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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

that Steudtner seine Tochter zu seinem Schwager, dem Gärtner Wunderlich, nach Nieder-Olbersdorf. Dieser ist ein sehr ruhiger, nüchterner Mann, der mir, als ich ihn am 6. Mai kennen lernte, versicherte, daß er das Mädchen in der Voraussetzung bei sich aufgenommen, daß ein böser Mensch hier im Spiel sein müsse, bis er durch die aufmerksamste Beobachtung von dieser Ansicht zurückgekommen sei.“ Der alte Unfug beginnt auch hier, und zwar in verstärktem Maße. „Nun wohnt aber noch ein einundzwanzigjähriger Schmiedegeselle daselbst. Dieser hört auch einmal früh um halb sechs Uhr, als er schon munter ist, unter seinem Fenster draußen das bekannte Klopfen, schleicht sacht an’s Fenster und schaut hinab, um den Thäter zu erspähen, gewahrt aber bei aller Anstrengung seiner Augen nichts als ein kleines graues Wölkchen, das sich vom Hause hinweg über den dicht vorbeiführenden Fußsteig nach einem am jenseitigen Zaune stehenden hohlen Weidenstamme hinbewegt und in diesem spurlos verschwindet. Zweimal trug es sich zu, daß Wunderlich, wenn er früh sechs Uhr auf Arbeit ging, ein Stück alten Strickes, an dessen einem Ende ein Stück Braunkohle, wie solche draußen am Hause lagern, lose angeschleift war, einmal dicht an seinem Hause hin befestigt, das zweite Mal von der einen Ecke des Hauses und seiner Gartenthür weg quer über den Fußsteig bis zu jenem erwähnten Weidenbaume hin an der Erde liegend fand.“

Das arme Mädchen aber, da es sich bald überzeugt, daß es auch hier vor dem Spuk nicht geschützt war, bittet seine Muhme, sie wieder heim zu begleiten, was diese denn auch am Abend des vierten Tages thut. Kaum dorthin zurückgekehrt, verfolgt sie das ärgerliche und grausige Spiel auf’s Neue, worauf ihres Vaters Bruder, August Steudtner, sie in sein Haus aufnimmt.

Der Herr Doctor erzählt weiter, wie in dem neuen Asyl der Unfug immer toller, aus dem einfachen Pochen ein mit Heulen und Pfeifen abwechselndes Kratzen geworden sei, so daß selbst dem frommen Onkel die Geduld ausging und er das Mädchen mit den Worten angefahren: „Sieh, Louise, wenn Du im Stande wärest, so etwas auszuüben, so wäre es das Allerbeste, einen Klotz her und den Kopf herunter!“ – „Diese Drohung,“ fährt der Verfasser fort, „änderte gar nichts an der Sache. Die Ortsgerichte, ihrer Pflicht entsprechend, besuchten endlich auch das Mädchen Abends, als es im Bett lag und daran geklopft wurde, besahen nicht allein ihre Finger und Fußnägel, welche ihnen durch das Klopfen und Kratzen sehr abgenutzt schienen, hielten ihr Hände und Füße mit Gewalt fest (während dem klopfte es zufällig nicht) und untersuchten den Inhalt ihres Bettes bis auf den untersten Grund, fanden aber weder einen lebendigen Klopfer oder Spielmann darin, noch einen verborgenen Mechanismus, wie dergleichen Spieldosen bei reichen Leuten wohl zuweilen in dem Sitzpolster von Lehnsesseln verborgen sind, welche beim Niedersitzen zu spielen beginnen. Die Männer sahen, daß ihr Scharfsinn nicht ausreichte, und machten dem Gensd’armen Anzeige davon, welcher ebenfalls seinen Verdacht nur auf dies Mädchen warf. Und doch geschahen andere wunderbare Dinge, theils in des Mädchens Abwesenheit, theils so, daß es ihre Kräfte menschlicher Weise nicht vermocht hätten. Nicht nur bewegten sich außen am Hause hängende oder lehnende große Stangen, Pfähle, eine Leiter u. a., von unsichtbarer Hand berührt, weit weg, während das Mädchen in der Stube arbeitete, sondern einer seiner Nachbarn erzählte mir auch, er habe einmal mit Steudner in dessen Hausflur gestanden und ein Beil beobachtet, das zwischen ihnen auf einer Bank gelegen. Dasselbe habe sich von freien Stücken um seine Längsachse gedreht, bis er Steudtner gebeten, es wegzunehmen, damit es ihnen kein Unheil zufüge. Aber auch andere Dinge bewegten sich auf wunderbare Weise, „wofern man wunderbar alle die Vorgänge nennen will, wo man die bewegende Kraft nicht sinnlich wahrnimmt, was wir freilich bei den Bewegungen unserer Glieder eben so wenig vermögen, die uns daher immer noch ein Wunder und Räthsel sind, das wir täglich an uns herumtragen“ – sagt der Herr Doctor.

