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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Blätter und Blüthen.

Alte Vorurtheile. „Der Rhein verliert sich im Sande.“ So wurde uns in der Schule gelehrt und so stand es in den geographischen Lehrbüchern, und was der Lehrer sagt, muß wahr sein. Ich habe später die Angabe des schnöden Endes unseres Rheins noch mehrmals gefunden und finde sie eben wieder in einem Romane eines geschätzten Schriftstellers aus der neuesten Zeit. Wenn es nun auch möglich gewesen wäre, daß seit der Zeit der Normannen und der Hansa der Rhein sein Bette geändert habe und endlich wirklich im Sande verlaufe (wie denn unsere ganze politische Entwicklung seit jener Zeit im Sande versiechte), so hat man doch in neuester Zeit wiederholte Versuche einer direkten Seeschifffahrt von Köln aus gemacht; in den vierziger Jahren kam eine Dampf-Yacht der Königin von England direct von London nach Köln, man fährt auf allen Rheinschiffen direct nach Rotterdam und von dort auf einem andern Schiffe nach London. Indessen die alte Lehre klebt uns noch immer an, und bis auf die neueste Zeit wird der Rhein mit der Verleumdung heimgesucht, daß er sich im Sande verliere.

Das wahre Sachverhältniß ist dieses. Bald nach seinem Eintritt in Holland theilt sich der Rhein in zwei Arme. Der südliche Arm bekommt den Namen „Waal“, nimmt dann die Maas auf, theilt sich und vereinigt sich wieder und diese verschiedene Arme heißen dann: „neue Maas“, „alte Maas“, „Marve“ u. s. w. Zuletzt fällt die Wassermasse in mehreren Mündungen in die Nordsee. Der nördliche Arm behält noch eine Zeit lang den Namen Rhein, giebt einen Theil seiner Wasser durch den Drususcanal an die Yssel ab und theilt sich dann abermals. Der südliche Arm heißt nun „Leck“, der nördliche „krummer Rhein“. Noch einige Theilungen bringen dann noch die Namen „alter Rhein“, und „Vecht“ hinzu. Der krumme Rhein und der alte Rhein sind wenig mehr als todte Gräben, die nur vermittelst Schleußen fahrbar sind. Hier hatte sich allerdings, da sieben Achtel der Wassermasse an Waal und Leck abgegeben waren und für den alten Rhein nichts mehr übrig blieb, die Mündung in die See verstopft. Allein seit länger als 50 Jahren ist auch diese Mündung wieder geöffnet. Demnach verliert sich der Rhein nicht im Sande.

Daß man den verschiedenen Armen, in die er sich theilt, andere Namen gegeben hat, thut nichts zur Sache. Vielleicht mochte es, damit man sich zurechtfinden könne, nothwendig sein, die verschiedenen Arme, die sich namentlich durch Verbindung mit der Maas bilden, mit verschiedenen Namen zu bezeichnen. Daß man den Namen des Hauptstromes aufgab und dafür den Namen des Nebenstromes Maas annahm, gehört zu den Ungeschicklichkeiten, die mehrfach vorkommen. So muß der schöne und stärkere Missouri in Amerika bei seiner Vereinigung mit dem Mississippi auch seinen Namen aufgeben und ihn in dem letzteren verlieren. Daß nur die letzten todten Ausläufer des Rheins den alten eigentlichen Namen beibehalten, ist ebenso eine Ungeschicklichkeit, die sich vielleicht dadurch erklären läßt, daß der Rhein früher den Haupttheil seiner Gewässer wirklich in diesen Armen ergoß und daß sich das im Laufe der Jahrhunderte geändert hat. Denn der Rhein hat sein Bette vielfach verändert, und noch heute giebt es große Strecken von trockenen Flußbetten, in denen sonst der Rhein strömte. So lagen Rheinberg und Cleve früher unmittelbar am Rhein und liegen jetzt eine, resp. zwei Stunden von ihm entfernt.

