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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

mit Ausnahme von Chios, die griechischen Küsten, der Weg vom Piräus nach Athen und die Umgebungen dieser Stadt selbst haben, freilich viel dazu beitragen, den Reiz des Schloßgartens zu erhöhen, dennoch bleibt er an und für sich eine Schöpfung, die dem Geiste und dem Geschmack der vorigen Königin die höchste Ehre macht. Der Garten ist wie die Offenbarung eines reichen, schönen Frauengemüths, welches sich einzig und allein dem geliebten Freunde erschließt. Je mehr man in ihm herumwandelt, desto mehr Reize entdeckt man, desto mehr fühlt man sich beglückt. Der Fremde hat in einem Lande, dessen Sprache er nicht versteht, das Gefühl der Isolirtheit; fangen aber die Nachtigallen im Schloßgarten an zu schlagen, dann glaubt er sich in seine Heimath versetzt, denn sie reden eine ihm und aller Welt verständliche Sprache. Was ihn aber stets in den Süden zurückführt, das sind die vielen großen Palmen, welche die Königin, so kühn im Versetzen großer Bäume wie der geistreiche Fürst Pückler, von den griechischen Inseln hierher verpflanzen ließ und die alle gut fortgekommen sind. Die Rosenpracht des Gartens erreicht zwar nicht die der Terrasse vor dem erwähnten Orangeriehause bei Potsdam, dafür glüht aber diese „Blume der Liebe“ unter dem griechischen Himmel weit tiefer und leidenschaftlicher, als im Norden.

Aus einer langen Veranda blickt man über das Thal des beinahe wasserlosen Ilissus auf die Säulenreste des von Hadrian erbauten Jupitertempels. Eine der Säulen ist vor einiger Zeit vom Sturmwind umgeworfen und gleichsam in einzelne runde Scheiben zerlegt worden; da sieht man nun die riesigen Verhältnisse des Capitäls und die Stärke der Eisenzapfen, welche die cannelirten Säulenstücke zusammenhielten. Zwei oben miteinander verbundene Säulen dieses Tempels wurden uns als der fünfzehnjährige Aufenthaltsort eines „Säulen-Heiligen“ bezeichnet. Nichts indeß geht über die Anmuth des ziemlich in der Nähe des Schlosses befindlichen Laubsaales, dessen Dach auf Wänden von blühenden Rankgewächsen schwebt und dessen Fußboden mit einem Teppich in matten, stillen Farben bedeckt zu sein scheint. Es ist dieser vermeintliche Teppich indeß ein in der Umgegend aufgefundener antiker Mosaik-Fußboden mit einem so geschmackvollen Muster, daß unsere Teppichfabriken ihn gern als Modell nehmen würden.

Athen leidet Mangel an Wasser. Die Königin aber nahm für die Bewässerung ihres Gartens einen großen Theil des vorhandenen unentbehrlichen Elements in Anspruch. Dies soll ein Grund mit zu der Unzufriedenheit gewesen sein, die zu dem Thronwechsel geführt hat. Die Anhänger der früheren Zustände, deren Zahl, wie behauptet wird, Legion ist, haben der Königin zu ihrem letzten Geburtstage einen Blumenstrauß aus dem geliebten Garten gesendet, – ein sinnreiches, feingefühltes Geschenk, das aber wohl mehr Kummer als Freude bereitet haben dürfte. Das Schloß, in dessen großen Sälen es seit dem Thronwechsel ziemlich still geworden ist, beginnt den Ausdruck von Verlassenheit anzunehmen. In seinem Innern ist es öde und leer, denn die Kunst- und Werthsachen, die es schmückten, sind dem Könige Otto, dessen Eigenthum sie waren, verabfolgt worden, und man sieht nur kahle Wände. Aber „unfühlend ist die Natur“; um das Schloß herum grünt und blüht es, als wäre nichts im Lande vorgefallen. Da jedoch von den 60,000 Drachmen, welche die Königin jährlich auf den Garten verwendete, von der neuen Regierung 40,000 gestrichen sind, so dürfte auch mit dem Grünen und Blühen bald eine Veränderung vor sich gehen.

Warum man nach der Befreiung Griechenlands vom türkischen Joche die Hauptstadt nicht zum Hafen Piräus hinab verlegt hat, ist schwer zu begreifen; das fabelhaft schnelle Aufblühen von Syra hätte als Fingerzeig dienen können. Freilich ist eine Eisenbahn von Athen nach dem Piräus in Aussicht genommen, aber die Ausführung des Projects kann auf sich warten lassen.

