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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

aber zum Unglück besaß der reiche Kaufmann eine Tochter. Sie hieß Bertha und mochte zu jener Zeit etwa sechzehn Jahre alt sein. Sie war eine große, schöne Gestalt mit blondem Haar und großen blauen Augen; in ihrem Gange und in ihrem ganzen Wesen lag etwas Stolzes und Entschiedenes, das einen gewissen Eindruck nicht verfehlte. In diese Bertha verliebte er sich sterblich; je näher er mit ihr bekannt wurde, desto mehr wuchs diese Liebe, die alsbald erwidert wurde. Niemand hatte eine Ahnung von der gegenseitigen Neigung der beiden jungen Leute. Dem Herzen des Dichters genügte dieses stumme und reine Glück, von dem er lebte.

So waren Jahre in diesem stillen Glück verflossen. Bertha’s Vater hatte zur Feier ihres achtzehnten Geburtstages einen großen Ball veranstaltet. Am Schluß des Festes trat Raoul an Bertha heran, die allein in einer Fensternische saß, und richtete mit bewegter Stimme folgende Worte an sie: „Es sind nun drei Jahre, Bertha, daß ich die Ehre habe, Sie zu kennen, und eben so lange, daß ich das Glück habe, Sie zu lieben. Ich bin entschlossen, morgen bei Ihrem Herrn Vater anzufragen, ob er mich zu seinem Schwiegersohne machen will. Bevor ich aber diesen wichtigen Schritt thue, bitte ich Sie, mir zu sagen, was Sie Ihrem Herrn Vater erwidern werden, für den Fall, daß er Sie von meinen Wünschen in Kenntniß setzt.“

„Lieber Raoul,“ erwiderte Bertha, „meine Antwort auf Ihre Frage möchte zu lang ausfallen, als daß ich sie Ihnen noch heute Abend geben könnte; Sie sollen sie morgen früh schriftlich von mir bekommen.“

Hierauf stand sie auf und verschwand in einem Nebenzimmer.

Raoul zog sich in seine bescheidene Dachwohnung zurück. Am nächstfolgenden Tage, gegen sechs Uhr des Abends etwa, empfing ein vertrauter Freund Raoul’s ein ziemlich starkes Paket von der Post, das die nachstehenden drei Briefe enthielt.

Raoul an seinen Freund.

„Lieber Paul, beikommend sende ich Dir den Brief, den mir Bertha diesen Morgen auf meine gestrige Anfrage geschrieben hat; ich lege Dir auch meine Antwort an sie bei. Du allein kanntest meine Liebe zu Bertha, Du weißt, daß sie das einzige Glück meines Lebens war. Du wirst auch begreifen, daß mein Herz nun gebrochen, wie mein Glück zertrümmert ist, und daß ich so nicht länger leben kann. Geh’ nach der Morgue und laß meinen Leichnam, den Du dort finden wirst, zu meinem Onkel bringen. Verzeihe mir, daß ich Deiner treuen und bewährten Freundschaft noch diesen letzten, peinlichen Dienst abverlange, und lebe wohl.  Raoul.“

Bertha an Raoul.

„Mein lieber Herr Raoul, die Mittheilung, die Sie mir gestern Abend gemacht haben, erfreut mich einerseits in hohem Grade, während sie mich andererseits erschreckt, da sie eine Erklärung zwischen uns herbeiführen muß, der ich gern ausgewichen wäre. Wir kennen uns nun seit drei Jahren; die Regungen Ihres Herzens waren mir kein Geheimniß mehr, und ebenso ist meine Liebe für Sie Ihnen nicht unbekannt geblieben. Ich war glücklich, mich diesen schönen Gefühlen hingeben zu können, aber Sie wissen ebensogut wie ich, lieber Herr Raoul, daß jeder Traum ein Ende, ein Erwachen haben muß! Das Leben bildet eine Kette von Nothwendigkeiten, denen wir uns fügen und unterwerfen müssen, da es nicht in unserer Macht liegt, sie zu ändern.

Sie kennen meine Lage ebenso genau, wie ich selbst. Sie wissen, daß mein Vater sein allerdings ziemlich bedeutendes Vermögen nach und nach mit seinen Kindern theilen will. Demnach würden mir, für den Fall, daß ich mich jetzt verheirathete, 200,000 Franken zukommen; diese Summe bringt eine jährliche Rente von 10,000 Franken, und das reicht nicht aus, um ein angenehmes und heiteres Leben zu führen, wie ich es gewöhnt bin. Ich kann also keinen Mann heirathen, der ohne Vermögen ist, wenn ich mich nicht in allerhand Sorgen stürzen will, die ich gar nicht ertragen könnte. Wir würden uns später vielleicht bittere Vorwürfe machen, wenn wir jetzt nur den Eingebungen unserer Liebe folgen wollten, ohne die mahnende Stimme der Vernunft zu berücksichtigen.