Der alte eigentliche Rhein verläuft sich nicht im Sande, sondern theilt sich nur in mehrere Arme, die dann andere Namen bekommen. Er bringt seine grünen Wellen endlich dem deutschen Meere zu und trägt ehrlich die Schiffe aus der See und in die See.




„Ein technisches Räthsel“ in Nr. 42 dieses Jahrganges der Gartenlaube hat zu einer Menge von Zuschriften Veranlassung gegeben, welche wir nicht mit Stillschweigen übergehen wollen, trotzdem wir in keiner derselben eine hinreichende Lösung des Räthsels haben auffinden können. In den allermeisten der kleinen Aufsätze, die zum Theil mit vielem Geschick, alle aber mit dem lebhaftesten Interesse für die Sache abgefaßt sind, finden sich Gründe angeführt, welche schon in der ursprünglichen Notiz widerlegt worden sind. Ein „einfacher Eisenarbeiter“ will die Lösung des Räthsels mit den Worten gefunden haben: „Der Grund der Erscheinung liegt in den Wärmegraden“; wie wenig diese nicht weiter ausgeführte Erklärung überhaupt eine Erklärung genannt werden kann, liegt auf der Hand. Ein „Goldarbeiter“ hält für die Hauptursache des Phänomens „eine ausstoßende Bewegung gegen alles Fremde oder gegen alle feste Körper, welche die Kugelbildung stören.“ Nach ihm ist es außerdem der Strom der durch die Hitze aus dem festen Eisen ausgestoßenen Lufttheilchen, welcher das letztere auf der Höhe hält. Wenn wir recht verstehen, ist mit der „Kugelbildung“ die gegenseitige Anziehung der Theilchen des flüssigen Eisens gemeint, welche das Eindringen des festen Eisens in die flüssige Masse verhindert. Auch diese Ansicht, sowie die von dem Luftstrom, sind in dem Artikel der Nr. 42 nicht nur erwähnt, sondern auch widerlegt. Eingehender beschäftigt sich mit unserer Frage ein aus Schöningen eingesandter Aufsatz, welcher die Erscheinung „auf das einfache physikalische Gesetz der Scheidung der Körper nach dem specifischen Gewichte“ zurückzuführen versucht. Nach dem Verfasser „dehnt sich das flüssige Eisen im Momente der Erstarrung so stark aus, daß es sich beim weitern Erkalten nicht wieder auf die Dichtigkeit des flüssigen Zustandes zusammenzuziehen vermag“. Dieser Behauptung widerspricht ganz entschieden die Erscheinung des Schwindens, obgleich der Verfasser dieselbe mit seiner Behauptung folgendermaßen in Einklang zu setzen bemüht ist. „So lange das Eisen in der Form flüssig ist,“ sagt er, „erfüllt es diese vermöge seiner Molecularwirkung nur unvollständig.“ Dies ist allerdings richtig, aber vor dem Erstarren füllt doch das flüssige Eisen die Form immer noch bei weitem vollständiger, als das fest gewordene Gußstück. Nur an solchen Stellen, wo das Modell nicht abgerundet ist, wo es scharfe Kanten und dergleichen hat, füllt die flüssige Eisenmasse wegen der Molecularwirkung die Form nicht ganz aus; ja, ich behaupte, wenn das Modell eine Kugel ist, füllt das flüssige Eisen die Form ganz vollständig aus. Und doch findet auch in diesem Falle die Erscheinung des Schwindens statt. Daraus folgt mit mathematischer Gewißheit, daß festes Eisen immer einen kleineren Raum einnimmt als flüssiges Eisen von demselben Gewicht, d. h. daß festes Eisen specifisch schwerer als flüssiges ist. In dem specifischen Gewicht liegt daher die Lösung unseres Räthseln nicht. Schließlich erwähnen wir noch einer Beobachtung, welche uns in einem mit dem Stempel der Stadtpost Leipzig versehenen Schreiben mitgetheilt wird. Darin wird eine Erklärung der vielbesprochenen Erscheinung durch die Strömungen gegeben, welche in jeder sich abkühlenden heißen Flüssigkeit entstehen. Auch diese Erklärung ist in unserer Notiz schon durch den Einwand beseitigt, daß nach neueren Erfahrungen in flüssigem Eisen die obern Schichten die kälteren, die untern aber die wärmern sind. Dieser Erfahrung stellt der Einsender seine eigenen Beobachtungen an flüssigem Platin entgegen. Wollen wir nun auch den Schluß nicht anfechten, vermöge dessen derselbe aus seinen Beobachtungen folgert, daß bei flüssigem Platin die obern Schichten und nicht die untern die wärmern sind, so steht doch so viel fest, daß Platin kein Eisen ist und daß eine Beobachtung am Platin nicht eine Erscheinung am Eisen zu erklären vermag.

