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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Peter Prosch kam 1745 unter dem Gerstenschneiden aus die Welt. Mit zehn Jahren zog er als Oelhändler in’s Weite, hausirte jedoch die meiste Zeit bei den Bäuerinnen mit Nudeln und kehrte, ohne bei seiner Handelschaft etwas erobert zu haben, bald in die Heimath zurück. Dort träumte ihm von der Kaiserin Maria Theresia. Er lief nach Wien und reichte eine Bittschrift ein des Inhalts: „Meine liebe, gute Kaiserin, ich hab daheim in meinem Vaterlande von den Leuten sagen hören, daß Du so ein gutes Mensch bist, und mir hat bei meiner Schwester unterm Dach auf dem Heu geträumt, ich sei zu Dir gekommen und Du habst mir einen Hut voll Geld geschenkt und hast mir lassen ein Branntweinhäusl bauen. Ich bitt’ Dich gar schön, sei so gut und thu’ es mir, ich will meiner Lebstag für Dich beten.“ Graf Künigl überreichte das Gesuch bei der Mittagstafel auf einem silbernen Teller der Kaiserin, diese gab es lachend ihrem Gemahl, und so machte es am Tisch die Runde. Bis eine Erledigung käme, wurde Prosch bei den Kapuzinern als Ministrant angestellt. Wir lassen ihn nun selbst erzählen. „Am 23. September 1757 ministrirte ich auch rechter Hand beim St. Antoni de Padua-Altar. Die Kaiserin fuhr aus und kam früher in die heilige Messe aus das Oratorium als gewöhnlich, und ich und mein Kapuziner waren noch beim Altar. Als der Dienst kam, nämlich Schweizer, Gardisten, Trabanten und ein ganzer Lärm Herrschaften, da sperrte ich Maul, Augen und Ohren auf und glotzte. Die heilige Meß ging zu Ende, und beim Evangelium St. Johannis nahm ich das Buch auf einen Arm, kehrte mich gegen die Kaiserin, machte einen Kniebucker und begrüßte sie mit der Hand; sie lachte und ging zurück. Wie Alles vorbei war, wollte ich auch, wie andere Menschen, zur Thür hinaus. Jähling kam ein Kammerdiener in einem weißligen Rock und einem mit Gold bordirten Camisol, dieser fragte mich: ,Wie heißest Du?’ – ‚Peterl!’ war meine Antwort. – ,Wie noch?’ – ,Prosch aus Tirol.’ -,Du sollst mit mir kommen zu Ihrer Majestät der Kaiserin, sie will Dich sprechen.’ Voll Freude, Furcht, Angst und Zittern wanderte ich mit ihm durch die Wachten und über die Stiegen hinauf. Im Saal hieß er mich warten; ich war barfuß und meinen Hut hatte ich unter dem Arm. Zu oberst stunden zween Schweizer in weiten Pumphosen, Krägen um den Hals und spitzigen Hüten. Bei einer Thür war ein deutscher und ein ungarischer Nobelgardist. Ich schaute um und um und pfiff ein Stückl; Alle, die da waren, lachten, weil sie sahen, daß ich nicht wußte, was ich that. Endlich ging bei einer Thür in einer Ecke ein Kammerfräulein heraus. Ich kniete gleich nieder, denn ich glaubte, es wäre die Kaiserin selbst, sie lachte und sagte: ,Ich bin’s nicht, sie wird aber gleich kommen, Du sollst indessen da hinein gehen.’ Sie machte mir eine Thür auf, und ich ging hinein. Wie erstaunte ich, als ich mich umsah und mehr als zwanzig weithosige Tirolerbuben um mich her versammelt sah. Ich ging darauf zu und gab einem die Hand, er gab sie mir auch, bis ich mit meiner Hand an der Wand anstieß; ich erschrak, kehrte mich um und sah wieder nichts als lauter solche Buben, die mir alle accurat gleich waren; ich lachte, sie lachten auch, ich hüpfte, sie hüpften auch. Jetzt kamen mir traurige Gedanken und ich zweifelte, ob ich bei mir selbsten wäre, denn ich konnte mich gar nicht fassen. Endlich ging rechter Hand weit droben im Saale eine doppelte Thür auf.

