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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

auch dem jungen Kurfürsten die rohe Gewalt, von der er nur im äußersten Nothfall Gebrauch machen wollte.

Wieder schmetterten die Trompeten, und ein Herold ritt vor bis an das Thor und forderte Einlaß für Se. kurfürstliche Gnaden mit deren getreuen Rittern und Mannen. Da trat einer der Patrizier, vom Rathe abgesandt, auf die Brüstung der Mauer und erklärte laut und unverhohlen, der Rath werde wohl dem Kurfürsten mit etlichen seiner Räthe, nicht aber den Bewaffneten, die ihn begleiteten, den Einzug gestatten.

Ein Wuthgeschrei der Ritter vor den Thoren war die Antwort, und das Volk auf den Wällen stimmte in dasselbe ein. „Es lebe der Kurfürst! Es leben die Gewerke! Hoch die Gemeinen, nieder mit den Geschlechtern!“ so ertönte aus tausend Kehlen der Bürger ein wilder Ruf, und die Zunftgenossen stürzten sich auf die adligen Knechte, welche das Thor besetzt hielten, rissen ihnen die Waffen fort und drängten sie zurück. Vergeblich suchten einige aus den Geschlechtern die Ihrigen zu sammeln; es gelang ihnen nicht, denn schon hatte sich die jubelnde Volksmenge des Thores bemächtigt, schon schwang ein kühner Bursche ein mächtiges Beil gegen das Schloß und die Riegel, und krachend flogen die Thürflügel auf.

Der Kurfürst hatte in ernster Ruhe den wüthenden Rittern gewehrt, welche einen Sturm der Stadt begehrten; als jetzt aber das Thor sich öffnete, da spornte er sein Roß und an der Spitze der 600 Reiter ritt er, vom lauten Volksjubel begleitet, ein in die Stadt. Die Kunde, daß die Bürger aufsässig geworden seien, daß sie, dem Befehl des Raths entgegen, den Landesfürsten in die Stadt eingelassen hätten, war auf den Flügeln des Windes nach dem Rathhaus getragen worden; erbleichend hörten sie die Rathmannen, sie fühlten plötzlich den Boden unter ihren Füßen schwinden. Ihr Muth war gebrochen. Die, welche noch vor einer halben Stunde am lautesten geschrieen hatten, verzagten am frühesten und riethen zur Unterwerfung; sie sendeten dem Kurfürsten eine Deputation entgegen, welche ihm auf rothem Sammetkissen die goldenen Schlüssel der Stadt überbringen mußte.

Der Kurfürst empfing die Deputation auf offener Straße mit mildem Ernst, aber die Ritter, welche ihn umgaben, lachten höhnisch und meinten, jetzt habe der Fürst der Schlüssel nicht mehr bedurft. Dann ritt Friedrich II. weiter bis nach dem Rathhaus auf der langen Brücke, dort stieg er mit seinen Räthen ab und ging in den Sitzungssaal des Raths, die adligen Rathsherren folgten ihm mit gesenkten Häuptern. Der Kurfürst kam als Schiedsrichter zwischen Volk und Adel. Den Unterdrückten sollte er Recht schaffen; er hatte die Aufgabe, den lange gestörten Frieden zwischen den Städten Berlin und Köln wieder herzustellen, eine schwere Aufgabe, doch er suchte sie nach bester Kraft zu lösen.

Der gemeinsame Rath der beiden Städte wurde aufgehoben, jede Stadt erhielt ihre eigenen Bürgermeister und Rathmannen, die jährlich von den Bürgern gewählt, aber von dem Kurfürsten bestätigt werden sollten. Dem Stadtadel war damit das Regiment aus der Hand gewunden, allein dem Volk war es nicht gegeben, denn durch das Bestätigungsrecht der Bürgermeister hatte es Friedrich sich selbst ertheilt. Auch die Befugnisse des künftigen Rathes beschränkte er, denn er verbot demselben, Auflagen ohne seine besondere Genehmigung zu machen.

Mit jenem Tage war die Herrschaft des städtischen Adels gebrochen. Wie Friedrich I. von Hohenzollern den Landadel, so hatte Friedrich II. den Stadtadel bekämpft, und mit eiserner Energie unterdrückte er auch fortan jeden Versuch desselben, das verlorene Regiment wieder zu erobern. Auf dem Platze, der sich vom Dominikanerkloster bis zur langen Brücke und von da die Spree entlang bis zur ehemaligen Stadtmauer von Köln hinzog, legte er den Grundstein zu einem festen Schloß, „Zwing-Köln“ wurde es vom Adel genannt, in diesem wollte der Kurfürst seine Residenz aufschlagen.

