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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

durften die freiwilligen Jäger es wagen, tief in die von den Franzosen besetzten deutschen Gebiete einzudringen. In dem deutsch-patriotischen Sinn der Bevölkerung fanden sie einen starken Bundesgenossen; im Volke gab es keinen Verräther, der ihre Stellungen, ihre Märsche dem Feinde verrathen hätte, überall wurden sie mit Jubel empfangen und mit tausend Segenswünschen auf ihren gefährlichen Pfaden begleitet. Sie waren ja die Träger der nationalen Begeisterung, die hellleuchtenden Meteore der Erhebung, die Apostel der Freiheit und bürgerlichen Selbstthätigkeit, welche diese ganze Bewegung so charakteristisch kennzeichnete. Ueberall, wo sie erschienen, hinterließen sie eine Gedankensaat, aus der die schönsten Früchte erblühten.

In der Armee waren die freiwilligen Jäger die Männer der That, des rücksichtslosen Wagens, die dem engherzigen dynastischen Egoismus offen entgegentraten und den Krieg auf Leben und Tod predigten. Deshalb waren sie dem „diplomatischen Federvieh“, wie der alte Recke Blücher die federkundigen Beamten des großen Hauptquartiers nannte, und auch den „altfritzigen“ Officieren ein Dorn im Auge. Diese in Hochmuth und Junkerthum verknöcherten alten Soldaten suchten der jungen Adlerbrut bei jeder Gelegenheit die Schwingen zu beschneiden und waren eifrig bemüht, ihren Thaten die Anerkennung zu entziehen.

Auch der Rittmeister von Colomb mußte dies erfahren, als er nach abgeschlossenem Waffenstillstand sich unter tausend Fährlichkeiten aus den feindlichen Haufen herauswickelte, die ihn umstellt hielten, und endlich bei Breitenhagen unweit Aken das rechte Ufer der Elbe erreichte. Von seinen jüngeren Cameraden wurden er und seine tapfere Schaar zwar mit der herzlichsten Freude empfangen, die höheren Officiere behandelten ihn dagegen mit kalter Nichtachtung und grätiger dienstlicher Kleinigkeitskrämerei. Als er sich in Ohlau bei dem General York meldete, ließ dieser seiner Abneigung gegen die Parteigänger frei die Zügel schießen.

„Solche Züge,“ meinte er, „lockern die Subordination; es tritt dabei eine Cameradschaft zwischen den Officieren und ihren Leuten ein, die den Respect untergräbt und endlich zur Auflösung aller Disciplin führt. Die Vortheile, welche Sie errungen haben, wägen die Nachtheile nicht auf, die aus solchen Actionen, wo ein jeder Mann sich in fesselloser Ungebundenheit bewegt, der militärischen Dressur erwachsen. Ich werde dafür Sorge tragen, daß Ihren Kraftgenies die langgelassenen Zügel wieder verkürzt werden, und sie an Zaum und Zügel gewöhnen.“

Der alte Griesgram, der in der Poscheruner Mühle, als er durch den mit den Russen abgeschlossenen Vertrag von Tauroggen der Politik Preußens eine feste Basis gab, selbst „Kraftgenie“ gespielt hatte, hielt Wort. Um die innige Cameradschaft zu zerstören, welche Colomb mit seinen Freiwilligen geschlossen hatte, sorgte er dafür, daß diesem das Commando derselben noch während des Waffenstillstandes abgenommen und derselbe zu einem anderen Armeecorps, obschon mit Avancement, versetzt wurde. Das schöne Band, welches die freiwilligen Jäger an den hochherzigen Mann fesselte, wurde dadurch aber nicht gelöst. Seine Schwadron verehrte ihm zum Andenken einen reichverzierten Säbel, blieb ihm mit inniger Liebe zugethan, und noch heute, nach einem halben Jahrhundert, sprechen die hochbetagten Greise, die einst seinem Commando untergeben waren, mit hoher Begeisterung und inniger Anerkennung von ihrem heldenmüthigen Führer.




Dorfanlage und Hausbau in Deutschland.
Von Wilhelm Jungermann.
(Schluß.)
Das thüringische Bauernhaus. – Der Einzelhof. – Dörfer und Städte ohne Grund und Boden. – Die Kämpe.

