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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Städten theile man diese Arbeit nach den Vierteln oder Bezirken der Stadt. Nur auf diese Weise ist rasch ein Erfolg und rasch ein Ueberblick der Erfolge zu ermöglichen. – Dem Comité zu Leipzig sind von allen Local-Comités wöchentlich Berichte über den Stand der Zeichnungen zu machen, deren Ergebniß durch die Presse (Gartenlaube etc.) sogleich veröffentlicht wird. – In Städten, wo von Flotten-Comités noch Flottengelder zurückbehalten wurden, möge man, nach dem Vorgange von Altenburg, Halberstadt etc., dieselben zur Verwendung für den durch den Küstenbrander zu schaffenden Küstenschutz herbeizuziehen suchen. – Das Comité zu Leipzig besorgt die Leitung der Geschäfte, bis eine Summe von 40,000 Thalern gesichert ist. Alsdann fordert dasselbe alle bis dahin durch Beisteuern betheiligte Local-Comités zur Beschickung einer Delegirten-Versammlung auf, welche über die dann noch nöthigen Schritte in der Angelegenheit zu beschließen hat.

Wie schwer auch diese jüngste Zeit auf den Herzen der Patrioten in Deutschland lastete, erdrückt sind sie nirgends, fähig der Erhebung zu jedem Opfer für das Heil des Vaterlandes überall, – und an dieses unverwüstliche deutsche Nationalgefühl appelliren wir auch in dieser Sache, sie legen wir mit dem vollsten Vertrauen an das treue deutsche Herz! –




Blätter und Blüthen.


Noch einmal Suwarow. In Folge Ihres Suwarow-Artikels in Nr. 26 der Gartenlaube theile ich Ihnen Einzelnes von dieser Persönlichkeit mit und bitte, beliebigen Gebrauch davon zu machen. Ich fahre jährlich mehrere Male nach Rußland, und das Mitgetheilte ist wahr.

Zu Suwarow, als er noch in Riga General-Gouverneur war (Suwarow war ein großer Freund und Gönner des Theaters wie der Schauspieler), kam ein erstes Mitglied des Theaters, welches sich der besondern Gunst des Gen.-Gouv. zu erfreuen hatte, und klagte ihm, daß es entlassen sei, Schulden habe und seinen Paß nicht erhalten könne, weil derselbe von seinen Gläubigern mit Beschlag belegt sei. (In Rußland muß ein Jeder, der in’s Ausland fährt, drei Mal als Abreisender im öffentlichen Blatte stehen.) Der Schauspieler bat nun Suwarow um Beistand und Hülfe. Suwarow fragte nach der Höhe der Schulden, und als ihm die Summe von 600 Rubel Silber genannt wurde, bemerkte er zum Schauspieler, daß er selbst Schulden habe und eine so hohe Summe nicht zur Verfügung hätte. Mit einem Male sagt Suwarow zu ihm: „Gehen Sie schnell nach Hause und packen Sie schleunigst Ihre Sachen.“ – Der Schauspieler, ganz verwundert, eilt nach Hause und packt seine Sachen. Er ist noch nicht ganz fertig damit, so steht auch schon die bekannte russische Kibitka vor der Thür, zwei geheime Polizei-Beamte treten ein und bedeuten ihm, daß sie Befehl haben, ihn als politisch verdächtig sofort über die Grenze nach Preußen zu schaffen, was auch geschah. –

Als vor zwei Jahren Kaiser Alexander II. in Riga war und ihm die Vorstände der Corporationen und Innungen vorgestellt wurden, unterhielt er sich mit einem Jeden auf das Freundlichste. Besonders ungenirt im Antworten war der Vorstand der Knochenhauer-(Schlächter-, Fleischer-)Innung, Meinhardt, daher richtete der Kaiser mehr Fragen an ihn, schien sich überhaupt gern mit ihm zu unterhalten. Zum Schluß fragte ihn der Kaiser, ob er nicht einen Wunsch habe. Meinhardt, sehr wohlhabend, antwortete „Nein“, besann sich aber und sagte: „Doch Majestät, wenn Sie nach Petersburg kommen, grüßen Sie mir unsern guten Suwarow recht herzlich,“ was der Kaiser unter innigem Lachen versprach.


