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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

indem er Gennaro unter den Arm nahm und mit ihm den Corridor hinabging, „Sie vorher um Ihre Einwilligung gefragt, wäre es mir möglich gewesen. Aber man verweigerte mir sogar die Erlaubniß, Ihnen ein Billet zusenden zu dürfen. So handelte ich in Ihrem Namen. Ich bat ohne Zeitverlust um eine Audienz beim Könige. Bei meinen ersten Worten an Se. Majestät überzeugte ich mich, wie tief des Königs eifersüchtiger Groll auf Sie war … Se. Majestät fragten mich mit eiskaltem Ton, mit düster zusammengezogenen Brauen, was die französische Gesandtschaft veranlasse, sich so früh am Tage um die Amtsgeschäfte seines Generalprofosses zu kümmern. ‚Majestät,‘ antwortete ich, ‚es handelt sich hier um einen Fall, der ein wenig zu der Amtssphäre der Gesandtschaft gehören dürfte – wobei sie ihr Recht der Exterritorialität in Anspruch nimmt; denn wenn es Eure Majestät zu Gnaden halten wollen, der junge Mann ist der Gesandtschaft attachirt, so attachirt, wie es ein Verliebter nur an seinen Gegenstand sein kann …‘

‚Was, er ist in die französische Gesandtschaft verliebt?‘ geruhten S. Majestät lächelnd einzufallen.

‚Nicht gerade in die Gesandtschaft,‘ erwiderte ich … ‚nein, Majestät, aber in Mademoiselle Aimée de Brissac, welche ein wenig zur Gesandtschaft gehört und welche – seine Braut ist; und so, hoffe ich, wird der König ihn uns herausgeben!‘“

„Welche … welche meine Braut ist?!“ fuhr Signor Gennaro auf.

„So sagt’ ich,“ versetzte der Baron von Breteuil, indem er den Cavaliere durch eine Verbeugung einlud, in sein Vorzimmer einzutreten, vor dem sie eben angekommen waren und dessen Flügelthür ein harrender Diener aufgeworfen hatte.

„Aber um Gotteswillen,“ rief Signor Gennaro aus, die Schwelle überschreitend und während der Baron ihm winkte, auf einem Sessel Platz zu nehmen, „um Gotteswillen, Herr Baron, wie konnten Sie sagen …“

„Ich sehe Sie mit Recht erstaunt, mein lieber Cavaliere, aber Aimée hat mir Alles gestanden, und es war keine Zeit zu verlieren. Morgen wären Sie auf der Reise nach diesem entsetzlichen Fort Bard gewesen. Es gab kein besseres durchschlagenderes Mittel, die Eifersucht des Königs zu beschwichtigen … und beschwichtigt ist sie … des Königs Züge erhellten sich wunderbar, seine Augen leuchteten vor Glück, und der Befehl zu Ihrer Freilassung …“

„Aber ich begreife nicht,“ fuhr der Cavaliere dazwischen, „was den König dabei glücklich machen kann!“

„Wenn er Sie in den Banden einer Andern, als Bräutigam einer Andern weiß … das begreifen Sie nicht?“ unterbrach ihn der Gesandte … „in der That, das ist seltsam! Ahnen Sie denn gar nicht, daß der Zorn des Königs Sie zu vernichten drohte, weil er auf … nennen wir es auf die Gnade der Marchesa für Sie eifersüchtig ist?“

„Deshalb … deshalb wurde ich verhaftet?“ rief Genuaro, … „o mein Gott!“

„Das überrascht Sie?“

Signor Gennaro antwortete auf diese Frage nicht. Er flüsterte nur in sich hinein: „O mein Gott, ich bin gefangen … ich bin vernichtet … vernichtet! Aimée meine Braut!“

„Und nun, mein lieber Cavaliere,“ begann der Gesandte wieder, „was sagen Sie zu dem heroischen Mittel, zu dem ich griff, um Sie zu retten, weil es das einzige war, das Sie retten konnte?“

„Ja, ja, ja,“ stammelte Gennaro, „Sie haben Recht, Sie haben ganz Recht, es ist das Einzige, was mich rettet … o ich danke Ihnen dafür – ich danke Ihnen …“

„Und Aimée …“

„Ja, Aimée … Sie hat Ihnen diesen Schritt eingegeben … sie … wie kann ich ihr danken …“

„Kommen Sie, damit wir sie aufsuchen!“

Gennaro schlug wie ein Verzweifelnder beide Hände vor’s Gesicht.

„O mein Gott!“ stöhnte er leise noch einmal, „bin ich denn wirklich gefangen – verloren für ewig?“ und plötzlich aufspringend, rief er aus: „Nein, nein, ich kann es nicht … nicht in diesem Augenblick … lassen Sie mich, Baron – nur für eine Stunde – lassen Sie mich Luft schöpfen, nach so Vielem, was mich überwältigt … Adieu, Adieu …“

Und damit eilte er davon und stürzte aus dem Vorzimmer des Gesandten fort wie ein Wahnsinniger.

