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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

und schritt dann die Allee wieder hinauf, dem Schlosse zu. Kaunitz blickte ihm eine Weile mit einer ausdrucksvoll bewegten Miene nach und dann sagte er, sich schadenfroh die Hände reibend: „Ich glaube, der Fisch hat den Köder verschluckt! Und zum Ueberfluß wird er jetzt auch noch mit der Perle Effect machen wollen … hätte er sie nur früher bekommen und, wie ich hoffte, seiner Aimée sofort abgenommen! Doch jetzt wird Alles gut gehen!“

Der Baron von Breteuil wanderte unterdessen mit beschleunigten Schritten heim und suchte, sobald er in seiner Wohnung angekommen, seine Cousine Aimée von Brissac auf. Er hatte ein langes Gespräch mit ihr. Darauf setzte er sich nieder, um ein Billet an den Cavaliere Gennaro di Lucano zu schreiben.

Nach einer halben Stunde wurde ihm das Billet uneröffnet zurückgebracht. Es sei, lautete die Meldung seines Kammerdieners, welcher es ihm übergab, nach den Reglements den Militärgefangenen vor ihrer Aburtheilung durch das Kriegsgericht jede Correspondenz verboten.

„Und was nun?“ fragte der Baron seine Cousine, als er ihr diese Nachricht gebracht.

„Es ist ein böser Querstreich,“ versetzte Aimée ein wenig bestürzt.

„Ein sehr böser! Aber meinst Du nicht, daß ich trotzdem …“

„Ich glaube, mein Vetter,“ sagte Aimée leicht erröthend … „ich glaube, Sie können es trotzdem …“

„Du hast Recht … also zum Könige!“




7.

Die Audienz, welche der Baron von Breteuil beim Könige nachgesucht hatte, war ihm, wie immer den fremden Gesandten, sofort gewährt worden. Als sie zu Ende, hatte der französische Gesandte sich in das Vorgemach der Marchesa von San Damiano begeben und um die Ehre nachgesucht, sich ihr vorstellen zu dürfen.

Die Marchesa hatte ihn sehr huldvoll empfangen, obwohl sie, wie sie sagte, leidend war; ihr bleiches Aussehen strafte diese Worte der schönen Frau nicht Lügen. Breteuil nahm es zu seiner großen Befriedigung wahr und war entzückt, eine Nachricht zu haben, welche sofort die Rosen auf die blassen Wangen der Marchesa zurückrufen mußte. Er zog ein Etui aus seinem Rosataftrock hervor und überreichte es mit einer tiefen Verbeugung der Marchesa.

„Madame,“ sagte er, „es war jüngst Ihr Wunsch, ein Kleinod zu besitzen, welches in seiner Art einzig ist und das deshalb nur von einer Dame getragen werden darf, von welcher der Ruf in allen Ländern das Gleiche sagt – lassen Sie mich also Ihnen zu Füßen legen, was nur Ihnen gebührt!“

„Herr Baron,“ versetzte die Marchesa, „ich habe immer die unübertrefflichen Wendungen bewundert, in welche Sie Ihre Complimente zu kleiden wissen … aber,“ fuhr sie fort, indem sie das Etui öffnete … „ist das ein Geschenk für mich?“

„Ich komme wenigstens in der Hoffnung, daß es von der Frau Marchesa nicht verschmäht wird!“

„Die Perle, die Gennaro der Brissac gab, wie Bianca mir klagte!“ sagte sich die Marchesa im Stillen sehr betroffen … „er muß sie seiner Cousine weggenommen haben!“

„Ich kann das nicht annehmen,“ erwiderte sie laut, „weil … nun, weil der König …“

„Madame,“ fiel Breteuil eifrig ein, „der König ist nicht mehr in der Stimmung, Ihnen zu zürnen – ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß Se. Majestät Ihnen sehr bald einen Schritt abbitten werden, der Sie, Frau Marchesa, in so hohem Grade kränken mußte … “

„Einen Schritt, der mich kränken mußte?“

„Der Sie so tief verletzt und bekümmert hat. Ich habe den König bewogen, den Cavaliere di Lucano sofort in Freiheit setzen zu lassen!“

„In Freiheit setzen zu lassen … den Cavaliere? Und das haben Sie zu Stande gebracht, Herr Baron?“

„Ja, Frau Marchesa, der Eifer, Sie zu verpflichten, und, um ganz offen zu sein, die Hoffnung auf ein wenig Dankbarkeit von Seiten einer Frau, die so viel über Seine Majestät vermag, hat mir die rechten Mittel, diese Aufgabe zu lösen, eingegeben … der Cavaliere ist frei!“

„Beim Himmel, das ist mir eine unerwartete Nachricht!“ rief die Marchesa mit immer steigender Verwunderung aus, indem sie heftig bewegt das Etui mit der Perle auf einen Tisch warf … „sagen Sie mir um Gotteswillen …“