Der Saal war glatt, die Kaiserin kam herein, ich lief ihr entgegen, schlüpfte und fiel auf den Buckel. Ich raffte mich geschwind wieder zusammen und kniete nieder. Die Kaiserin kam herbei und sagte: ,Steh’ auf.’ Ich stund auf und sie sagte: „Grüß Dich Gott, Kleiner! Bist Du der Tiroler, der mir recommandirt worden ist?’ und gab mir die Hand zum Küssen; ich küßte aber den Kittel und sagte: ,Dank Dir Gott! Bist Du unsere Kaiserin Maria Theresl? Da außen vor der Thür war auch so ein Mensch, ich hab’ gemeint, Du bist’s; sie hatte einen goldenen Spulen an der Seite und glöckelte Schnürchen. Sie lachte und sagte: ,Jene war’s nicht, ich bin Eure Kaiserin, was willst Du von mir haben?’ Ich lief um einen Sessel und sagte: ,Hocke Dich nieder.’ Sie antwortete: ,Ich hock’ so alleweil, was willst Du von mir?’ Die Doppelthür, wo die Kaiserin herauskam, war voller Köpfe; sie hatten ein solches Gelächter, daß die Kaiserin mit der Hand zweimal gedeutet und gesagt, man solle schweigen, sonst könnte sie mich nicht verstehen.

Ich fing nun an und sagte: ,Schau, meine liebe Kaiserin, ich bin ein armer Bub, ich habe weder Vater noch Mutter und logire bei meiner Schwester unterm Dach auf dem Heu. Da träumt’ mir in einer Nacht von Dir, weil ich es von den Leuten sagen gehört, daß Du ein so guten Mensch bist, ich sei zu Dir gekommen und Du habst mir lassen auf einem gewissen Fleckchen, wo eine alte Brechelstube gestanden ist und das ich um zwei Gulden, ein Scapulier und Fläschchen Branntwein gekauft habe, ein Branntweinhäusl bauen; auch habst Du mir einen Hut voll Geld geschenkt. Den Hut hatte ich just so, wie ich ihn jetzt in der Hand hab. Ich bitte Dich, sei doch so gut und thue es mir, ich will in meinem Leben für Dich beten.’ – ,Ja, Du sollst es haben!’ sprach sie, ,wenn es Niemand einen Schaden thut.’ – ,Ja, Kaiserin, schau, Du mußt mir auch einen Zettel mitgeben, denn unsere Herren sind nicht so leichtgläubig, und Dich hätte ich darnach auch nicht mehr bei mir, und so würde vielleicht aus der ganzen Sache nichts.’ – ,Ich will es dem Grafen Choteck sagen, daß er Dir einen Brief an den Gouverneur Enzenberg mitgiebt, der wird es hernach schon glauben.’ ,O, ich bitte Dich, vergiß es nicht.’ – ,Nein, ich vergesse es nicht, heut soll es noch geschehen. Kannst Du auch umgehen mit Branntweinbrennen?’ – ,Ja, ich habe es von meiner Mutter gesehen und hätte Dir ein Fläschchen Kirschenbranntwein mitgebracht, aber es ist mir zu Hall zerbrochen.’ Sie lachte darüber und sagte: ,Ich trinke keinen. Nun erzähl’ mir noch, was sagen denn sonst die Tiroler von mir, haben sie mich lieb?’ ,Ich hab’ Dir’s schon gesagt, wenn ich nichts Gutes von Dir gehört hätte, so hätte mir auch nichts Gutes geträumt und ich wäre auch heute nicht bei Dir. Durchaus in unserm ganzen Lande, vom Größten bis zum Kleinsten, sagt ein Jeder, Du seiest das beste Mensch und die Welt bringt uns kein solches Weibsbild mehr hervor wie Du bist.’ Sie lachte herzlich und sprach: ,Das freut mich, ich habe die Tiroler auch gern, denn sie sind treu und aufrichtig.’ Sie griff mit ihrer linken Hand in die Camisoltasche, nahm vierundzwanzig Kremnitzer Ducaten heraus und opferte solche in meinen Hut. Ich sprang und hüpfte vor Freuden und sagte: ,Ja, Kaiserin, wenn Du einmal in’s Tirol kommst, will ich Dir gewiß auch etwas schenken, weil Du mir ein Häusl bauen läßt.’ Nun war mein Traum erfüllt, die Kaiserin nahm ,B’hüt Gott!’ und ich tanzte zur Thüre hinaus.“ Wir folgen Peter Prosch nicht länger auf seinen närrischen Kreuzfahrten; er zog sich endlich ganz nach Tirol zurück, heirathete und war bereits mit 44 Jahren Großvater. Er hatte alle Höfe und Fürsten – auch Ludwig XVI. und Marie Antoinette besucht, alle Herrlichkeit der Welt und die Pracht der Großen gesehen und rief schließlich wie Salomo: „Alles ist eitel!“ Wie das bei Komikern öfters vorkommt, wurde auch er in alten Tagen schwermüthig und düster und starb endlich lebenssatt und lebensmüde mit Hinterlassung zahlreicher Enkel.




