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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Dich so schändlich von dem bösen Feind in sein höllisches Jäger-Netze hast ziehen lassen. Gieb Gott die Ehre und lege ein Bekenntniß ab. Traue dem Satan nicht, wenn er Dir etwa einbläset, Du solltest Nichts bekennen, er wollte Dir schon helfen; er ist von jeher ein Lügner und Betrüger gewesen. Lasse Dir Deine Glieder nicht durch die Folter zerreissen und verkrüppeln, sondern bekenne, ohne Dir grausame Schmerzen gemacht zu haben.“

Begreiflicherweise stellt die Inquisitin Alles in Abrede. Ihre Entgegnungen sind auch ganz vernünftig, Pulver, Knochen und namentlich die Erscheinung der großen Kröte erklärt sie auf die natürlichste Weise, wie sie eben Jeder erklären würde.

Aber die scharfsinnigen Richter begnügen sich nicht damit, sie lächeln ungläubig und geben sich durch Winke zu verstehen, daß ihrer Verschmitztheit die Inquisitin noch lange nicht gewachsen sei.

Der Richter: „Dieses Alles hast Du im vorigen Verhöre schon aufgebracht. Aber es stecken noch andre Dinge dahinter. Antworte mir auf die Articul Nr. 1. Bist Du zeither eine Hexe und Zauberin gewesen?“

Fig. IV. Das Schnüren mit den Banden.

Illa (die Angeklagte wird in den Protokollen so bezeichnet): „Nein, ehrliche Frau und keine Hexe.“

Der Richter läutet. Jetzt öffnet sich die kleine, dem Tische gegenüber befindliche Thür, und der Scharfrichter mit seinen Knechten tritt in das Gemach; letztere legen eine Menge eiserner Geräthschaften, Schnüre und Holzrollen zurecht.

Richter: „Meister Hans! Dieses trotzige und verstockte Weib will sich nicht durch Zureden gewinnen lassen; so übergebe ich sie Dir, dem Urtheil gemäß zu verfahren.“

Der Scharfrichter mahnt die Inquisitin zu bekennen. „Er hätte schon viele solcher blanken Mütter und Belials-Schwestern in Händen gehabt, aber sie hätten bekennen müssen, wenn er sie angegriffen hätte.“

Illa: „Ei, Meister Hans, meint Ihr ich sei eine Hexe? ich bin so rein wie die Sonne von Zauberei.“

Scharfrichter: „Dieses sind mir die Rechten, die so rein sein wollen. Mit Gottes Beistand (sic) wird man schon erfahren, wie rein von Hexerei Du bist.“

Die Knechte rücken nun den Marterstuhl zurecht, legen die Daumschrauben aus, breiten die Schnüre, Kloben und sonstigen Instrumente aus einander, alles absichtlich mit großem Geräusch. – Schon bemächtigt sich der Angeklagten eine entsetzliche Furcht, sie blickt mit halbverdrehten Augen die schauerlichen Vorbereitungen an. Dann senkt sie den Blick zur Erde. Soll sie aussagen? es ist der unvermeidliche Feuertod. Sie fühlt sich unschuldig, die düstre Anklage ist ihr fremd. Irgend ein neidisches Weib hat sie in die Hände der Richter geliefert. – Sie will versuchen, wie lange sie die Marter ertragen kann, die ihrer wartet. – Alles Ermahnen des Richters ist umsonst.

Richter: „Meister Hans, leget der Sünderin die Daumschrauben an.“

Diesen ersten Grad der scharfen Frage (Fig. III) vollzieht der Scharfrichter auf folgende Weise: Der Inquisit wird auf einen Schemel gesetzt und die Arme ihm rückwärts gezogen. Darauf muß er die Daumen zwischen die nach innen mit Zacken versehenen Eisen A und B legen. Die Knechte halten die Arme, und der Meister schraubt mittelst des Schlüssels C die Eisen A und B so aufeinander, daß sie die Daumen pressen.

Wird die Procedur stehend vollzogen, so hält ein Henkersknecht den Inquisiten.

