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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

brachen die unheimliche Ruhe. Die drei Weiber umstanden die schöne Eva. Die lange, dürre Gestalt der Mettel, die fast kugelrunde der Amtsschreiberin und die zitternde der Kippenberg contrastirten gegeneinander wie Figuren eines Nachtgemäldes von Meister Callot.

Zwischen ihnen, am Boden kauernd, weiß, einem Gespenste der alten Sage gleichend, das lange prachtvolle schwarze Haar aufgelöst über ihre schönen Schultern fließend, mit hochgerötheten Wangen, ängstlichen aber doch geschäftigen Blicken, lag die schöne Eva. Ihre runden, weißen Arme entfernten die Ketten, welche die Lederbündel zusammenhielten; zuweilen schnaubte sie zornig, wenn sich ein Knoten oder eine Schnalle nicht rasch genug öffnete. Diese ganze Gruppe beleuchtete eine ungeheure Lampe, hoch einporgehalten von dem trocknen, bronzefarbigen Arme der Mettel.

Die Augen der Weiber hefteten sich fest auf die Bündel. Das erste ward auseinandergeschlagen. Es enthielt Stroh, eine große Anzahl breiter Tuchenden, einige cylinderförmige Hölzer von Armeslänge, ein langes, weißes Gewand, einen seidenen Mantel gleicher Farbe, Handschuhe, seidene Strümpfe, Sammetschleifen und einen weiten, ziemlich dichten Schleier.

„Legt Alles sorgfältig bei Seite,“ flüsterte Eva, „doch so, daß wir es bei der Hand haben.“

Anne Dankwert that, wie ihr geheißen. Unterdessen schlug Eva das zweite Bündel auseinander. Sie hob von dem darin befindlichen Gegenstände ein Tuch hinweg. Ein lauter, aus drei Kehlen zu gleicher Zeit kommender Schrei tönte durch das Gemach – entsetzt fuhren die Weiber zurück. In dem Bündel lag, von der flackernden Flamme grausig beleuchtet, ein menschliches Haupt.

Schmerzverzogen schienen die Linien des bleichen Antlitzes, welches schwarzes Haar gleich einem Rahmen umgab. Die Augen waren geschlossen, aber bei dem Flackern der Lampe schien es, als zuckten die Wimpern.

Die schöne Eva faßte den unheimlichen Gegenstand mit beiden Händen und hob ihn empor. Der Kopf saß auf einem Stücke Rumpf. Jetzt traten die Frauen näher und bemerkten zu ihrer Beruhigung, daß es ein Holzbild war, welches Eva ihnen entgegenhielt, aber es war trefflich, täuschend gefertigt.

(Schluß folgt.)




Rechtskunde für Jedermann.
5. Die rechtliche Stellung der Frauen.

Die Stellung der Frauen, bei den verschiedenen Völkern charakteristisch für deren Culturzustände, ist in Deutschland nach und nach eine freiere geworden, ohne doch bis jetzt eine vollkommen freie zu sein. Noch ist das Weib in rechtlicher und staatlicher Beziehung gegen den Mann zurückgesetzt, und diese auf eine gewisse vorausgesetzte Schwäche des weiblichen Geschlechtes gegründete Zurücksetzung zeigt sich auf zweierlei Art, indem ihm die Gesetze theils gewisse Rechte versagen, theils manche der rechtlichen Handlungen des Weibes mit Formen umgeben, die es vor Nachtheilen schützen sollen. So namentlich die Bürgschaften der Ehefrauen für ihre Ehemänner, über deren Bedeutung und Folgen die Bürginnen vom Richter in Abwesenheit der Ehemänner belehrt werden müssen.

In staatlicher Beziehung ist das weibliche Geschlecht von öffentlichen Aemtern und Functionen ausgeschlossen, und erst der neuesten Zeit war es vorbehalten, seine Befähigung für gewisse Stellen nachzuweisen, von denen man früher glaubte, daß sie nur Männer verwalten könnten. So finden sich jetzt hier und da Frauen im Eisenbahn- und Telegraphenfache mit Erfolg verwendet, während ihre Befähigung zum kaufmännischen und gewerblichen Geschäftsleben in außerdeutschen Ländern längst anerkannt ist und auch in Deutschland mehr und mehr anerkannt wird.[1] Auch die Vertreter der neuesten Wissenschaft haben es nicht verschmäht, Frauen sogar den Doctorgrad zu ertheilen.