Die Coburger Lotterie für Schleswig-Holstein. Unsere Leser erinnern sich, daß wir beim Beginn dieser Lotterie uns gegen die Betheiligung an derselben ausgesprochen haben. Grundsätzlich sind wir heute noch Gegner von Allem, was Lotterie- und Hazardspiel heißt, und wenn wir auch von dieser Regel Ausnahmen gelten lassen, so kann der Grund dazu nur der allerdings ein wenig jesuitische sein, daß der Zweck das Mittel heilige.

Dies war bei der Schillerlotterie der Fall, dies spricht auch für das vorliegende Unternehmen, wie wir bereits den Vorsitzenden dieses Lotterie-Comité zu Coburg selbst in unserm Blatte haben darlegen lassen. Neuere Berichte über dasselbe haben uns außerdem die Ueberzeugung gegeben, daß auch der Schein des Eigennutzens, den wir wenigstens von einem Theil der Gewinngegenstände nicht zu trennen vermochten, nunmehr vollkommen beseitigt ist. Das Publikum hat es somit durchaus mit einem soliden Unternehmen zu thun, für das nicht mehr sein Zweck allein, sondern auch die Weise der Einrichtung und die Art der Gewinngegenstände spricht. Die Gartenlaube ist nicht der Ort, wo der Leser eine ausführliche Belehrung hierüber sucht; da in den meisten größeren Städten Agenturen[1] dieser Lotterie bestehen, auch alle Buch- und Kunsthandlungen zu den Beauftragten derselben gehören, so ist es Jedermann leicht gemacht, das Nähere sich selbst zu verschaffen.

Wie bei jeder ist’s auch bei dieser Lotterie der lockende Reiz, für einen geringen Einsatz möglicherweise einen großen Gewinn zu erhalten, also hier für 15 Ngr., die ein Loos kostet, einen Gold- oder Silbergegenstand von 100 bis 3000 Thaler Werth. Dabei bietet das Comité dem Gewinner noch den Vortheil, daß es demselben, wenn er es wünscht, statt des gewonnenen Gegenstandes die Baarsumme dafür nach dem spielplanmäßigen Nennwerth zustellt. – Neben diesen Hauptgewinnen bilden jetzt die Oelfarbendrucke, welche anfangs die uns einigermaßen verdächtige Basis des Unternehmens gewesen waren, die Nebengewinne. Das Comité war besonders besorgt, diesen Theil des Unternehmens von allen Schlacken zu reinigen, die ihm allerdings angehangen hatten, und so besteht jetzt die ganze zu Gewinnsten bestimmte Bildersammlung aus Stücken, welche das Publicum davor bewahren, durch diese Lotterie werthlose Dinge in das Haus zu bekommen; dies mag besonders denen zur Beruhigung dienen, welche von der Schillerlotterie her speciell gegen Bildergewinne wohlbegründete Bedenken hegen.

