiel ausgesehen wie ein Adonis und Ihre Rolle gespielt wie ein junger Gott!“

„Der Herr Graf sind sehr gnädig,“ versetzte der Cavaliere, „und ich danke Seiner Excellenz von Herzen für eine so nachsichtige Aufnahme unseres kleinen Dramas …“

„Sie waren in der That entzückend, Cavaliere,“ fiel hier Graf Traun ein, „aber ich sehe, Sie haben sehr geeilt, wieder in Ihre Uniform zu kommen … was hat Ihnen Damöt gethan, daß Sie ihn so schnell von sich geworfen?“

„Der arme Damöt, der Ihnen doch so viele Bewunderung eingetragen,“ setzte Kaunitz neckend hinzu, „und wer weiß, vielleicht noch mehr, als bloße Bewunderung, denn in der That, Sie kommen da aus den dunklen Gebüschen hervorgeeilt, wie ein glücklicher Knabe auf der Schmetterlingsjagd – auch die Schäferinnen haben Schmetterlingsherzen, wir kennen das … haben Sie das, dem Sie nachjagten, erhascht?“

Der junge Mann lachte fröhlich auf.

„O nein, ich habe nichts erhascht und auch nichts gejagt,“ sagte er, „ich habe in meinem Pavillon mir mein Costüm gewechselt und mich wieder in die Uniform geworfen, da ich Wachdienst im Schlosse habe und nur für die Stunden des Spiels einen kleinen Urlaub hatte. Die Herren müssen deshalb verzeihen, daß ich mich für jetzt verabschiede!“

Er legte die Hand an den galonnirten Hut und eilte davon.

„Glückliche Jugend!“ sagte Traun ihm nachblickend.

„Glücklich, ja – vielleicht sogar ein wenig zu viel!“ fiel mit spöttischem Tone Kaunitz ein.

„Wenn man so schön, so harmlos, so mit sich selbst zufrieden ist und eine so glänzende Uniform tragen darf, wie dieser Cavaliere di Lucano – und das Alles an einem Hofe – welch’ beneidenswerthes Loos!“

„Freilich,“ versetzte Kaunitz „wenn nur das Glück des guten Cavaliere nicht zu groß zu werden drohte!“

„Das heißt?“

„Er ist aus einem und demselben Orte mit der Marquise von San Damiano, durch sie in sein bevorrechtetes Corps gebracht, man spricht von einer besonderen Huld für ihn, die sie offen hervortreten läßt, von mehr als bloßer Jugendfreundschaft für ihn… “

„Dann allerdings könnte des Glücks für ihn zu viel werden,“ antwortete Graf Traun lächelnd. „Aber kommen Sie, begeben wir uns zur Gesellschaft zurück, zu all’ diesen bunten Fliegen, die da unten um die Lampen der Illumination schwärmen und summen…“

„Und zuweilen auch stechen!“ rief lachend Kaunitz aus, indem er sich erhob und dem Chef der Gesandtschaft folgte.




3.

Ein paar Stunden später war Alles, was zu den „Spitzen“ dieser glänzenden Gesellschaft gehörte oder die Ehre hatte, unter den eingeladenen Gästen des Königs zu sein, in dem ovalen großen Saal, welcher die Mitte des Schlosses einnimmt, zur Abendtafel versammelt. Die Balkonthüren standen weit geöffnet, und mit der lauen Nachtluft drangen die Düfte der Blüthen, das Rauschen der Wasserstrahlen, welche der Neptunszug in das große Bassin vor dem Schlosse schleuderte, in den weiten goldstrahlenden, taghell erleuchteten Saal.

Man vernahm dieses Rauschen sehr deutlich, denn die um das Mahl versammelte Gesellschaft war weit davon entfernt, sich einer lärmenden Fröhlichkeit hinzugeben und das Geräusch zu verursachen, welches sonst ein zahlreich besetztes Banket begleitet. Nur der König sprach laut, die ihm oben am Tische zunächst Sitzenden unterhielten sich halblaut, die weiter entfernt Sitzenden flüsterten, und die, welche ganz unten waren, schwiegen – über der ganzen Versammlung lag dämpfend das Gefühl der Ehrfurcht vor der Majestät, an deren Tische man sich befand.

Zur Linken des Königs saß die Marquise von San Damiano, eine stattliche Dame von etwa dreißig Jahren, nicht gerade eine regelmäßige Schönheit, auch nicht mehr von jener Frische, die den Frauen des Nordens so viel länger als denen des Südens eigen bleibt, aber anmuthig in ihren Bewegungen, und kokett diese Anmuth zeigend, wenn sie die gepuderten Löckchen von ihren Schläfen zurückwarf, oder ein von ihrem Kopfputz niederhängendes Band mit der schmalen Hand über die bloße weißglänzende Achsel legte. Ihr zur Seite saß der Baron von Breteuil, der französische Gesandte, und neben ihm eine auffallend hübsche junge Dame, aus deren dunklen Augen Feuer und Lebenslust sprühten – es war eine Nichte der Marchesa, die den wohlklingenden Namen Bianca Pallavicini führte.

Zur andern Seite des Königs hatte der Graf Traun seinen Ehrenplatz gefunden, neben ihm eine französische junge Dame, ein Fräulein von Boissac, das zur Familie des Barons von Breteuil gehörte; etwas weiter unten saß der Graf Kaunitz, der schönen Bianca schräg gegenüber, die er mit allem Geist, der ihm zu Gebote stand, zu unterhalten suchte.

Der König sprach mit Traun über seine Korallenfischereien an den Küsten der Insel Sardinien und von einer neuen Perlenfischerei, die er angelegt, und die Marchesa von San Damiano zeigte ein mit schwarzen Perlen besetztes Riechdöschen, das der König ihr geschenkt hatte, besetzt mit den Ergebnissen jener Fischerei. Während ihr Nachbar, der Baron von Breteuil, diese seltene Perlenart betrachtete, fügte sie hinzu:

„Ich habe sehr hübsche Perlen, ich liebe sie so – aber es fehlt mir eine jener merkwürdigen Perlen, von denen ich gehört habe, ohne je eine zu Gesicht zu bekommen – die halb weiß und halb schwarz sind … die Gräfin von Berna hat, so viel ich weiß, eine solche besessen –“

„Sie irren, Marchesa,“ fiel ihr der König in’s Wort, „die Gräfin von Berna hat eine solche Perle nie besessen; sie kam aus Frankreich sehr arm hier an, und solch eine Perle wäre allein schon ein Schatz gewesen …“

„In der That,“ bemerkte hier mit erhöhter Stimme Graf Kaunitz, dem keine Sylbe, welche oben am Tische gesprochen wurde, zu entgehen pflegte, „so viel ich weiß, giebt es nur eine solche Perle in der Welt. Sie ist so groß wie die Spitze des kleinen Fingers der Marchesa – unten ist sie völlig schwarz, bis

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_451.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)