Wir kommen zum thüringischen Bauernhaus. Daß wir hier auf anderem Grund und Boden stehen, haben wir schon oben an der Verschiedenheit der Dorfanlage gesehen. Die hauptsächlichsten Eigenthümlichkeiten des Hausbaues aber sind: die stets viereckige Form und die Geschlossenheit des Hofes durch ein Thor und eine neben diesem stehende Pforte; die Einfassung der muldenförmig vertieften Miststätte durch einen vor den Gebäuden sich herziehenden gepflasterten oder geplatteten Gang (die s. g. Häuste); an der dem Hof zugekehrten Außenseite des Stallgebäudes eine offene Galerie (der s. g. Gang oder auch die Laube); das Taubenhaus in der Mitte des Hofes; die Holzwände des untern Stockwerks des Wohnhauses; die hohe Esse der Küche; die offene Durchfahrt in einem der Wirtschaftsgebäude, und der mangelnde Holzbau an den Wänden der letztern, die vielmehr meist aus reinem Lehm aufgeführt sind. Nicht sowohl im Hausbau als in wirthschaftlichen Verhältnissen beruhende Eigenthümlichkeiten sind sodann noch: der fast nie fehlende große Käsekorb an einem der Nebengebäude und die Umfriedigung der Miststätte mit einem Strohgeflecht oder in anderer Weise, eine Einrichtung, die wahrscheinlich damit zusammenhängt, daß sich vielfach das Vieh während des Tages auf der Miststätte aufhält.

Nicht alle thüringischen Bauernhöfe sind übrigens gleich geräumig, und es haben demnach auch nicht die Wirthschaftsgebäude aller dieselbe Ausdehnung. Die größere oder geringere Wohlhabenheit des Besitzers äußert hier wie überall ihre modificirenden Wirkungen, namentlich in der Richtung, daß mehrfach Wohnhaus und Stallung nicht zwei selbstständige, sondern ein zusammenhängendes Gebäude sind. Bei kleineren Höfen fehlt wohl auch das Taubenhaus im Hof, wogegen dann ein Taubenschlag im Giebel des Wohnhauses angebracht ist. Auch das Thor und die Pforte haben nicht überall die gleiche Ausdehnung. Nach Westen zu werden die geschlossenen Thoreinfahrten immer seltener. Um Heiligenstadt und Mühlhausen sieht man sie nur noch vereinzelt, an der Ocker gar nicht, im Werrathal nur hier und da. Thor und Pforte bleiben zwar auch in diesen Gegenden, aber, entsprechend dem geringern Umfang der Güter, sind sie meist oben offen, und nur hin und wieder liegt ein Querriegel oben auf den beiden Säulen. Südlich und östlich am Harze, in Meißen und im Altenburgischen sind die Pfeiler fast durchweg von Stein und oben entweder durch ein Dach oder durch einen Bogen geschlossen, in der Lausitz dagegen wird statt des Steines schon häufig Holz angewendet, während in Böhmen das hohe meist steinerne Thor sich ganz besonders bemerklich macht. Hin und wieder findet man auch wohl das Thor gänzlich überbaut, in welchem Falle dann gewöhnlich die offene Durchfahrt wegfällt. Auch der Gang oder die Laube wird nach Westen zu im Werrathale schon seltener und verschwindet mehr und mehr. Ebenso verdrängt die reine Lehmwand oder auch die gewöhnliche Gefachwand die Holzwand in dem untern Stockwerk des Wohnhauses. Ein Bild des äußeren und inneren Aussehens eines thüringisch-slavischen Hofes werden die beiden folgenden Zeichnungen gewähren, die von einem Hof in Altbernsdorf an der Pliesnitz, dicht beim Städtchen Bernstadt in der Oberlausitz, aufgenommen sind.

Es bleibt uns nur noch die Schilderung des Einzelhofs in dem Land nördlich von der Lippe übrig. Es ist bereits oben bemerkt worden, daß der Hausbau auf diesen Einzelhöfen der altsächsische zu sein scheint. Der Hausbau des Einzelhofs wird uns daher hier nicht weiter beschäftigen, es gilt davon ganz dasselbe, was oben über das sächsische Haus mitgetheilt wurde. Die Eigenthümlichkeit des Einzelhofs liegt vielmehr in dem gänzlichen Mangel jedes landwirthschaftlichen Gemeindeverbandes. Es giebt in dem Gebiet des Einzelhofs eine politische Gemeinde – die „Bauerschaft“, die von einer Anzahl von Einzelhöfen gebildet wird und unter einem „Schulzen“ stand, dessen Amt mit dem Besitz eines bestimmten Hofes verbunden war – und es giebt dort auch eine kirchliche Gemeinde, eine landwirthschaftliche Gemeinde dagegen, d. h. eine solche mit gemeinsamer, in Hufen abgetheilter Feldflur, gab und giebt es nicht. Die einzelnen Einzelhöfe sind und waren von jeher vollständig für sich abgeschlossene und stets zusammenhängende Ganze. Mit der Zeit haben sich allerdings auch Dörfer und Städte hier und da gebildet, aber weder die einen, noch die andern haben in Hufen eingetheilte Fluren; die Einzelhöfe hatten ja viel früher schon den gesammten bestellbaren Grund und Boden vorweg genommen. Etwas Land haben natürlich auch diese Städte und Dörfer,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 778. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_778.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)