Inzwischen ist unser Wagen beim Champ de Mars angelangt. Wir biegen rechts von der sogenannten Promenade ab, die – ohne Bäume, folglich ohne Schatten – eine Zukunfts-Promenade ist, und verlängern die bereits vorhandene Reihe der Wagen um den unsrigen. Vorläufig sehen wir vor lauter Staub so gut wie nichts. Dann wird eine dichte Wand von Zuschauern sichtbar, die drei Seiten eines offenen Carre’s umgeben, dessen vierte Seite von Truppen in zwei Treffen gebildet wird. Lanzenreiter verhindern die Zuschauer, in das Carré einzudringen oder es zu verengen. In der Mitte des auf diese Weise freigehaltenen Raumes erhebt sich ein bescheidener kleiner Pavillon von Holz, zu dem drei Stufen hinaufführen. Er ist nach allen Seiten offen und besteht aus vier schlichten Säulen, die ein Dach tragen. Dieser Pavillon ist mit den höchsten Würdenträgern der griechischen Kirche angefüllt. Ihre ehrwürdigen Gesichter mit den langen, oft silbergrauen Bärten und ihre Gewänder – die Dalmatiken von weißer oder violetter Seide mit reicher Goldstickerei – erinnern an die Apostel, die man in alten byzantinischen Kirchen auf Goldgrund dargestellt findet. Wenn die Priester auseinander treten, zeigt sich ein mit drap d’argent überdeckter Altar, auf welchem kostbare silberne und vergoldete Kirchengefäße blitzen. Einer der Geistlichen hält die neue Fahne in der Hand; man sieht der Ankunft des Königs entgegen.

Während wir uns die Augen eines Argus wünschen, um Alles zu betrachten, was uns umgiebt: die beispiellos schönen Frauen in den Wagen neben uns, die schlanken Männergestalten in der rothen, hellblauen und gelben gestickten Nationaltracht zur weißen, faltenreichen Fustanella und ihre Begleiterinnen mit dem Feß auf den schwarzen Locken vor uns, tritt ein junger griechischer Officier zu uns heran, den wir von Berlin her kennen, woselbst er seine Studien auf der Artillerie- und Ingenieur-Schule gemacht und etwas Deutsch gelernt hat.

„Schlechte Plätze Sie haben,“ rief er, „laßt sorgen mich für bessere.“

Damit verläßt er uns, um bald darauf, begleitet von dem die Lanzenreiter befehligenden Officier, der einen herrlichen arabischen Grauschimmel reitet, zu uns zurückzukehren.

„Aussteigen Sie, bitte!“ sagt unser Freund. „Wir gehen in Pavillon, ist abgemacht Alles!“

Dabei deutet er auf den Schimmelreiter, welcher, des Deutschen nicht mächtig, zur Bestätigung dessen, was uns verkündet worden, freundlich grüßt, mit der Hand auf den Pavillon deutet und sein Pferd, dessen Fell im Sonnenschein wie Atlas glänzt, anmuthig stallmeistert. Wir sträubten uns mit Hand und Fuß gegen dies freundliche Anerbieten, denn wir befanden uns sämmtlich, Damen sowohl wie Herren, in den einfachsten Reiseanzügen. Aber es half kein Widerstreben.

„Hat zu sagen nichts,“ rief unser Freund, indem er den Wagenschlag öffnete; „aussteigen Sie schnell, ich durchführe Sie.“

Kaum hatten wir den kleinen Pavillon erreicht, wo die Priester unsern Gruß dadurch erwiderten, daß sie die Hand auf’s Herz legten, als eine Staubwolke von der Stadt her die Ankunft des Königs und seines Gefolges verkündete. Er kam in Generals-Uniform, geschmückt mit dem himmelblauen, gewässerten Cordon seines Hausordens, auf einem hellbraunen Vollblutspferde von großer Schönheit herangesprengt. In seiner zahlreichen Suite befanden sich der Kriegsminister in Uniform, der bekannte vierundachtzigjährige General Hadgi Petros im goldgestickten National-Costüm, die Adjutanten des Königs, berittene Diener, Ordonnanzen etc. Vor dem Pavillon anlangend, sprang der junge König rüstig vom Pferde, dieses den Dienern überlassend; die Suite folgte mit Blitzesschnelle seinem Beispiel, wobei der betagte Hadgi Petros seinen jüngeren Cameraden an Behendigkeit nichts nachgab. Die Truppen präsentirten unter Hurrahruf, und die Musik ertönte.

Der König erstieg die Stufen des Pavillons, erwiderte von hier aus den Waffengruß, indem er die Hand an den Hut legte. Sodann wendete er sich nach dem Innern des Pavillons, entblößte sein Haupt und verneigte sich ehrerbietig vor den Geistlichen. Unmittelbar darauf begann die Ceremonie der Fahnenweihe. Sie war für einen mit den Gebräuchen der griechischen Kirche Unbekannten fremdartig und sonderbar genug. Ein Priester goß aus einer kostbar gearbeiteten silbernen Kanne Wasser in ein silbernes Becken, in welchem ein großer Strauß der schönsten Blumen lag. Auf dem Altar standen keine Kerzen; dagegen trug ein junger, schöner Priester in violettem Seidengewande einen wunderlich geformten silbernen Leuchter in der Hand. Dieser bestand aus drei nach unten hin durch drei Arme verbundenen Leuchterknechten, die sich so zu einander neigten, daß die darin steckenden langen Wachskerzen sich in einem Punkte über ihnen kreuzten. In dem Kreuzungspunkte waren sie von einem hellfarbigen Seidenbande umschlungen. Diese drei Kerzen wurden angezündet. Endlich stellte sich vor den Priester, welcher die bunte Dalmatika trug, ein schwarzer, untergeordneter Geistlicher, schlug ein mit Gold und Edelsteinen geschmücktes Kirchenbuch auf und hielt es Jenem vor. Sodann trat der alte Erzbischof an den Altar, der König und alle Anwesenden entblößten ihr Haupt, und die rothseidene Fahne, die bisher zusammengerollt

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 633. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_633.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)