Heutzutage ist eine unvermählte, volljährige Frauensperson hinsichtlich ihrer eigenen rechtlichen Angelegenheiten unbeschränkt, nachdem die früher bestandene Geschlechtsvormundschaft im Ganzen beseitigt ist. Es können unter Umständen Frauen selbst Vormündinnen werden, jedoch bis jetzt nur über ihre eigenen Kinder oder Enkel. Mit Eingehung der Ehe aber tritt das Weib selbst wieder unter eine Art der Vormundschaft, die eheliche Vormundschaft des Mannes, welche namentlich die Vermögensrechte berührt. Was nun die Abschließung der Ehe anbetrifft, so wird zunächst ein gewisses Alter erfordert, welches die einzelnen deutschen Rechte verschieden normiren. Als Regel kann gelten, daß beim männlichen Geschlecht die Volljährigkeit, beim weiblichen das zurückgelegte 14. (in Sachsen nach dem bürgerl. Gesetzbuche das 16.) Lebensjahr zu Eingehung der Ehe befähigt. Zu frühe Ehen sind nie begünstigt worden.[2] Ein zweites Erforderniß zu Eingehung einer Ehe ist die Einwilligung der beiderseitigen Eltern, bei verwaisten Unmündigen auch, nach einzelnen Landesrechten, der Vormünder und der obervormundschaftlichen Behörde. Die ohne Einwilligung des Vormundes geschlossene Ehe wird jedoch nicht nichtig, während dies bei der ohne Einwilligung der Eltern, wenigstens des Vaters, vollzogenen Ehe der Fall ist.

Die elterliche, respective väterliche Einwilligung wird nach mehreren Gesetzen auch bei Eingehung einer zweiten Ehe erfordert. Versagen Eltern ihre Einwilligung, so hat der Eherichter die Weigerungsgründe zu untersuchen und, wenn er sie ungenügend findet, seine Einwilligung, anstatt der elterlichen, zu erklären. Rechtmäßige Weigerungsgründe sind: Mangel an dem nöthigen Einkommen, schlechte Sitten, begangene Verbrechen, ansteckende Krankheiten und gewisse Gebrechen.

Ein der Ehe vorhergehendes feierliches Verlöbniß ist kein wesentliches Erforderniß und berechtigt zu keiner Klage auf Erfüllung des Eheversprechens. Die hier und da vorgekommene Zwangstrauung ist abgeschafft.

Verboten sind Ehen zwischen Verwandten und Verschwägerten in auf- und absteigender Linie und zwischen Geschwistern, zwischen Vormündern oder deren Kindern mit Mündeln während der Dauer der Vormundschaft, sowie, nach kirchlichem Eherecht, Ehen zwischen Christen und Nichtchristen. In den Ländern, wo die Civilehe, d. h. eine durch einfachen, vor dem Richter abgeschlossenen Vertrag, nicht eingeführt ist, wird die kirchliche Trauung, der in der Regel ein dreimaliges Aufgebot von den Pfarrern des Wohnortes beider Verlobten vorherzugehen hat, das bindende Moment. Eine Wiederauflösung der Ehe ist schwer, bei Katholiken eine vollkommene Scheidung gar nicht möglich. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet.“

Mit Abschluß der Ehe wird der Mann Herr im Hausstande, seine Stimme giebt den Ausschlag bei häuslichen Angelegenheiten, er verwaltet das Vermögen seiner Frau und genießt die Zinsen davon, sofern nicht durch Gesetz, Vertrag oder den Willen eines Dritten, von dem das Vermögen herrührt, etwas Anderes bestimmt worden ist. Ohne des Mannes Zustimmung kann die Frau kein gültiges Rechtsgeschäft abschließen, wenn sie nicht etwa ein Handelsgeschäft gewerbsmäßig betreibt. Ohne Zustimmung der Frau ist der Mann dagegen nur an gewissen Veräußerungen oder Verpfändungen ihrer Güter behindert. Die Frau theilt Namen, Rang und Stand des Mannes; jedoch leidet dies eine Ausnahme bei der Ehe zur linken Hand. Eine solche wird, wo sie vorkommt, nur ausnahmsweise und mit Genehmigung des Regenten eingegangen und schließt die Ehegattin sammt den mit ihr erzeugten Kindern von des Mannes und Vaters Stand und Verlassenschaft, den Ehegatten aber von dem Nutznießungs- und Verwaltungsrechte aus. Im Uebrigen ist auch diese Ehe eine vollgültige und duldet namentlich kein anderes Eheband neben sich. Nur Mannspersonen können sich mit Frauenspersonen zur linken Hand verehelichen, nicht umgekehrt; denn die Frau verliert durch die Ehe mit einem niedriger geborenen Manne ihren Rang und Stand und nimmt


  1. Diese Erfahrung führte Herrn Dr. Otto Fiebig in Leipzig zur Begründung eines Institutes für Ausbildung erwachsener Töchter zum kaufmännischen und gewerblichen Geschäftsbetriebe, dessen bereits verhältnißmäßig sehr starker Besuch Zeugniß für das vorhandene Bedürfniß und für die Gesundheit der zu Grunde liegenden Idee giebt.
  2. Daher auch das deutsche Sprüchwort: „Wenn man einem Buben eine Frau und dem Kinde einen Vogel giebt, so ist Beider Untergang vor der Thür.“
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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_490.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)