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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Die Poesie des Rauchens.
Eine Petition an die Frauen.
Mit Illustrationen von L. Loeffler.

Es beginnt zu dämmern. Dieses ist die Stunde, wo ich mir eine Cigarre anzuzünden pflege. Ich setze mich dann in meinen Lehnstuhl, schaue in den Abendhimmel hinaus und folge den großen Wolken, die daran ziehen, oder blicke träumend in die kleinen Wolken, die kleinen, blauen Dampfwolken, die aus meiner Cigarre kräuselnd aufsteigen und sich langsam im Zimmer verlieren.

Welch’ eine Magie liegt doch in dem Anblick des Dampfes! Ich will nicht von dem Dampf der Locomotive sprechen, denn der bezeichnet Unruhe, Rastlosigkeit, er bezeichnet das Jahrhundert. Auch nicht von der schwarzen Rußwolke, welche über den Fabrikstädten schwebt, oder mit Flammenzungen gemischt aus den düstern Schlöten emporschlägt. Dieser Dampf bezeichnet die Arbeit, die Mühe, die Armuth der Einen, den Reichthum der Andern. Wozu sollen wir unser Dämmerstündchen mit solchen Gedanken stören? Laßt uns den Dampf betrachten, der aus den Hütten der Dörfer wirbelt, den Rauch des Heerdes, diesen Boten des Friedens, diese wahre Wolkensäule der Menschheit, die ihr Canaan sucht. Giebt es ein freundlicheres, anmuthigeres Bild als solch ein Dorf, wenn sein gastlicher Rauch, vergoldet vom Schein der Abendsonne, Euch nach tagelanger Wanderung zu winken scheint? Wenn er Euch seine stille Erzählung von einem einfachen Glück, von Zufriedenheit, von Dankbarkeit, von Fleiß und vom Lohne des Fleißes zu erzählen und Euch in den Worten des Dichters zuzurufen scheint: „wenn’s noch auf Erden einen Frieden giebt, so ist es hier!“ – Wie trostlos dagegen kommt uns ein Haus vor, dessen Schornstein kalt ist! Hängt nicht über solch’ einem Hause selber ein Schatten von Kälte, ein Anflug von Frostigkeit, der uns unwillig macht, seiner Thüre zu nahen und seine Schwelle zu überschreiten? Die Unzufriedenheit, die Schuld oder die Verzweiflung müssen unter einem solchen Dache wohnen. Denn wer das Leben liebt, der liebt das belebende Feuer und den einladenden Rauch, der noch über das Dach hinaus den glücklichen Wohnsitz glücklicher und guter Menschen kennzeichnet. Wenn wir uns ein Bild des Familienlebens machen, so darf der Heerd, das Feuer und der Rauch nicht fehlen. Ja, es giebt einige Völker, welche nur ein Wort haben für die beiden Begriffe von Rauch und Haus; z. B. die schottischen Hochländer. Dem Wanderer, der sich auf ihren weiten Mooren verirrt hat, erwidern sie auf die Frage, ob sich kein Haus in der Nähe befinde: „Geht noch eine Viertelstunde, bis zu jener Schlucht, dann haltet Euch rechts und Ihr werdet einen Rauch finden!“

Ist es nicht ein erhebender Gedanke für mich in meinem Lehnstuhl und stillen Abendstübchen, zu denken, daß der Rauch, welcher in bläulichen Ringen vor mir aufwirbelt, mich mit einer ganzen Kette von ungesehenen Rauchern in Nord und Süd, in Ost und West verbindet? Denn kein geselliges Bindemittel ist dem Rauchen zu vergleichen, und keine geselligere Brüderschaft giebt es als die Raucher. Was hindert uns, irgend einen Menschen auf der Straße anzusprechen, wenn er nur eine Cigarre im Munde hat? Es ist wahr, wir kennen ihn nicht, wir wissen nicht, wer er ist, und haben ihn nie gesehen; indessen seine Cigarre brennt, und er wird unter Hunderten nicht Ein Mal verweigern, daß wir die unserige an derselben anzünden. Wo sucht der Raucher auf Reisen seine Bekanntschaften, wenn nicht unter den Rauchern und im Rauchcoupé? Und haben wir nicht in unserm eigenen Museum von Berlin die kleinen, schwarzgebrannten Pfeifchen unseres alten ersten Friedrich Wilhelm, um uns die geselligen Tugenden des Rauchs und Rauchens predigen zu lassen?