R. H. 




Rebus-Spiel. Als sehr passendes Weihnachtsgeschenk für Kinder reiferen Alters, ja selbst für Gesellschaftskreise Erwachsener empfiehlt sich das bei Hermann Fries in Leipzig soeben erschienene Rebus-Spiel, erfunden von Roderich Benedix, mit Zeichnungen von Robert Kretschmer. Dieses Spiel besteht aus 150 kleinen Bildern, aus denen sich durch Beschreibung einzelner Buchstaben an 2000 Wörter bilden lassen. Aus diesen lassen sich durch Hinzufügen einzelner Wörter Tausende von Rebus oder Bilderräthseln zusammensetzen. Dieses Spiel ist mehr als ein gewöhnlicher Zeitvertreib, denn es schärft den Verstand und weckt die Erfindungsgabe. Bei der großen Vorliebe, die in unserer Zeit für Rebus und Räthsel besteht, wird es Vielen willkommen sein, sich auf die einfachste Weise eine unendliche Menge von Rebus bilden zu können, und indem man dieselben Andern zum Errathen vorlegt, entwickelt sich eine gar anmuthige Gesellschaftsunterhaltung. Die Ausstattung ist hübsch und elegant.




Carl Maria von Weber’s Leben. Noch zur rechten Zeit, um unter die Christspenden aufgenommen werden zu können, erscheint soeben der langerwartete zweite Band der Biographie Carl Maria von Weber’s aus der Feder seines auch den Lesern unsers Blattes durch manchen geist- und farbenreichen Artikel rühmlichst bekannten Sohnes. Damit ist dies gründliche und vortreffliche Werk zum Abschlusse gediehen, wenigstens so weit es das Leben des unvergeßlichen Tondichters erzählt; ein dritter Band wird nur noch die seither in den verschiedensten Blättern zerstreut gewesenen ästhetisch-kritischen und musiktheoretischen Aufsätze Weber’s vereinigen. Schildert der gerade vor Jahresfrist veröffentlichte erste Band die Lehr- und Kampfjahre des Componisten, so stellt der zweite die Meister- und Leidensjahre desselben dar mit der Pietät des Sohnes, aber zugleich mit der vollen objectiven Unparteilichkeit des gewissenhaften Autors. Dies als vorläufiger Fingerzeig, da wir in Kurzem unsere Leser eingehender mit dem Buche bekannt zu machen gedenken.


Zur Nachricht!

Mit Nummer 52 schließt das vierte Quartal unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das erste Quartal des neuen Jahrgangs schleunigst aufgeben zu wollen.

Leipzig, im December 1864.

Ernst Keil. 

Nicht zu übersehen!

Für diejenigen Abonnenten, welche sich die Gartenlaube einbinden lassen, sind durch uns auch zum Jahrgang 1864 höchst

geschmackvolle Decken

nach eigens dazu angefertigter Zeichnung zu beziehen. Alle Buchhandlungen sind in den Stand gesetzt, dieselben zu dem billigen Preise von 13 Ngr. zu liefern. – Zu den Jahrgängen 1854 bis 1863 stehen ebenfalls Decken zu dem gleichen Preise zur Verfügung.

Die Verlagshandlung. 
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 816. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_816.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)