Der Baron blickte ihm betroffen nach.

„Das ist ein seltsames Betragen für einen Verliebten, dem man eben sein Glück ankündigt!“ sagte er für sich. „Es scheint, dies soll ein Tag der Ueberraschungen für mich sein. Aber am Ende muß mir die Marchesa wenigstens doch Dank wissen für Das, was ich für sie gethan habe!“




8.

Signor Gennaro stürzte unterdeß in der furchtbarsten Aufregung desselben Weges daher, den vorhin der Baron von Breteuil gekommen. Ehe wenige Augenblicke verflossen, stand er im Vorzimmer der Marchesa von San Damiano und mit dem Kammerdiener, der ihn anmelden ging, drang er zugleich in das Gemach der schönen und einflußreichen Frau ein, um einer Abweisung zuvorzukommen.

Die Marchesa stand in der Mitte ihres Zimmers; sie war beim Anblick Gennaro’s leichenblaß geworden und richtete durchbohrende Blicke auf ihn; ihre Lippen zitterten, als sie leise, kaum vernehmlich vor unterdrücktem Zorn, die Worte sprach: „Wer erlaubt Ihnen hier einzudringen, Cavaliere? Der König hat für gut gefunden, Ihnen die Freiheit zu schenken … aber ich hatte mir geschworen, Sie nie wieder zu sehen!“

„Marchesa!“ rief Gennaro aus, indem er sich vor ihr auf die Kniee warf, „vergeben Sie mir, ich mußte, ich mußte Sie sehen, ich mußte aus Ihrem eigenen Munde vernehmen, ob es wahr ist, daß ich mich Ihretwegen opfern, daß ich um Ihretwillen für immer unglücklich werden muß – wenn es so ist, dann will ich es, gern, gern, aber aus Ihrem Munde will ich es hören … muß ich für ewig mein Schicksal an diese kokette Französin ketten, die ich hasse, die ich verabscheue?“

„Gennaro!“ rief hier die Marchesa aus, „was sagen Sie da – Sie sind niedrig genug, Ihre eigene Braut zu beschimpfen?“

„Meine Braut!“ rief der junge Mann mit einem Ausdruck unsäglichen Unglücks. „Aber es sei – um Ihretwillen möge sie meine Braut sein … ich weiß, wie viel ich Ihnen verdanke … von welcher mütterlichen Theilnahme Sie für mich immer erfüllt gewesen sind, wie Sie für meine Stellung an diesem Hofe gesorgt haben … und nun ist der König, dieser argwöhnische gewaltthätige König, dadurch von Eifersucht erfüllt worden … das einzige Mittel seinen Verdacht abzulenken ist, daß ich diese Französin, der ich so leichtsinnig den Hof machte …“

„Um Gotteswillen, was reden Sie da!“ unterbrach ihn heftig die Marchesa, „der König … eifersüchtig … auf mich … auf Sie, Gennaro? … o, nun versteh ich die impertinenten Reden des Barons von Breteuil erst …“

„Ist es denn nicht so?“ fragte der Cavaliere sehr überrascht.

„Und wer, beim Himmel, wagt es zu sagen, daß dem so ist?“ fuhr die Marchesa auf.

„Der Baron von Breteuil!“

„Der Baron von Breteuil … der Unverschämte also verbreitet es, der König sei Ihretwegen, Gennaro, in Eifersucht?“

„Und habe mich deshalb nach dem Fort Bard schicken wollen, und er, Breteuil, habe mich gerettet, indem er mir seine Cousine zur Braut gegeben!“

„Abscheulich,“ rief die Marchesa aus, „das ist abscheulich … so meine Ehre anzutasten … des Königs Ehre … der König um meinetwillen in Eifersucht … nein, dies ist mehr, als ich ertragen kann!“

„Also,“ fragte Gennaro kleinlaut und doch froh aufathmend, „dies ist Alles nicht wahr, und ich brauche nicht der Verlobte Aimee’s zu sein?“

„Lieben Sie denn Aimée wirklich nicht?“ rief die Marchesa mit einer aufwallenden Heftigkeit aus, die ganz anderer Art wie ihr bisheriger Zorn war.

„Ich … ich Aimée lieben? … beim Himmel, nein, Frau Marchesa!“

„Aber, Sie Unglücklicher, Sie haben doch ihretwegen Bianca verlassen – Sie haben dieser Französin so auffallend den Hof gemacht …“

„Es mag sein … aber wahrhaftig, ich schwöre Ihnen, es geschah – es geschah“ – der Cavaliere suchte nach einer Ausrede,

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