Aber ach! die Pfeife selber ist im Verschwinden begriffen. Bald wird es keine Pfeifen mehr geben. Und doch – wie viel Erinnerungen knüpfen sich an die alte Pfeife mit der Kernspitze, die ich dort in einem Winkel meiner Stube stehen habe! Einst, mit einer bunten Quaste verziert, war sie der Stolz meines bescheidenen Studirzimmerchens. Wie viele vergnügte Abende, wie viele glückliche Stunden, wie viele liebe Gesichter erscheinen mir plötzlich, wenn ich die alte Pfeife ansehe! Zuweilen kann ich auch der Versuchung nicht widerstehen, sie hervorzuholen, zu stopfen und anzuzünden. Indessen darf ich mich diesem Luxus nur sehr selten hingeben, etwa nur, wenn meine liebe Frau bei ihrer Freundin gegenüber zu Besuch ist. Denn – offen gestanden! sie liebt den Geruch nicht und behauptet, er schade den Gardinen. Ich will das auch wohl glauben, und wie gesagt, ich beschränke mich meistens darauf, die Pfeife anzusehen. Aber eine schöne Zeit war es doch, als die Pfeife noch florirte und als man nicht zu erröthen brauchte, wenn man in einen Tabaksladen trat, um ein „Paket Knaster“ zu fordern!

Wie viel schöne Lieder sind nicht auf die Pfeife gedichtet worden! Voran das schöne Lied des preußischen Grenadiers:

„Gott grüß Euch, Alter, schmeckt das Pfeifchen?“

Und dann das andere, welches von einem wahren Anakreon des Tabaks in seiner besten Stunde verfaßt sein muß:

„Wenn mein Pfeifchen dampft und glüht,
Und der Rauch von Blättern
Sanft mir um die Nase zieht,
Tausch’ ich nicht mit Göttern.“

Oder das Studentenlied, wo es heißt:

„Knaster den gelben
Hat uns Apoll präparirt,
und uns denselben
Recommandirt.“

Hat einer von den Lesern jemals schon ein Lied zum Lobe der Cigarre gesehen? Ich habe noch keines gesehen, und glaube auch nicht, daß man so bald eines darauf machen wird. Denn doch nur um die Pfeife schwebt jene Art von Poesie, welche die Sänger begeistern kann. Eine Cigarre wirft man fort, wenn sie ihre Dienste gethan; zuweilen auch, bevor sie ihren Dienst gethan. Denn sollen wir ein Geheimniß daraus machen, daß die Waare sich von Jahr zu Jahr verschlechtert und daß eine gute Cigarre bald zu den Seltenheiten gehören wird? Das war doch anders in den glorreichen Zeiten der Pfeife. Ein gutes Paket Tabak ist leichter zu finden, als eine gute Kiste Cigarren. Und dann gab’s auch damals den Aerger nicht über Cigarren, welche nicht „ziehen“. Eine Pfeife, wenn man sie nur reinlich hielt und vernünftig stopfte, zog immer. Ferner ward eine Pfeife nicht weggeworfen wie eine Cigarre, wenn sie zu Ende gebrannt ist. Im Gegentheil, man hob die Pfeife sorgfältig auf und ein gut angerauchter Kopf war Geldes werth. Es entspann sich ein Verhältniß zwischen dem Raucher und seiner Pfeife, welches der gegenwärtigen Generation abhanden gekommen, eine Anhänglichkeit, eine gewisse Zärtlichkeit, wie zwischen Jugendfreunden. Es gab damals Pfeifensammlungen, wie es jetzt Waffensammlungen, Münzsammlungen oder Briefmarkensammlungen giebt. Eine der größten und merkwürdigsten Sammlungen dieser Art besaß der Marschall Oudinot. Er hatte Pfeifen von allen Völkerschaften, von allen Formen und Gattungen, von allen Unterschieden des Werthes und des Alters. Am meisten hielt er auf eine gewisse Pfeife, welche einst das Eigenthum von Johann Sobiesky gewesen und welche dem Marschall von der Bürgerschaft Wiens

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_523.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)