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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Vögel in Käfigen, kleine Affen an silbernen Kettchen, Eichhörnchen in Drehrollen, Hündchen von allen Racen. Der Sultan ist ein großer Liebhaber von Thieren, besonders von Katzen; wie sollten es da seine Damen nicht ebenfalls sein?

Doch wer malt unser Erstaunen, als sich aus dem mehrerwähnten Portal eine lange Procession von wohlgenährten Männern in weißleinenen Anzügen entwickelte, von denen ein jeder eine große, oben zugeschnürte, braunlederne Wulst auf dem Kopfe trug! Es waren die Köche und Zuckerbäcker des Sultans, die in runden, in der angegebenen Weise verpackten Körben die Speisen und Leckereien transportirten, die sie für den Sultan und sein ganzes Haus bereitet hatten und die nun, anstatt an dem süßen Gewässer, am Bosporus verzehrt werden sollten.

Gravitätisch und im Gefühl seiner Küchenwürde ging ein Koch und ein Zuckerbäcker hinter dem andern, und die Reihe wollte kein Ende nehmen, denn die Tafel eines Sultans will reich und mannigfaltig besetzt sein. Bald aber bog der Vorderste von dem Wege ab, den Harem und Marstall genommen hatten, um sich der Stelle zuzuwenden, wo der Sultan in das Kaik gestiegen war.

Hier hatten sich inzwischen viele Barken versammelt, in denen die weißen Männer Platz nahmen. Wir folgten ihnen zum Ufer und gewannen einen Blick auf den Fluß nach der Seite des Kiosk hinauf, wo es nicht minder Interessantes zu schauen gab, als auf dem Hofe der Moschee. Man war nämlich hier beschäftigt, alle Möbel und Einrichtungsgegenstände, an welche der Sultan und seine Schönen gewöhnt sind, in Barken zu schaffen und nachzutransportiren. Da leuchtete es von Polstern in Sammt und Seide, da blitzte es von vergoldeten Truhen und abenteuerlichen Koffern mit Email-Verzierungen, da funkelten Leibwaffen mit kostbaren Edelsteinen incrustirt; es leuchtete, blitzte und funkelte, bis die Barkenführer die ihnen anvertrauten Kostbarkeiten mit großen Wachstüchern überdeckten und den Blicken der Neugierigen entzogen.

Wir aber waren nach dem, was wir gesehen hatten, dergestalt blasirt, daß wir uns schwerlich gewundert hätten, wenn zum Finale auch noch die Moschee und der Kiosk des Sultans eingepackt und ihm nachgeschickt worden wären. Auch das wird kommen. Für die Sultane wären keine andern Häuser zweckmäßiger, als transportable.

So endete „das Freitagsgebet des Sultans“ für uns und wohl für die meisten der hier „Gläubigen“ mit einem sehr weltlichen Schauspiel. Und mehr ist ja das Ganze nicht, dort wie anderwärts. Ob Tempel, ob Moschee – der Vorsehung imponirt kein Paradedienst der Frömmigkeit, ob die Mächtigen ihn nur befehlen oder selber aufführen. Die goldenen Vorhänge am Kirchenthron von Byzanz zerriß der siegende Türke – trotz byzantinischer Andachtspracht – das Reich Osman’s wird nicht erhalten durch des Sultans Freitagsgebet, und keine Kirchenparade macht Dynastien unsterblich, deren Untergang von der ewigen Gerechtigkeit beschlossen ist.




„Wenn die Schwalben heimwärts ziehn.“
Ein Erinnerungsblatt aus dem vormärzlichen Schriftstellerleben, von Ferdinand Stolle.

Wer hat das Lied nicht schon gesungen oder singen hören und wer kennt heute noch den Dichter dieses und noch vieler andern schönen Lieder und wer spricht noch von ihm?

Es war gegen das Ende der zwanziger Jahre, als in der Mittagzeit eines schönen Sommertags aus dem Marterkasten eines der Dresdner Lohnkutscher, die damals in Leipzig im Birnenbaum, dem heutigen Hotel de Pologne, ihre Einkehr zu halten pflegten, ein junger Mann stieg und die mit einer Brille bewaffneten Augen die hohen Häuser der Hainstraße entlang schweifen ließ. Sein Alter mochte die mittleren Zwanziger erreicht haben. Die Figur gehörte mehr der kleinern Menschenausgabe an und war nichts weniger denn imponirend. Den besten Empfehlungsbrief aber trug der junge Mann auf seinem Antlitz, das geistreich, aber zugleich von ungemeiner Gutmüthigkeit sprach.

Leipzig, die Metropole des buchhändlerischen Lebens und Verkehrs, galt damals jungen strebsamen Schriftstellern, namentlich den außersächsischen, für das Eldorado, wo das goldne Manna in die Straßen regnete. Andere auch, die sich in der Heimath von einer allzu ängstlichen Censur beengt fühlten, glaubten in einer Stadt, wo die angebliche deutsche Freiheitsschlacht geschlagen worden, für ihre freisinnigen und patriotischen Gefühle eine freiere und frischere Luft zu finden.