Was nun den Zweck des Unternehmens betrifft, so verdient er die allgemeinste Unterstützung, darüber wird nirgends Zweifel herrschen. Wie bedeutend auch die Summen waren, mit welchen von Frankfurt aus und durch die Vermittelung des Herzogs Friedrich den durch die dänische Brutalität und durch den Krieg Geschädigten zu Hülfe gekommen wurde, so harren doch der von harter Noth Bedrängten noch gar viele auf Erleichterung ihrer Lage durch die Mittel des vom Krieg verschont gebliebenen großen, reichen Deutschlands. Wir weisen nur auf die armen schleswig-holsteinischen Soldaten hin, die – allerdings durch die Schuld des Bundes, der ja das deutsche Contingent der Holstein-Lauenburger sogar im Ausland, in Dänemark, durch seine Generale inspiciren ließ! – zur Schmach Dänemarks im durchweg erbärmlichsten Zustande jetzt von dort in die befreite Heimath zurückkehren. Nicht weniger hülfsbedürftig sind viele Bewohner der so lange von den Dänen ausgesogenen Inseln.

Die Wahrscheinlichkeitsrechnung weist nach, daß durch diese Lotterie die Gelegenheit geboten ist, in kürzester Zeit eine Summe von etwa 80,000 Thalern für Schleswig-Holstein flüssig zu machen, wenn ihr die rechte Theilnahme von Seiten des deutschen Volkes nicht gebricht. Herrschte in Deutschland eine Opferfähigkeit für politische Zwecke, wie in England und Nordamerika, so wäre eine solche Summe durch freiwillige Gaben in wenigen Tagen aufgebracht; da dies, wie die Erfahrung gelehrt hat, leider nicht der Fall ist, die Nothwendigkeit aber eine solche Hülfe unabweislich fordert, so müssen wir eben das Mittel zur Erwerbung jener Summe, das in dieser Lotterie geboten ist, auch unseren Lesern recht angelegentlich empfehlen.




Eine gute Wache. Die Wachen in Gravenstein in Schleswig waren unangenehm, hauptsächlich durch die große Zahl von Spionen, die täglich aus dem ganzen Sundewitt dahin, als dem Hauptquartiere des Prinzen Friedrich Carl, gebracht wurden.

Es war schon Abend und finster, als wir nach einem ziemlich anstrengenden Marsch, vom Norden kommend, in genannten Ort einrückten und ich wider Erwarten zur Wache commandirt wurde. Welcher Soldat kennt nicht das Mißbehagen, das uns erfaßt, wenn man todmüde auf ein gutes Strohlager rechnen kann und das Wort: „Auf Wache“ alle diese herrlichen Aussichten zerstört! Doch gern oder ungern, der Soldat darf nicht fragen warum, er muß eben schweigend gehorchen.

Nach vielem Suchen fand ich endlich mein Wachtlocal und mit ihm ein gut Dutzend unfreiwilliger Gäste, Herren und Knechte, feine und niedere Leute, welche zu große Anhänglichkeit an das liebe Dänenthum und zu großer Eifer, ihm zu nützen, in diese Lage gebracht hatte. Mein Vorgänger


  1. In Leipzig hat Herr Buchhändler Albert Hoffmann den Hauptdebit der Loose dieser Lotterie übernommen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 591. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_591.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)