Der Spuk wird immer schlimmer. „Bald fand Louise zu Häupten ihres Bettes einen ganz runden Stein liegen, den sie nicht selbst dahin gelegt haben will, bald war ihre Mutter Augenzeuge, wie ihr Taschenmesser von unsichtbarer Hand ihr aus der Rocktasche herausgenommen, in der Luft geöffnet und ihr mit der Spitze gegen das Gesicht geschleudert wurde, ohne sie zu beschädigen, endlich kam es mehr als ein Mal vor, daß ihr große mehrere Pfund schwere Steine (Ziegel- und Pflastersteine) nachflogen, besonders wenn sie allein die untere Stube verlassen und sich durch die Hausflur hinaufbegeben wollte, oder von da zurückkehrte. Hier nun ist der merkwürdige Umstand auffallend, daß die Nähe August Steudner’s für seine Nichte von sichtlich schützender Kraft und Wirkung war. Denn obgleich es schon wieder ein Wunder ist, daß diese massiven Geschosse, welche noch dazu, wie man aus den Narben an der Stubenthüre schließen kann, mit großer Kraft geschleudert wurden, machtlos an dem Körper des Mädchens niederfielen, so war doch wahrzunehmen, daß das Mädchen diesem Steinhagel weniger ausgesetzt war, wenn sein Oheim es begleitete. So oft er aber fluchte, das beachte man wohl, begann der Steinhagel desto heftiger an die Thür anzuschlagen, ohne daß Steudner mit aller Anstrengung wahrnehmen konnte, wo die Steine herkamen.

„So steigerte sich der Unfug immer mehr bis zum Palmsonntag, wo er seinen Höhepunkt, aber auch seinen Wendepunkt erreichte. Daß das an sich schon schwache Mädchen durch solche täglich wiederkehrende, nun schon ein Vierteljahr unausgesetzt anhaltende Schrecknisse und Vexationen, sowie durch den Aerger über den Spott und Hohn der Welt erschüttert, endlich aufs Krankenlager dahinsank, dies ist kein Wunder. Als es soweit mit ihr gekommen war, rief man den Oderwitzer Arzt, Herrn med. pract. Schniebs, zu Hülfe, der Louise von früher kannte. Dieser besuchte sie nur ein einziges Mal, beobachtete sie auch gerade während eines Hellsehens in schlafwachem Zustande (sagt natürlich Alles der Verfasser), welchen Zustand er leider für Verstellung hielt, und sandte ihr zwar eine Flasche Arzenei, kam aber nicht wieder, weil er hörte, daß sie schnell gesund geworden und nun Ruhe habe, welche plötzliche Genesung er sich dadurch erklärte, daß er dem Mädchen das Zittauer Stadtkrankenhaus in Aussicht gestellt hatte, wo sie unausgesetzt streng beobachtet und bewacht werden würde. Mein College Schniebs, den ich sonst als einen sehr erfahrenen und geschickten Arzt persönlich hochschätze, möge mir es nicht übel deuten, wenn ich nicht umhin kann, es hier um der Wahrheit willen, der ich treu sein will und muß, auszusprechen, daß er sich nach meiner Ansicht in einem doppelten Irrthum befunden oder noch befindet. Weder war jenes Hellsehen Verstellung, noch hat er diese vermeintliche Verstellung durch jene Drohung mit dem Krankenhause so schnell geheilt. Vielmehr hatte es mit der Genesung des Mädchens eine ganz andere höhere, aber auch verborgenere Bewandtniß. Gerade um dieselbe Zeit nämlich, wo der Arzt sie beobachtet, und auch der Ortsgeistliche, Herr Pastor Ludwig, sie auf ihr eigenes dringendes Verlangen einmal besucht und durch Gebet und geistlichen Zuspruch gestärkt und erbaut hatte, waren die äußeren Anfechtungen und Kämpfe zu einem inneren Seelenkampfe umgewandelt. Darum sagte ich oben, daß hier der Wendepunkt, die Krisis des ganzen Handels liege. Da nun ein solcher innerer Seelenkampf kein Kinderspiel ist, auch die Verstellung und Schauspielkunst dabei nichts hilft, im Gegentheil es dabei oft über die Kräfte eines schwachen Menschen geht, so fügt es die Vorsehung Gottes sehr weise, daß sie den Geist eines so Kämpfenden in ein inneres Schauen versetzt, ihn von den Fesseln des Körpers mehr befreit, diesen sammt seinen Sinnen in einen tiefen Schlaf versenkt und für die feindliche Außenwelt unempfindlich macht. Dieser Schlaf scheint allerdings dem unerfahrenen Laien wegen seines plötzlichen Eintrittes sowohl, als auch wegen der lebhaften Gespräche, die darin geführt werden, oder auch wegen der vorkommenden Krämpfe, welche nur ein Abbild der geistigen Kämpfe sind, krankhaft, er ist es aber im Grunde nicht, sondern nur außergewöhnlich und bedarf daher gar nicht der Hülfe des Leibarztes, wohl aber immer und vor allem des einzigen Seelenarztes Jesus Christus. Denn hier nun gilt es, was der Apostel Paulus die Epheser ermahnt 6, 10.

„In solchem Zustande des inneren Schauens sah das Mädchen mit geistigem Auge öfters zwei feindliche schwarze Gestalten seinem Lager nahen, welche nicht allein durch böse Mienen, sondern auch durch die schrecklichsten Drohungen ihm dergestalt zusetzten und es ängstigten, daß es von Schweiß und Thränen gebadet nicht anders glaubte, als sein letztes Stündlein sei gekommen. Der eine jener beiden schwarzen Geister erschien dem Mädchen gerade in derselben thierischen Gestalt, wie die Volkssage den Teufel darstellt. Nachdem es den Bösen mit den Worten von sich gewiesen: „Weiche weg von mir, Satan, denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr!“ siehe, so erschien ihm dieser selbst in Person mit seinem himmlisch friedevollen Antlitz,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 665. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_665.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)