Auch Carl Herloßsohn, von Prag kommend, wo er seine akademischen Studien beendet, und von dem Bewußtsein „auch ich bin ein Maler“ getrieben, war dem verlockenden Leuchtthurme gefolgt und hatte hoffnungsreich und als Millionär an guten schriftstellerischen Ideen die Musenstadt betreten.

Der Mensch denkt, Gott lenkt! ein Sprüchwort, das bei Niemandem ersichtlicher hervortritt, als bei jungen künstlerischen und phantasiereichen Naturen. So auch mit unserm Herloßsohn. Da war er nun in Leipzig, dem Ziele seiner langgehegten Wünsche; aber Niemand bekümmerte sich um ihn. Das praktische Leben und Treiben der Handelsstadt, wo sich Alles um’s „Geschäft“ dreht, hatte keine Zeit, sich um einen jungen Mann zu kümmern, dem kein Ruf vorherging. Es öffnete sich gastlich keine Thür, kein befreundeter Heerd nahm ihn auf, und dem hoffnungsreichen, aber völlig mittellosen Dichter – sein Ränzlein war so bescheiden, als je ein armer deutscher Akademiker solches getragen – blieb nichts übrig, als in einem Oberstübchen des Thomaskirchhofes seinen Musentempel aufzuschlagen.

War aber auch sein Ränzlein leicht und unscheinbar, so ruhten gleichwohl unbezahlbare Schätze darin, und der glückliche Dichter glaubte, wie der französische Soldat, seinen Marschallstab im Tornister zu tragen. Es waren die unterschiedlichen Manuskripte, die er von Prag mitgebracht, und er gab sich gern der frohen Hoffnung hin, die ja ein Erbtheil junger Autoren, daß sich die Leipziger Buchhändler um Acquirirung dieser werthvollen Manuskripte jedenfalls über das Schnupftuch schießen würden.

Die Buchhändler schossen sich aber nicht, sondern schickten, Einer nach dem Andern, Mancher vielleicht ohne einen Blick hineingethan zu haben, die für den Dichter so schätzbaren belletristischen Arbeiten zurück. Das hatte er nicht erwartet. Für so verblendet hatte er den Leipziger Buchhandel, der doch so viel druckt, nicht gehalten. Wie oft stieg er in jener Zeit, das Herz voll Wehmuth und den Kopf voll Sorgen, die dunkle Stiege hinab zum benachbarten Schweizerbäcker Kintschy, um sein Herzeleid in einer Tasse Mocca oder einem Gläschen Parfait d’amour zu versenken! Eine Hoffnung nach der andern schwand, ein Regenbogenstrahl nach dem andern erlosch, eine Illusion nach der andern zerrann vor der herben Wirklichkeit.

Nur zu bald erkannte unser Dichter, daß es selbst in der Metropole des Buchhandels, und obschon daselbst Tausende von Büchern gedruckt werden, mit lohnender Schriftstellerei seine nur zu großen Schwierigkeiten habe; und so blieb, nachdem alle Versuche, ein Manuskript an den Mann zu bringen, vergebens gewesen, ihm, der später selbst manchem Abschreiber zu verdienen gegeben, um nur den bescheidensten Lebensunterhalt zu erschwingen, nichts übrig, als selbst – Abschreiber zu werden. Ein Leipziger Gelehrter gewährte solch kärglichen Verdienst, indem er ihm Manuskript zur Reinschrift gab.

Indeß sollte diese Prüfungszeit für unsern Herloßsohn nicht von allzulanger Dauer sein. Ein untergehendes Gestirn am damaligen belletristischen Himmel ward für ihn zum Glücksstern. Es war dies der bekannte H. Clauren (Carl Heun). Die süßliche Manie und Unnatur der „Mimilis“ und der „Tausendsappermentsmädels“ neigte sich ihrem Ende zu. Wilhelm Hauff mit seinem jene Manie persiflirenden „Mann im Monde“ führte den ersten schweren Schwertschlag, und Herloßsohn mit seiner eine gleiche Tendenz verfolgenden „Emmy, oder des Schicksals Wege sind des Schicksals Stimme“ setzte das Geschäft mit Glück fort. Da Herloßsohn gleichfalls den Namen Clauren (Heinrich Clauren) dazu benutzte, fand sich bald ein Verleger.

Der Name dieses zweiten falschen Demetrius ward aber bald bekannt, und so hatte der gelungene Wurf auch das Gute, daß man auf Herloßsohn’s glückliches Erzählungstalent aufmerksam wurde, und aus dem Bogenschreiber für zwei gute Groschen entpuppte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 651. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_651.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)