„Daß man die Daumen also strafet, geschiehet billig deshalb, weil sie die meiste Stärke besitzen und in vielen delictis, sonderlich aber beim Diebstahl das meiste beim Zugriff thun. So man die Daumenstöcke ansetzet, soll man Acht haben, daß man sie oft versetzet, denn sonst verstocket das Geblüt und der Sünder empfindet nicht Schmerzen genug“ – so belehrt eine Gerichtsverordnung aus der herrlichen, guten alten Zeit!! – –

Die Inquisitin schreit entsetzlich. „Au, verdammt – wie drücket das Schelmending so arg!“

Der Richter verbietet ihr das Fluchen.

Scharfrichter: „Das ist nur Anfang und Kinderspiel. Es thut noch ganz anders.“

Er schraubt die Eisen noch fester zusammen. Inquisitin schreit und verschwört sich hoch und theuer, daß sie keine Hexe sei. Der Richter fordert sie auf die Wahrheit zu bekennen, worauf der Henker die Schrauben lüftet.

Das Schnüren mit den Banden. Inquisitin holt tief Athem und fragt, was sie bekennen solle. Jetzt schon sind ihre Augen gräulich anzusehen!! – (Armes Wesen! die schmerzverzerrten Blicke nehmen die Richter für eine durch teuflische Gewalt hervorgebrachte Umwandlung.)

Richter: „Herr Actuar, betet das bei Hexenfoltern übliche Gebet.“

Der Actuar betet. Da die Inquisitin verstockt bleibt, befiehlt der Richter, zum „Schnüren mit den Banden“ zu schreiten.

Dieses Torturverfahren, bei welchem das Fig. IV abgebildete Werkzeug angewendet wurde, bestand im Zusammenbinden der Arme. Wie bei den Daumenstöcken, zog man dem Inquisiten die Arme nach rückwärts. Einer der Knechte hielt die Hände zusammen, um die Bewegung zu hindern, der Zweite umfing von hinten die Taille des Inquisiten, damit derselbe nicht ausweichen konnte. Der Meister legte nun die sehr festgedrehte Schnur in Form einer Schlinge um das Handwurzelgelenk und wand das herabhängende Ende um beide Arme, aber dergestalt, daß zwischen jeder Umlage immer ein Finger breit Zwischenraum blieb. Aus diesem Zwischenraum quoll, sobald mittelst des hölzernen Handgriffes die Schnur angezogen wurde, das Fleisch hervor. Der Henker zog nun mit einem kräftigen Ruck die Schnur gegen sich, wodurch dieselbe, einer stumpfen Schneide gleich, in das Fleisch des Armes drang und furchtbare Schmerzen verursachte. Nach dem ersten Rucke ließ er ein wenig nach und indem er, die Bewegung des Sägens machend, seine Schnüre vor- und rückwärts zog, bewirkte er zugleich, daß kein Theil der Arme, vom Handwurzelgelenk bis zum Ellnbogen, von den Berührungen der Schnüre verschont blieb, welche stets auf andere Stellen übersprangen.

Fig. V. Die Leiter.

Diese Torturart blieb lange in Anwendung. Ein in Hannover veröffentlichtes Buch behandelt in ausführlicher Weise diese Procedur. Es ist betitelt: „Vom Schnüren Anfang.“ Die Halsgerichtsordnung der Kaiserin Maria Theresia v. J. 1769 enthält saubere Kupferstiche, welche alle Griffe und Stadien des Schnürens darstellen. In den Verordnungen dazu steht: „Es hat der Freymann darauf zu achten, daß er zwei Knebeln mit Schnur bei sich habe, falls die eine reißet (!). Dann aber (wie milde!) soll der Inquisit nicht so hoch gepeinigt werden. Denn da nach dem Gesetz die erste Schnur vierzehn Mal umgelegt werden soll, so soll nach Reißung einer Schnur die neue nur zehn Mal umgelegt werden.“ Ferner: „Zeichen der höchsten Grade dieser Tortur sind: Wenn das Fleisch zwischen den Schnuren blau(!) und blutig(!) emporsteigt, oder wenn (beim

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 541. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_541.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)