Es dauerte freilich noch manches Jahr, ehe es den Bemühungen des Kurfürsten gelang, dauernden Frieden in Berlin und Köln herzustellen, denn die Berliner sind stets ein aufsässiges Völkchen gewesen. Die Junker von den Geschlechtern gaben ihre Herrschaft nicht so leicht verloren; als sie nicht mehr offen sich dem Kurfürsten widersetzen konnten, thaten sie es im Geheimen, und es gelang ihnen in der That, die Unzufriedenheit der Bürger mit einem vom Kurfürsten eingesetzten Hofrichter von Hacke und dem Bürgermeister Balzer Boytin so zu schüren, daß im Jahre 1448 ein offener Aufstand ausbrach. Der Hofrichter wurde gefangen gesetzt, die Kanzlei erstürmt, Balzer Boytin davongejagt. Die aufgeregte Volksmenge riß die Steine auseinander, welche zum Bau des Schlosses herbeigefahren waren, und ersetzte den Theil der Stadtmauer von Köln, der des Schloßbaues wegen abgerissen worden war, durch einen Blockzaun.

Die Räthe Friedrich’s forderten eine exemplarische Bestrafung des Aufruhrs, ein Heer sollte vor Berlin ziehen, um die rebellische Stadt zu züchtigen, aber Friedrich weigerte sich dessen, er wollte nicht eher Gewalt gebrauchen, als bis alle Rechtsmittel erschöpft seien. Der Sitte der Zeit gemäß berief er den Bischof Stephan von Brandenburg, den Fürsten Adolph zu Anhalt, den Großmeister des Johanniter-Ordens Nicolaus von Thierbach und die Bürgermeister und Rathmänner der mit Berlin eng befreundeten Städte Brandenburg, Frankfurt und Prenzlau zu Schiedsrichtern in diesem Streitfälle, indem er zum Voraus versprach, sich dem Ausspruch derselben unterwerfen zu wollen.

Die Schiedsrichter erklärten die Städte Berlin und Köln des Aufruhrs schuldig und legten ihnen harte Buße, den Verlust der Lehne und Zölle und vieler Rechte auf. Die störrigen Berliner wollten sich dem Rechtsspruch nicht fügen; trotzdem gebrauchte der Kurfürst noch immer nicht Gewalt. Er berief ein zweites Gericht nach Spandau, welches den Ausspruch des ersten bestätigte und in vielen Stücken noch verschärfte. Jetzt erst sammelte der Kurfürst seine Mannen, um dem Rechtsspruch Geltung zu verschaffen; es kam jedoch zu keinem großen Kampfe, denn das Volk von Berlin und Köln war schon zu der Einsicht gekommen, daß es vom Stadtadel gemißbraucht worden sei, und dieser hatte, als er nirgends Bundesgenossen im Kampf gegen den Kurfürsten fand, den Muth verloren. So wurde denn am 15. Juni 1448 die Unterwerfungsurkunde ausgefertigt, und die stolzen Patrizier zogen demüthig nach Spandau, um die Gnade des Kurfürsten zu erflehen.

Friedrich zeigte sich weit milder und versöhnlicher, als irgend einer der Aufrührer es erwarten konnte. Obgleich der Gerichtshof in Spandau den meisten Patriziern harte Bußen, den Verlust ihrer sämmtlichen Lehne, einigen sogar die Todesstrafe auferlegt hatte, begnadigte sie Friedrich doch sämmtlich. Nur einer, der Hauptanstifter des Aufruhrs, Berend Ryke, wurde des Landes verwiesen. Der Aufruhr war gedämpft, die Ruhe in Berlin und Köln wieder hergestellt, und nun begann mit neuem Eifer der Aufbau des Schlosses an der Spree. Von dieser Zeit an haben die beiden Städte Berlin und Köln ihre Selbstständigkeit verloren; während sie früher fast die Rechte und Freiheiten freier Reichsstädte genossen und nur dem Namen nach dem Landesfürsten unterworfen waren, wurden sie fortan dem allgemeinen Staatsverbande einverleibt.




Federzeichnungen aus Thüringen.
Erstes Blatt.
Mecklenburg in Thüringen.
Von Ludwig Walenrode.
II.

Eins freilich haben wir an Fritz Reuter’s Schöpfungen zu beklagen, den Umstand, daß diese niemals das Eigenthum der ganzen Nation werden können, wie etwa – um von den Schriften eines Zeitgenossen zu sprechen, die einem Vergleiche nahe liegen – die Schwarzwälder Dorfgeschichten Berthold Auerbach’s ganz Deutschland angehören. Wo das plattdeutsche Idiom nicht mehr verstanden wird, da ist auch die Grenze des nationalen Verständnisses für die Bücher Fritz Reuter’s. – Ich will damit nicht behaupten,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 586. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_586.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)