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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Rückwärtsziehen der Arme) beide Arme aneinanderstoßen. – Wenn der Inquisit scharf anzugreifen ist, so sollen zwei Freymänner die Schnur hin- und herbewegen, wodurch die Nerven besonders irritirt werden.“ – Entsetzliches Verfahren, welches 1769 in die Welt geschleudert ward, zu einer Zeit, wo Lessing bereits seine „Minna von Barnhelm“ und den „Laokoon“ vollendet hatte!

Wenn der Henker nun mit dem Schnüren anhebt, so ertönt ein fürchterliches Jammergeschrei. Die Inquisitin bittet um Gnade. In ihrer Pein ruft sie: „Ach, was soll ich thun, was soll ich lassen? Du liebes Göttchen, gieb es mir ein.“

Richter: „Wen meinst Du mit dem Worte Göttchen?“

Illa: „Ich weiß es nicht. Höret nur auf, ich will Alles sagen, was ich weiß. Ich weiß nur einen Segen, den ich von meiner Großmutter gelernt.“

Richter: „Wie lautet derselbe?“

Illa: „Lasset den Meister Hans aufhören, denn ich kann es vor Schmerzen nicht aushalten.“

Der Richter befiehlt dem Scharfrichter, mit dem Schnüren innezuhalten.

Inquisitin: „Ich habe einen Segen wider die kalte Gicht von meiner Großmutter gelernt, nämlich: ‚Turteltäubchen ohne Gallen, kaltes Gichtchen, du sollst fallen.‘ Weiter weiß ich nichts zu sagen.“

Richter: „Meister Hans, ziehet die Schnüre an!“

Inquisitin verbeißt den Schmerz und beginnt mit dem Maule zu pröpeln(!).

Richter: „Weshalb bewegst Du das Maul?“

Illa: „Ich bete.“

Richter: „Warum nicht laut?“

Inquisitin schreit laut: „Ich bin ein Christenweib, man wird nichts aus mir herausbringen.“

Der Richter ermahnt sie mit aller Macht der Rede, ebenso der Actuar und der Scharfrichter, da Inquisitin aber verstockt bleibt, so befiehlt der Richter (gerade als die Uhr auf halb fünf zeigt), die Sünderin zum dritten Grade der scharfen Frage, zur Leiter zu führen.

Dieser sehr scharfe Torturgrad, dessen Werkzeug unter Fig. V abgebildet ist, hat sich leider ebenfalls lange Zeit erhalten. AA ist eine starke Leiter von zwanzig Sprossen, ward schräg gegen die Wand gestellt. Die Walze B, welche sich in DD mittelst der Handgriffe E drehen läßt, hat einen starken eisernen Ring bei C. In diesen Ring wurde das Ende des sechs Ellen langen Strickes F festgeknotet. Der oben im Stricke F befestigte Holzknebel ward dem Inquisiten über die Fußblätter gelegt, sodann umschlang man die Knöchel mit dem Stricke, wodurch der Knebel fest angezogen und zugleich die Füße oberhalb der Knöchel zusammengeschnürt wurden, das mit der Walze verbundene Ende des Strickes hing zwischen den Füßen herab. Während dies geschah, stand der Inquisit auf den Sprossen der Leiter. Man knebelte ihm nun die Hände auf den Rücken und band sie dann an die oberste Leitersprosse. War der Körper in solcher Weise oben und unten gefesselt, so gab der Scharfrichter-Meister ein Zeichen, worauf der an der Walze bei den Handgriffen E stehende Knecht langsam zu drehen begann. Der Körper des zu Folternden ward nun auseinandergezerrt. Um zu verhindern, daß der Inquisit sich mit den Hacken gegen die Sprossen stemme, tritt einer der Knechte hinter die Leiter und schiebt den Körper nach vorn, während der Meister zur linken Hand des Inquisiten auf den Sprossen stand, seinen linken Arm unter den Rücken des zu Folternden schob und mit der rechten Hand den Körper, am Hosenbunde anfassend, aufhebt, damit ein zu schnelles Hinabgleiten vermieden werde. Der die Walze B dirigirende Knecht mußte seine Augen auf den Richter geheftet haben; es geschah nämlich nach jeder Frage, wenn die Antwort des Inquisiten ein Leugnen enthielt, eine Umdrehung. Die Aufgabe des Knechtes war, die Walze nach jeder Wendung so fest zu halten, daß die aufgewundenen Stricke nicht zurückwichen.