Sie sind Dichter, und daher kommt es wohl, daß Sie für die Wirklichkeit des Lebens keinen rechten Sinn haben; aber Ihr schöner Beruf, der Sie allein nur höchst mühselig ernährt, wird Sie leider niemals in die Möglichkeit versetzen, die mannigfachen Bedürfnisse eines größeren Hausstandes zu bestreiten.

Glauben Sie mir, lieber Herr Raoul, es wird mir sehr schwer, Ihnen alle diese Dinge zu sagen; indessen, wenn Sie meinen Brief ruhig überlegen, werden Sie darin nur die Stimme der gesunden Vernunft entdecken. Erblicken Sie eben auch darin den Beweis meiner aufrichtigen und innigen Liebe für Sie und seien Sie fest überzeugt, daß Ihr Glück mir ebenso am Herzen liegt, wie das meinige.  Bertha.“

Dieser Brief – ich habe ihn im Original in meinen Händen gehalten und gelesen – ist, man muß es gestehen, in seiner Art ein kleines Meisterstück. Das also hat die Erziehung des neunzehnten Jahrhunderts aus einem jungen, reichen Mädchen gemacht! Das Bedürfniß des Luxus ist ihr zur zweiten Natur geworden und hat in ihr so viel kalten Verstand, so viel berechnende Vernunft entwickelt, daß es uns in ihrer Nähe unwillkürlich fröstelt. Bertha schreibt in ihrem achtzehnten Jahre einem jungen Manne, den sie liebt, – man bedenke, den sie liebt! daß sie mit einer Rente von 10,000 Franken nicht auskommen kann, sie sieht schon die möglichen Sorgen der Zukunft voraus, sie untersucht die etwaigen Einkünfte ihres Geliebten und folgert daraus Gefahren für ihr beiderseitiges Glück – und alles dies mit achtzehn Jahren! – ist es nicht entsetzlich? Die kalten, herzlosen, berechnenden jungen Mädchen werden heirathen, werden Mütter werden, wie aber werden sie ihre Kinder erziehen? Was wird aus den kommenden Generationen werden, die aus solchen Händen hervorgehen? Wird vielleicht eine plötzliche Reaction eintreten, oder wird sich das Gefühl für positive Interessen noch mehr entwickeln? Werden die ursprünglichen Rechte des Herzens noch mehr geschmälert werden, und wird die Ehe ganz und gar in die Kategorie der gewöhnlichen Geschäfte herabsinken? Das ist das große Räthsel der Zukunft!

Neben Bertha’s Brief lag noch ein kleines, zerknittertes Blatt, dessen Schrift fast unleserlich, von Thränen halb ausgelöscht war. Es enthielt Raoul’s Antwort, die folgendermaßen lautete: „Mein Fräulein, Sie haben tausendmal Recht. Ich war ein Wahnsinniger, da ich auf die Erfüllung eines schönen Traumes mein ganzes Glück gesetzt hatte. Seien Sie reich und glücklich, leben Sie lange und ohne Sorgen – das ist mein innigster Wunsch. Ich meinerseits werde in das Nichts zurückkehren, aus dem ich niemals hätte hervortreten sollen, und bitte Sie nur um Vergessenheit!  Raoul.“

Nachdem Raoul’s Freund diese drei Briefe mit immer wachsender Bestürzung gelesen hatte, begab er sich sogleich in die Wohnung den jungen Dichters, in der Hoffnung, daß dieser seinen verzweifelten Entschluß noch nicht werde ausgeführt haben. Daselbst aber sagte man ihm, daß Raoul schon des Morgens zeitig ausgegangen sei und man ihn seitdem nicht wiedergesehen habe. Schweren Herzenn eilte nun der Freund nach der Morgue und zu seinem tiefen Schmerze fand er hier den armen Raoul, der sich zu diesem letzten trüben Rendez-vous leider nur zu pünktlich eingestellt hatte; starr und ruhig lag sein entseelter Leichnam ausgestreckt auf dem kalten Steine; sein langes schwarzen Haar, das ganz durchnäßt an seinen Schläfen herabhing, ließ die Blässe seines schönen, träumerischen Gesichtes noch lebhafter hervortreten; der Todeskampf hatte seine Züge nicht entstellt, und um seine Lippen spielte ein sanftes Lächeln.

Seinem Wunsche gemäß wurde sein Leichnam zu seinem Oheim gebracht. „Der arme Junge!“ rief der Arzt, „er muß wahnsinnig gewesen sein; ja, ja, sein Gehirn hat vermuthlich gelitten!“ Diesmal irrte sich der berühmte Doctor; Raoul’s Gehirn war nicht angegriffen, sein Herz allein hatte den Todesstoß empfangen.

Im Hause des reichen Kausmannn machte dieses traurige Ereigniß einiges Aufsehen, und Fräulein Bertha war sogar zwei Tage lang ganz betrübt. „Das liebe Kind,“ sagte ihre Mutter, „bedarf der Aufheiterung; wir wollen in’s Seebad reisen, das wird sie zerstreuen!“ Und in der That, Fräulein Bertha weilt gegenwärtig in Dieppe, wo sie sich allen möglichen ausheiternden Zerstreuungen hingiebt.