„Welche diese Mittel waren?“ fiel der Baron von Breteuil mit selbstgefälligem Lächeln ein und indem er seine Stimme dämpfte, „ich habe dem Könige mitgetheilt, daß der Cavaliere mit meiner Cousine Aimée von Brissac verlobt sei und daß ich um die Einwilligung Sr. Majestät zu dieser Verbindung bitte. Der König hat diese Nachricht mit sehr erhellter Stirn aufgenommen, sie hat seine argwöhnischen Gedanken sichtbar auf der Stelle zerstreut – der König, Madame, ist sehr glücklich!“

„Der König ist glücklich?“

„Wie man es nur sein kann, wenn uns eine schwere Last vom Herzen fällt – die schwerste, welche es giebt! Er hat mit den scherzenden Worten, der Cavaliere gehöre nun mithin der französischen Gesandtschaft an und ich habe ein Recht, ihn zu reclamiren, den Befehl gegeben, alles weitere Verfahren wider Signor Gennaro fallen zu lassen.“

„Herr Baron,“ sagte die Marchesa jetzt mit einem aufwallenden Zorn, der nicht mehr zu verkennen war, „Alles, was Sie mir da sagen, ist mir völlig unverständlich – zumeist wie Sie sich in eine Sache mischten, die … über freilich, Sie sagen mir, der Cavaliere sei der Verlobte Ihrer Cousine … Ihrer Cousine Aimée von Brissac … und der König hat bereits seine Einwilligung dazu gegeben … nun, wahrhaftig, dann bleibt mir ja wohl nichts übrig, als Glück dazu zu wünschen – in der That, ich wünsche Ihnen und dem jungen Paare sehr, sehr viel Glück, Herr Baron. Führen Sie es ja recht bald auf Ihre Güter, damit es dort im Stillen seinen Honigmond genießen kann – hören Sie, ja recht bald, es wird mir eine Freude sein, wenn ich erfahre, daß Sie mit demselben dahin abgereist seien …“

Die Blicke der Marchesa sprühten Feuer, während sie diese Worte hervorsprudelte, und der Baron von Breteuil nahm zu seiner ungeheuersten Ueberraschung wahr, daß er etwas gethan, was ganz und gar nicht zu dem Zwecke führte, den er beabsichtigt hatte.

„Aber, Frau Marchesa,“ sagte er äußerst bestürzt, „indem ich über mich nahm, ein so schreckliches Schicksal von einem jungen Manne abzuwenden, der Ihnen so nahe steht und der so würdig ist der Gunst, welche Sie ihm bewiesen …“

„Der mir nahe steht … dem ich Gunst bewiesen … Herr Baron, ich weiß nicht, woher Sie den Muth zu diesen Ausdrücken nehmen und was Sie dadurch andeuten wollen – der Cavaliere ist ein wortloser Mensch, ein Unwürdiger, ein Mensch von der verächtlichsten Treulosigkeit … und ich, ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich Ihnen Glück wünsche zu diesem Cousin und … Sie nicht länger Ihrem häuslichen Glück entziehen will – keinen Augenblick länger!“

Die Marchesa machte eine stolze Verbeugung mit dem Kopfe und wandte dem Baron so ausdrucksvoll den Rücken zu, daß er nicht anders konnte, als schweigend mit einer tiefen Verbeugung sich zurückziehen.

„Mein Gott,“ sagte er, als er das Vorzimmer erreicht hatte, „wer hätte geglaubt, daß sie in den jungen Menschen so bis über die Ohren verliebt sei, daß sie ihn lieber im Donjen von Bard, als in den Armen einer Andern wissen will!“

Der Baron von Breteuil war vollständig verblüfft. Er war eben im Begriff, das Corps de Logis des Schlosses, worin die königlichen Gemächer und die der Marchesa lagen, zu verlassen und den Corridor, der zu der ihm angewiesenen Wohnung führte, zu betreten, als ihm der Cavaliere di Lucano aus der Tiefe dieses Ganges entgegengeeilt kam.

„Ah, Signor Gennaro,“ rief er ihm zu, „wie gut, daß ich Sie sehe …“

„Excellenz,“ unterbrach ihn dieser sehr aufgeregt … „was ist das? man sagt mir soeben, ich sei frei, und ich höre dabei, daß ich dies Ihrer Vermittelung beim Könige verdanke!“

„In der That,“ versetzte der Baron, „Sie verdanken es mir – ich sprach den König …“

„Aber wie war es Ihnen möglich …“

„Hören Sie zu, Cavaliere – es war mir möglich, indem ich ein sehr heroisches Mittel anwandte, das Ihnen jetzt nachträglich zu ratificiren übrig bleibt. Ich hätte,“ fuhr der Baron fort,

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