Der Richter commandirte: „Ziehet an!“ worauf die Drehung erfolgte. „Doch soll,“ sagt die theresianische Gerichtsordnung, „der Grad der Folter nicht über fünfzehn Minuten dauern.“ Diese scheußliche Auseinanderzerrung des menschlichen Körpers bewirkte am häufigsten Bekenntnisse, denn der Schmerz war es nicht allein, der solche erpreßte. Der Gemarterte litt an unaussprechlicher Seelenangst. Sämmtliche Muskeln, Knochenbänder und Sehnen renkten sich aus, und wenn der Strick ganz um die Walze gewickelt war, erschien der Körper um ein Beträchtliches länger, als in natürlichem Zustande. „Es soll,“ sagt die Halsgerichtsordnung Carl’s V., „der hartnäckige Inquisit also auseinandergezogen werden, daß man durch seinen Bauch ein Licht scheinen sieht, welches hinter ihm gehalten wird.“

Nach der theresianischen Gerichtsordnung waren die höchsten Grade der Tortur folgende, 1) Wenn die Hände des Inquisiten über dem Kopfe zu sehen; 2) wenn die Schulterhöhen unterwärts gestellt sind; 3) wenn die Achselhöhlen verloren; 4) wenn die Flechsen des Brustmuskels sammt der Haut also angespannt sind, als ob sie reißen wollten und die Haut glänzend ist; 5) wenn bei der Achselhöhle ein Schnapper oder Kracher (sic) zu hören ist, welches ein Zeichen, daß durch die bisherige Anspannung der Kopf des Armbeins von der Fläche der Articulationshöhle sich gehoben habe, nach welchem Schnalzer nicht mehr angezogen werden darf.“

Dies war also der höchste Grad, bei weichem buchstäblich die Gelenke des Unglücklichen in ihren Fugen krachten. Eine Verschärfung war der „Kloben“ oder „Siemen“, welcher über die Handgelenke gelegt wurde und neben der Auseinanderzerrung noch ein sehr schmerzhaftes Pressen bewirkte.

„Doch soll der Kloben, so wie der Bock (eine Art Daumschrauben, in welche auch zugleich die Zehen(!!) gepreßt wurden, so daß der Eingespannte wie bei Fig. I, dem Stock, kreisförmig zusammengebogen war), nur bei Hexen, Zauberern und Andern, so ein Pactum mit dem Teufel gemacht haben, angewendet werden.“ Gerichtsordnung Carl’s V.

Die Inquisitin liegt also auf der Leiter, deren Mechanismus wir soeben beschrieben. – Sie leugnet hartnäckig, eine Hexe zu sein. „Ziehet an!“ ruft der Richter. Der Knecht hebt die Walze an und macht eine Wendung. Inquisitin schreit: „Ach, helft mir!“ Scharfrichter preßt die Kloben, und da sie immer leugnet, so zieht der Knecht weiter.

„Da verhänget es der höllische Verführer, daß die Inquisitin alsbald die Augen zuthuet und in tiefen Schlaf verfället, alswobei sie schnarchet gleich einem Menschen, der in tiefem Schlafe liegt, welches der sogenannte Hexenschlaf ist.

Der Scharfrichter aber beräucherte sie mit Teufels-Dreck, Weihrauch, rothen Dosten und schwarzem Kümmel, hielt ihr auch angezündeten Schwefel unter die Nase, da sie gleich aufwachte und das Maul gräulich flerrte.“[1]




Wenn wir einmal sterben.
Von Friedrich Gerstäcker.

Oft, wenn ich in meinem Zimmer sitze und mein Blick über die aus allen Welttheilen zusammengetragenen Gegenstände schweift, die mir so lieb sind, weil sich an jedes einzelne eine andere, oft freudige, oft bittere Erinnerung knüpft, fällt mir eine Scene aus früherer Zeit ein.

In einem großen alten Hause in ** hatte ein alter Herr viele lange Jahre hindurch so abgeschlossen gelebt, daß er mit Niemandem da draußen – wenigstens nie direct – in Berührung kam. Eine alte Haushälterin und ein alter Gärtner besorgten seine Arbeiten, und nur Abends, wenn in dem obersten Erkerstübchen, wo die alte Haushälterin schlief, Licht angezündet wurde, sah man, daß die Leute drinnen noch lebten, denn sonst ließ sich den ganzen Tag keine Seele weder an einem der dicht verhangenen Fenster noch in der Thür blicken.

Der Eigenthümer selber verließ seine Wohnung nie – einen Tag im Jahr ausgenommen – am ersten Weihnachtsfeiertag,


  1. Dieser Vorgang, sowie die nachfolgenden, müssen häufig beobachtet worden sein, da sie sich in den meisten Protokollen aufgezeichnet finden und, gewissermaßen als zum Gange der Procedur gehörig, den jungen Richtern ein genaues Verfahren bei solchen Zwischenfällen in bestimmter Form vorgezeichnet wird.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_542.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)