Wir haben unterdessen den armen Raoul zur Erde bestattet und eine Trauerweide auf sein Grab gepflanzt.




Wasserstoff als Heizmaterial. Wie so oft schon läuft auch jetzt wieder durch die Zeitungen die Nachricht, daß es gelungen sei, „aus dem Wasser das Wasserstoffgas auf so billige Weise herzustellen, daß man dasselbe zur Kesselheizung und dergleichen statt Kohlen mit großem Vortheil benutzen könne“. Der Glückliche, der diesmal den Ring von unschätzbarem Werth besitzt, ist ein Spanier Namens Mundo, und nach der „Revista minora“ sollen mit nach seiner Methode erzeugtem Wasserstoffgase die Dampfmaschinen des Schiffes „Antilope“ bereits geheizt worden sein.

Das ist möglich – aber „mit Vortheil“ – das ist unmöglich. Warum? Wasser besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff, der erstere ist ein brennbares Gas. Beim Verbrennen verbindet er sich mit Sauerstoff und bildet damit eben wieder Wasser. Während der Vereinigung der beiden Bestandtheile erzeugt sich, wie bei jeder Verbrennung, Hitze und diese ist bei der Verbrennung von Wasserstoff ganz besonders groß, so daß es begreiflich erscheinen kann, warum so Viele immer und immer wieder die Idee der Wasserzersetzung verfolgt haben.

Aber was würde man von einem Manne sagen, der am Ufer eines Sees, aus welchem kein Abfluß stattfindet, eine Wassermühle anlegen wollte, indem er das mit Hülfe einer Dampfmaschine aus dem See emporgehobene Wasser auf das Wasserrad fallen und das letztere dadurch in Bewegung setzen läßt? Man würde ihn für albern halten, weil sich Jeder sagen muß, daß ihm das Wasser nicht mehr Kraft geben kann, als die Dampfmaschine zum Schöpfen nothwendig hat, und daß es viel zweckmäßiger sein muß, gleich von der Dampfmaschine das Mühlwerk treiben zu lassen, als eine Menge kraftzehrender Mittelwerke dazwischen zu legen.

Genau denselben Fehler, wie der Seemüller, begehen aber alle diejenigen, welche aus dem Wasser den Wasserstoff abzuscheiden versuchen, um ihn dann zu verbrennen. Denn das Wasser läßt nicht etwa seinen Wasserstoff so gutmüthig fahren, – die Trennung seiner Bestandtheile erfordert ebensoviel Kraft, als die Wiedervereinigung derselben, die Verbrennung des Wasserstoffs, durch die Wärme auszuüben im Stande ist. Dies Gesetz ist ganz unumstößlich – bestände es nicht, dann allerdings könnten unversiechliche Kraftquellen eröffnet werden, das perpetuum mobile wäre gefunden und die Arbeit stände umsonst zu Diensten. Allein es herrscht unerbittlich durch die ganze Natur, und ebenso wie kein Theilchen des Stoffes verloren geht, wird auch keine Spur von Kraft durch irgend eine Vorrichtung gewonnen, das heißt: aus Nichts erzeugt. Wir können die vorhandenen Kräfte nur umwandeln: Wärme in mechanische Kraft (Dampfmaschine), mechanische Kraft in Elektricität (Electrisirmaschine), Elektricität in Magnetismus und umgekehrt Magnetismus in Elektricität, wie es in elektromagnetischen Apparaten geschieht. Die Pflanze nimmt Licht und Wärme auf und macht dadurch chemische Processe, welche Licht und Wärme geliefert haben, wieder rückgängig; sie braucht Licht und Wärme, um die durch Verbrennung entstandene Kohlensäure wieder in verbrennbare Kohle zu verwandeln, und die Muskelkraft der Thiere und Menschen erhält sich schließlich durch ganz analoge Processe, wie die Spannung des Dampfes unter dem Kolben der Maschine, durch die chemische Verwandlung (Verbrennung) der Nahrungsmittel im Innern des Körpers.

Das Wasser vermögen wir auf verschiedene Weise zu zersetzen: wir können es über glühendes Eisen leiten, sodaß dieses den Sauerstoff daraus anzieht und den Wasserstoff frei macht; wir können es mit Zink und Schwefelsäure zusammenbringen, wobei ebenfalls der Sauerstoff sich mit dem Metall verbindet; wir können die Pole einer elektrischen Batterie hineinleiten und verschiedene andere Mittel anwenden, – aber es giebt keins, welches im Großen und Ganzen auch nur den geringsten Vortheil brächte. Das Eisen müßten wir aus dem Eisenoxyd (in welches es sich durch Sauerstoffaufnahme verwandelt,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 479. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_479.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)