Huhn und Biene. Auf dem Rittergute zu *– hält die Madame sehr viel auf Hühnerzucht. Der Herr dagegen ist großer Bienenfreund. Beide pflegen ihre Lieblinge nach Möglichkeit. Der Herr erzieht seine Bienen nach der Dzierdzon’schen Methode, die Madame ihre jungen Hühnchen nach ihrer eignen, aber sicher ebenfalls sehr guten Art und Weise. Der Herr hat seinen Pfleglingen ein allerliebstes Wohnhäuschen bauen lassen; die Madame den ihrigen ein hübsches Hühnerhöfchen. Aber – o über die Aber! – der Herr hat sein Bienenhäuschen zu nahe an das Hühnerhöfchen gesetzt, und das sollte verderblich werden, – die kleinen Bienchen sahen sich dadurch genöthigt, bei ihrem Aus- und Einfluge über das Höfchen wegzufliegen. Hühner sind aber bekanntlich große Freunde von allerhand Insecten; ergo auch von Bienen. Flogen nun diese über den Hühnerbehälter hinweg und hielten sich dabei nicht in gehöriger Höhe, so wurden sie von Glucke und Küchlein weggehascht und als Delicatesse verzehrt. – Und die kleinen Dinger mußten sich das ruhig gefallen lassen, denn was konnten sie, die Kleinen, gegen die großen Hühner thun! Als aber wieder einmal eine Henne eine von ihren kleinen Nachbarinnen weghascht, stürzten plötzlich aus allen Stöcken, wie gerufen und als hätten sie schon darauf gewartet, die Bienen heraus, fielen über die jungen Hühner her (den Alten konnten sie, das wußten sie recht wohl, der dicken Federdecke halber nichts anhaben) und fingen an, sie mit ihrem Stachel zu tractiren. Die Hühner erhoben ein erbärmliches Geschrei und lockten dadurch ihre Wärterin herzu, welche, als sie die Bescheerung sah, ebenfalls nichts Anderes zu thun im Stande war, als auch ein Geschrei zu erheben, wodurch noch andere Leute herbeigelockt wurden. Man wollte nun den bedrängten Hühnern zu Hülfe kommen und schlug auf die Bienen los, welche aber dadurch nur noch wüthender gemacht wurden und schließlich gar auf die Leute gingen, so daß diese sich schleunigst entfernen und die Hühner ihrem Schicksal überlassen mußten. – Als endlich die Bienen den Kampfplatz verlassen hatten und man nachsehen konnte, wie es um die Besiegten stehe, fand man, daß sie erbärmlich zugerichtet waren, viele waren schon todt, viele starben an ihren Wunden im Federtopf; von 115 blieben nur noch 43 übrig.W. S.     


Der Geschmack ist verschieden. „Nach den Ueberschwemmungen des Nil bleiben in Einsenkungen des Landes und sonstigen Vertiefungen eine Unzahl von größeren und kleineren Fischen zurück, welche die Bewohner der dortigen Gegenden gar nicht im Stande sind alle frisch zu verzehren. Trotzdem aber sammeln sie diese Fische mit der größten Sorgfalt, und trocknen dieselben nicht etwa, oder räuchern sie, sondern graben tiefe Löcher, werfen sie dort hinein, bedecken sie wieder mit Erde und lassen sie vier bis fünf Monate darin ruhig liegen und vollständig faulen.

Ist dieses schöne Ziel nun erreicht, so wird die ineinandergegohrene Masse wieder ausgegraben, und nicht allein von den gewöhnlichen Fellahs verzehrt, sondern auch in den Straßen von Kairo als die größte Delicatesse ausgeschrieen und gierig gekauft.“

Diese Notiz gab mir Naib Effendi, unser Mayor Domo, auf Kasr Nusha in Kairo, und unser Dolmetscher, Reza Effendi, bestätigte sie.

„Aber wie ist es möglich,“ rief ich entsetzt aus, „daß civilisirte Menschen eine solche Scheußlichkeit – verfaulte Fische kaufen und verzehren können? Sie müssen ja die ganze Stadt verpesten.“

„Das thun sie auch,“ versicherte Naib Effendi ruhig, „aber ich gebe Ihnen mein Wort, daß diese Fische ausgezeichnet schmecken.“

„Aber Sie haben doch nicht etwa davon gegessen?“

„Ich? gewiß! der Geschmack ist verschieden, diese faulen Fische schmecken mir ausgezeichnet ich wäre aber nicht im Stande Ihren faulen Käse zu verzehren, der noch viel ärger stinkt als die Fische, und bei den Europäern doch als Delicatesse gilt. Was ist der anders als verdorbene Milch?“

Und hatte der Mann nicht Recht?Fr. Gerstäcker.     


Berthold Auerbach’s
Volkskalender für 1865.
Mit Bildern nach Originalzeichnungen

von

W. v. Kaulbach und Paul Thumann.

Preis 121/2 Ngr.

Auerbach’s Volkskalender nimmt auch in diesem Jahre unter allen Kalendern den ersten Rang ein. Er bringt wiederum von Männern der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens eine der Blüthe und Bildung Deutschlands würdige Nahrung. Die künstlerischen Illustrationen gereichen dem Büchlein eben so sehr zur Zierde, als sie angenehme Unterhaltung bieten. Er enthält diesmal:

Kalendarium mit 12 Bildern nach Zeichnungen von W. v. Kaulbach und einem Natur- und Gesundheitskalender. – Der gefangene Gevatter. Eine Erzählung von Berth. Auerbach. Mit Illustrationen von Paul Thumann. – Hundert Jahre Krieg gegen die Todesstrafe. Von F. v. Holtzendorff. – Die Rheingrenze. Eine Erzählung von Moritz Hartmann. Mit Illustrationen von Paul Thumann. – Auf der Eisenbahn, von Fr. Gerstäcker. – Die Verlobung auf dem Rigi. Eine Geschichte von unterwegs. – Der Polarkreis. Ein Seebild aus dem Norden. Von M. M. v. Weber. – Die Natur im Winter. Von Berthold Sigismund. – Der Silbergraue. Eine Erzählung von Franz W. Ziegler. – Wie sollen wir unser städtisches Wohnhaus bauen? Von Alfred Woltmann.

Verlagsbuchhandlung von Ernst Keil in Leipzig.

Verantw. Redact. F. Stolle u. A. Diezmann. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. - Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_560.jpg&oldid=- (Version vom 15.1.2020)